Berlin. Nach dem Abpfiff in der Alten Försterei herrschte bei den Profis des 1. FC Union vor allem eines. Ratlosigkeit. „Ich weiß noch gar nicht, wie ich das einschätzen soll“, sagte Robin Knoche stellvertretend für seine Teamkollegen: „Entweder froh sein darüber, dass wir kurz vor Schluss noch den Ausgleich gemacht haben und uns für den Aufwand belohnt haben, den wir heute betrieben haben. Oder gefrustet, weil einfach mehr drin war.“
Keine Frage, dieses 3:3 (1:1) im Achtelfinal-Hinspiel der Europa League gegen Royale Union Saint-Gilloise wird den Berliner Fußball-Bundesligisten nachhaltig beschäftigen. Nicht nur, weil eine gute Ausgangsposition für das Rückspiel am kommenden Donnerstag in Brüssel verpasst wurde, sondern auch wegen der Art und Weise, wie dies geschehen ist.
Union-Trainer Urs Fischer sah ein „gutes Spiel von uns“ – aber auch „ein Gegentor aus dem Nichts, das wir nicht gut verteidigt haben. Und das geschieht dann noch zweimal.“ Der späte Ausgleich durch Sven Michel sei „sehr“ wichtig gewesen, wie der Torschütze selbst in der 89. Minute verriet: „Mit einer Niederlage ins Rückspiel zu gehen, wäre schwierig geworden. Aber klar, auch jetzt muss dieses Spiel erst gespielt werden. Doch die Ausgangslage ist jetzt offen, ich bin sehr zuversichtlich.“
Union Berlin legt Einspruch gegen Uefa-Strafe ein
Es war ein Abend, an dem die Uefa genau hinschauen würde. Schließlich war Union gerade erst vom europäischen Fußballverband mit einer Geldstrafe von 30.000 Euro und einer Auswärtssperre für seine Fans auf Bewährung (zwei Jahre) verurteilt worden, weil einige Unverbesserliche beim Spiel in Amsterdam Pyrotechnik gezündet hatte.
Eine Strafe, gegen die Union Einspruch eingelegt hat, „weil wir es unverhältnismäßig finden. Kollektivstrafen zu Lasten vieler Unbeteiligter sind falsch“, ließ Union-Präsident Dirk Zingler im Vorwort des Progammheftes wissen.
Zugleich nahm der Klubchef die Anhänger des Fußball-Bundesligisten aber auch in die Pflicht: „Genauso falsch ist eine Kultur oder Form der eigenen Unterstützung des Klubs, bei der andere Gruppen und Menschen dominiert werden und die Konsequenzen zu tragen haben, die sie nicht verantworten.“ Und: „Regelverstöße diese Art kann und wird der Klub nicht hinnehmen.“
Union Berlin startet schwungvoll
Die Partie musste dennoch mit einigen Minuten Verspätung beginnen, weil die Gästefans aus Saint-Gilles das Stadion durch Abbrennen von Pyrotechnik in eine dicke Rauchwolke legten. Als der Ball rollte, schien es, als wollte Union nicht den gleichen Fehler machen wie im ersten Gruppenspiel des Wettbewerbs Anfang September. Entsprechend versuchten die Köpenicker, den Ball in den eigenen Reihen zu halten.
Es blieb ihnen auch gar nichts anderes übrig, denn die Belgier machten genau das, womit sie schon im Herbst erfolgreich gewesen sind. Schnelles unermüdliches Anlaufen des Gegners, Zustellen der Passwege und konzentriertes Verteidigen vor dem eigenen Strafraum. Sheraldo Becker (9.) und Kevin Behrens (17.) bekamen dennoch gute Möglichkeiten.
Juranovic verwandelt einen direkten Freistoß für Union Berlin
Dass Union dennoch in Rückstand geriet, hatte zwei Gründe. Die Hausherren zogen sich ein wenig mehr zurück und gestatteten dadurch Union Saint-Gilloise, immer mehr Druck aufzubauen. Und als Victor Boniface aus 20 Metern einfach mal abzog, fälschte Behrens beim Abwehrversuch den Ball derart unglücklich ab, dass er über Torwart Frederik Rönnow hinweg in hohem Bogen zum 0:1 ins Tor flog (28.).
Der Unterschied zu damals: Union hat nun jemanden wie Josip Juranovic in seinen Reihen. Der Kroate agierte wieder auf der linken Seite, und auch wenn nicht jeder seiner Entscheidungen richtig gewesen ist am Donnerstagabend – in der 42. Minute war sie es. Aus rund 20 Metern zirkelte Juranovic einen Freistoß über die Mauer zum 1:1 und ins Union-Glück hinein.
Union Berlin lässt sich zweimal auskontern
In der zweiten Halbzeit passierte genau das, was nicht hätte passieren sollen. Union tappte erneut in die Saint-Gilles-Falle: Ballverluste, die zu herausragend zu Ende gespielten Kontern der Belgier führten. Beim 1:2 durch Yorbe Vertessen (58.) leistete sich Union-Kapitän Christopher Trimmel einen kapitalen Abspielfehler, beim 2:3 durch Boniface (72.) „laufen wir in einen Konter, obwohl unsere Aktion nicht schlecht war“, erklärte Fischer. Auf ähnliche Art und Weise hatte Union schon das erste Gruppenspiel gegen Saint-Gilles verloren (0:1).
Was Mut macht für das Rückspiel ist die Moral, mit der sich die Berliner immer wieder zurückkämpften. Auch wenn dafür ein Handelfmeter, erst ermöglicht durch das Eingreifen des Videoassistenten, nötig war. Dass Knoche den Strafstoß erst im Nachschuss verwandelte, passt ins Bild (69.). Und es brauchte die Einwechslung von Michel.
Wie die Chancen aufs Weiterkommen stehen? Laut Fischer ist „alles offen“, auch wenn es „ganz eng“ werden wird. Knoche fand schließlich auch seinen Optimismus zurück: „Jetzt kommt erst mal das Spiel in Wolfsburg und dann bündeln wir die Kräfte wieder“, sagte der Abwehrchef, „egal wie, wir wollen eine Runde weiterkommen.“
Mehr über Union Berlin lesen Sie hier.