Mit schweren Lidern blickt Angie Sancelmente Valencia in die Kamera. Die 30 Jahre alte Schönheitskönigin wirft sich in Pose, am Körper mal wieder so gut wie nichts: nur Dessous. So kennen vor allem die Kolumbianer das Unterwäschemodel, das wegen seines ansehnlichen Körpers immer wieder für Aufnahmen in Magazinen und Katalogen in ganz Lateinamerika gebucht wird. Als sie vor ein paar Jahren in ihrer Heimat zur populären „Kaffeekönigin“ gekürt wurde, war das das Startsignal für eine viel versprechende Modelkarriere.
Doch seit wenigen Tagen schaffen es die Fotos der attraktiven Dame aus anderen ganz Gründen auf die lateinamerikanischen Titelblätter. Angie Sancelmente Valencia soll Kopf eines internationalen Drogenkartells sein, das junge, hübsche Frauen zu Drogenkurieren ausgebildet habe.
So zumindest berichtete es die argentinische Tageszeitung „La Nación“. Seitdem stürzen sich die Medien von Honduras bis Paraguay auf den Fall. Die Umstände sind dubios: Nach Informationen von „La Nación“ wird die in Buenos Aires untergetauchte Frau mit internationalem Haftbefehl gesucht. In der argentinischen Hauptstadt soll sie vor gut zwei Monaten angekommen sein. Hier habe die attraktive Kolumbianerin eine Schmuggelroute nach Europa und ins mexikanische Cancún aufgebaut.
Sancelmente lebte zuvor einige Jahre in Mexiko als Lebensgefährtin eines prominenten Drogenbarons, der in der Szene unter dem Decknamen „Das Monster“ gefürchtet war. Die Ermittlungen kamen in Gang, nachdem Mitte Dezember am internationalen Flughafen Ezeiza in Buenos Aires eine 21Jahre alte Frau mit 55 Kilo Kokain im Gepäck festgenommen wurde.
Nach ersten Erkenntnissen ist das Modelkartell stets nach dem gleichen Muster vorgegangen: Jeden Tag flog eine junge, hübsche Frau aus Buenos Aires als Kokain-Botin via Cancún nach Europa oder in die USA. Als Honorar erhielten die Damen für jede erfolgreich absolvierte Reise 5000 Dollar.
Model durch Operationen unkenntlich gemacht
Als männlicher Lockvogel diente dabei offenbar Ariel L.: Ein 25 Jahre altes Werbemodel, das sich im Auftrag der Kolumbianerin gezielt auf die Suche nach attraktiven Frauen machte, die als Drogenkuriere arbeiten sollten. Rund 2000 Dollar Honorar erhielt der Argentinier für jede Rekrutierung. Offenbar versprach sich die Kartellchefin von schönen Schmugglerinnen weniger Aufmerksamkeit der Zöllner, was das Gepäck anging.
Es war die Verhaftung von Maria N., die die Ermittlungen in Gang brachte. Das 21 Jahre alte Model war zugleich die Freundin von „Modelscout“ Ariel. Die Flughafenpolizei in Buenos Aires zeigte sich überrascht, mit welcher Ruhe Maria N. die Verhaftung zur Kenntnis nahm. In den Vernehmungen gab die Frau an, das Kartell hätte ihr zuvor zugesichert, es gebe am Flughafen keine Probleme, ein Teil der Beamten dort sei eingeweiht. Sie habe nicht einmal versucht, die Drogen im Gepäck zu verstecken.
Die alarmierten Behörden hielten nun Ausschau nach weiteren allein reisenden attraktiven Damen: Innerhalb von nur zwölf Stunden wurden drei weitere Schmugglerinnen gefasst – das Kartell war endgültig aufgeflogen. Seitdem ist die Kolumbianerin wie vom Erdboden verschwunden. In dieser Woche wurde der spektakuläre Fall nun publik: Polizei und Paparazzi machen sich gemeinsam auf die Suche nach der verschollenen Schönheitskönigin. Die kolumbianische Tageszeitung „El Heraldo“ berichtete, Sancelmente habe mithilfe von mehreren Operationen ihr Aussehen komplett verändert, um von den Fahndern nicht erkannt zu werden.
Ihre ehemalige Schwiegermutter – Sancelmente war während ihrer Zeit in Kolumbien verheiratet – erklärte, die Mutter eines Sohnes sei alles andere als kriminell: Sie sei eine fleißige, zuverlässige Frau. In Barranquilla betrieb die angebliche Kartellchefin gemeinsam mit ihrer Familie eine Boutique für Damenunterwäsche. „Ich hätte nie gedacht, dass es so enden könnte“, sagte die konsternierte Schwiegermutter. In Argentinien angekommen, ließ sich Sancelmente bei der Einreise am 7. Dezember mit ihrem Schoßhündchen registrieren.
Ähnliche Verdächtigungen gegen Deutsch-Kolumbianerin
Als Adresse gab sie ein Vier-Sterne-Hotel in Buenos Aires an, doch dort angekommen ist sie offenbar nie. Die Sicherheitskräfte haben derzeit keine Ahnung, wo sich die Kolumbianerin aufhält. Die kolumbianische Polizei wiederum ist überrascht. Wie das Nachrichtenmagazin „Semana“ berichtet, ermitteln die Behörden nicht gegen die hübsche Verdächtige. Es gebe keine Erkenntnisse, dass das Model im Drogenhandel tätig sei.
Die Düsseldorferin Natalie Ackermann hat ein ähnliches Spießrutenlaufen bereits hinter sich, als sie vor einigen Wochen ebenfalls in den Fokus der lateinamerikanischen Presse geriet. Der Deutsch-Kolumbianerin aus Meerbusch, die als amtierende Miss Deutschland 2006 die deutschen Farben bei der Wahl zur Miss Universe vertrat, wurde eine Beziehung mit dem erschossenen prominenten Drogenbaron Vilber Varela (Spitzname „Die Seife“) unterstellt. Die Schauspielerin, die mittlerweile in Bogotá lebt, erlebte einige schwere Tage, weil die lateinamerikanischen Medien sie ungeprüft in die Nähe eines Drogenkartells rückten.
Ackermann konnte allerdings mithilfe der Staatsanwaltschaft nachweisen, dass die Vorwürfe haltlos waren und sie keine Kontakte zu dem Gangsterboss unterhalten hatte. Lateinamerikanische Drogenbosse suchen gerne die Nähe zu Model-Wettbewerben und Wahlen von Schönheitsköniginnen. Nicht wenige Frauen, die oft aus ärmlichen Verhältnissen stammen, erliegen der Verlockung, in die Welt der milliardenschweren Drogenmafia einzutreten. „Niemand hat mich zuvor so behandelt wie Varela. Er hat mich auf Händen getragen“, gab vor Kurzem eine andere kolumbianische Schönheitskönigin zu Protokoll. „Es war, als hätte ich im Paradies gelebt.“