Der Kampfmittelräumdienst hatte in Göttingen noch nicht mit der Entschärfung der Weltkriegs-Bombe begonnen, als diese plötzlich detonierte.

Noch in den Göttinger Vororten war die Explosion zu hören. Rund um den Schützenplatz bebte der Boden, noch in mehreren hundert Metern Entfernung fand die Polizei Bombensplitter.

Angesichts der Wucht der Detonation hatten die drei Männer des Kampfmittelräumdienstes aus Hannover nicht die Spur einer Chance, als am Dienstagabend um 21.36 Uhr das Relikt aus dem Zweiten Weltkrieg mit mehr als 65 Jahren Verzögerung doch noch für Tod und Verwüstung sorgte.

Die Opfer waren 55, 52 und 38 Jahre alt, alle drei das Gegenteil von Anfängern und schon Jahrzehnte beim Kampfmittelräumdienst des Landes Niedersachsen. Die beiden Älteren hatten jeweils mehr als 600 Bomben entschärft. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) erinnerte am Tag nach dem Unglück in Göttingen daran, dass die Bombenspezialisten damit viel für die Sicherheit unzähliger Menschen im Land getan hatten.

Warum die Zehn-Zentner-Bombe auf einer Baustelle am Schützplatz hinter dem Bahnhof einfach so hochging, darüber herrschte bei Polizei, Feuerwehr und Kampfmittelräumern schlicht Ratlosigkeit.

Eigentlich war alles Routine. Noch am vergangenen Donnerstag hatten die Spezialisten wenige Meter entfernt auf dem Schützenplatz eine ähnliche Bombe gefunden, freigelegt, unschädlich gemacht und abtransportiert.

Nach den vorläufigen Ermittlungen standen die drei Todesopfer zum Zeitpunkt der Explosion unmittelbar neben dem Blindgänger. Aber sie hatten das das Ungetüm nicht angefasst.

Erst ab 22.30 Uhr, wenn die letzten ICE-Züge auf der benachbarten Bahntrasse vorbeigefahren sein sollten, sollte mit der Entschärfung des Sprengkörpers begonnen werden. Auch der bei der Entschärfung vorgegebene Sperrbezirk mit einem Radius von tausend Metern rund um die Fundstelle war noch nicht eingerichtet. Und mit dem Einhalten der Zeitabläufe nehmen es die Fachleute vom Kampfmittelräumdienst genau. Noch waren die Männer damit beschäftigt, ihre Technik aufzubauen, deren sie sich später bedienen wollten.

Zwar hatte die Bombe einen Säurezünder und galt damit als besonders schwierig zu entschärfen. Und erst seit Anfang des Jahres wendet der niedersächsische Kampfmittelräumdienst eine neue Technik an, das Wasserstrahlschneidegerät.

Einen Zusammenhang mit der Explosion kann Feuerwehrchef Martin Schäfer jedoch schon deshalb nicht erkennen, weil die Entschärfung ja noch gar nicht begonnen hatte. „Es gab Probleme beim Abpumpen des Grundwassers, aber die Bombe ist nicht bewegt worden, nur freigelegt“, sagte Schäfer.

Zunächst blieb die Unglücksstelle zunächst in einem Radius von 300 Metern abgesperrt, bis Experten für das Umfeld eine „Unbedenklichkeitsbestätigung“ ausstellen. Mehrere Schulen aber auch Firmen blieben dicht, einige Straßen gesperrt. Ein Vertreter einer betroffenen Pharmafirma fragte auf der Pressekonferenz, wann bei ihnen wieder gearbeitet werden kann. Schulterzucken vorne am Tisch: Morgen noch nicht, und was dann wird, entscheide sich später.

Die Botschaft ist klar, und der Göttinger Stadtrat Hans-Peter Suermann sprach sie aus: „Es geht um höchstmögliche Sicherheit.“ Und er fügte hinzu: „Göttingen steht unter Schock.“ Allen Beteiligten ist die Verunsicherung nach dem Unglück anzumerken, das in Deutschland äußerst selten ist.

Als jemand wissen wollte, wann der letzte tödliche Unfall bei einer Bombenentschärfung passiert ist, kann von den Fachleuten aus eigener Erinnerung spontan niemand weiterhelfen. Dass muss, sagte schließlich ein hoher Polizeibeamter, Ende der 70er Jahre gewesen sein.