Berlin. Ein Derby ist ein Derby ist ein Derby. Ob mit Zuschauern oder ohne, wobei Derbys mit Zuschauern ohne Zweifel mehr Spaß machen. Dennoch ist das achte Duell zwischen Hertha BSC und dem 1. FC Union in der Fußball-Bundesliga auserkoren, das insgesamt 13. Kapitel in der Pflichtspielhistorie beider Klubs zu schreiben. Die zwölf Vorgänger haben jedenfalls Geschichte geschrieben. Dies sind ihre Geschichten.
Die Premiere
Lange hat Berlin auf ein Pflichtspielduell zwischen Union und Hertha hingefiebert, am 17. September 2010 war es endlich soweit. Weil Union in der Zweiten Liga als Aufsteiger souverän die Klasse gehalten hatte und Hertha als Bundesligist nicht. Doch wer fußballerische Feinkost an jenem vierten Spieltag der Saison 2010/11 erwartet hatte, der wurde enttäuscht.
Vor 18.400 Zuschauern in der alten Försterei wurde verbissen gekämpft. Schon nach zwei Minuten ging der Favorit aus Westend durch einen Kopfball von Peter Niemeyer nach einem Freistoß von Nikita Rukavytsya in Führung. Santi Kolk erzielte aus gut 22 Metern für Union in der 82. Minute den verdienten Ausgleich.
Die Sensation
Knapp fünf Monate nach der Premiere waren die Fronten geklärt. Union mühte sich gegen den Sog in Richtung Abstiegszone, Hertha mühte sich im Aufstiegskampf. Am Ende waren es jene 90 Minuten, die beiden Mannschaften enorm halfen, ihr jeweiliges Saisonziel zu erreichen. Zur Sensation wurde die Partie am 5. Februar 2011 vor allem deshalb, weil der klare Außenseiter Union dem großen Favoriten Hertha gezeigt hatte, wie man nach einem Rückschlag wieder aufsteht und an sich glaubt.
Roman Hubnik hatte Hertha in Führung gebracht, Normalität nach 13 Minuten. Doch mit dem spektakulären Ausgleich von John Jairo Mosquera (37.), spätestens aber nach der Pause kämpfte der Außenseiter aus Köpenick den Favoriten nieder. Der Freistoß von Torsten Mattuschka zum 2:1 für Union ist längst Geschichte.
Die Revanche
Nach Herthas erneutem Abstieg 2012 war nochmals die Zweite Liga Schauplatz des Derbys. Wieder war es der vierte Spieltag, und beide Mannschaften waren höchst mäßig in die Saison gestartet. Doch es waren die Herthaner, die am 3. September 2012 auf der Baustelle Alte Försterei – die Haupttribüne befand sich gerade im Bau – die bessere Mannschaft waren.
Sandro Wagner hatte den Torreigen nach einer halben Stunde eingeleitet, Christopher Quiring für Union nach dem Seitenwechsel ausgeglichen (69.). Die 16.750 Zuschauer waren aus dem Häuschen. Doch den Schlusspunkt setzte Herthas Brasilianer Ronny mit seinem Freistoß-Hammer (73.). Union-Torschütze Quiring war gefrustet: „Wenn die Wessis in unserem Stadion jubeln, krieg ich das Kotzen!“
Der Freistoßhammer
Wer Ronny sagt, muss auch Ronny sagen. Denn es war erneut der Brasilianer, der am 11. Februar 2013 dafür sorgte, dass Hertha keine Derby-Niederlage einstecken musste. Und wieder war ein Freistoß die Schlusspointe in einem Hauptstadt-Duell, das Union lange Zeit als Sieger gesehen hatte in einem Spiel, das keinen richtigen Favoriten kannte. Hertha stand zwar auf einem Aufstiegsplatz, doch Union als Vierter nur knapp dahinter.
Die Freude am Spiel, die Union den Hausherren genommen hatte, zeigten sie selbst bei den Führungstoren durch Simon Terodde (9.) und Adam Nemec (49.). Es brauchte eine Ecke von Ronny, die Adrian Ramos per Kopfball nutzte (73.) – und eben den unnachahmlichen Hammer des Brasilianers selbst, um eine erneute Niederlage zu verhindern (86.).
Der Elfmeter
Die Atmosphäre: aufgeheizt. Weil es das erste Derby in der Bundesliga war und durch den Pyro-Irrsinn, den beide Fan-Lager, vor allem aber der Gäste-Block, an jenem 2. November 2019 in der Alten Försterei veranstalteten. Die Partie musste sogar für gut fünf Minuten unterbrochen werden. Die Ausgangslage: dramatisch. Wer tritt schon gern zu einem Elfmeter in der 90. Minute an, nachdem er lange Minuten auf die Bestätigung durch den Videoassistenten warten musste.
Die Entscheidung: kompromisslos. Denn Sebastian Polter, erst spät eingewechselt, hatte die Nerven behalten und den Strafstoß, verursacht durch ein Foul des Herthaners Dedryck Boyata an Unions Christian Gentner, vor 22.012 Zuschauern verwandelt. Hertha-Schlussmann Rune Jarstein war zwar noch dran, doch Polter Schuss war zu scharf. Es war das Finale in einem Derby, das vor allem aus blau-weißer Sicht vieles schuldig blieb.
Das Geisterspiel
Es war kein Derby wie jedes andere. Die Coronavirus-Pandemie hatte das Land fest im Griff, und als sich Hertha und Union im Olympiastadion am 22. Mai 2020 wieder gegenüberstanden, waren Geisterspiele längst an der Tagesordnung. Es war der zweite Spieltag nach dem Re-Start der Bundesliga. Und Hertha, inzwischen mit Bruno Labbadia als Trainer an der Seitenlinie, hatte einiges gutzumachen.
Union wiederum hatte mit der Rückkehr in den Spielbetrieb ohne Zuschauer große Mühe. Begleitumstände, die Hertha den bis heute höchsten Derby-Sieg ermöglichten. Nach torloser erster Halbzeit, die vor allem taktisch geprägt gewesen ist, legte Hertha dann nach dem Seitenwechsel los. Dem Doppelschlag durch Vedad Ibisevic (51.) und Dodi Lukebakio (52.) ließ Hertha weitere Treffer durch Matheus Cunha (61.) und Dedryck Boyata (77.) folgen.
Die doppelte Partie
Unions Robert Andrich reiht sich nahtlos in die Phalanx jener Spieler ein, die ein Derby zwischen Union und Hertha geprägt haben. Bis zum Platzverweis des Mittelfeldspieles wegen Foulspiels an Herthas Lucas Tousart in der 23. Minute hatte Union das Duell im Olympiastadion fest im Griff, führte durch Taiwo Awoniyi auch verdient mit 1:0 (20.).
Doch nach Andrichs überhastetem Einsteigen begann das Spiel am 4. Dezember 2020 von neuem. Das Tor von Peter Pekarik (51.) und der Doppelpack des eingewechselten Krzysztof Piatek (74., 77.) sicherten Hertha ein verdientes 3:1 aufgrund der Leistungssteigerung in der zweiten Halbzeit.
Das Unentschieden
Nach seinem Platzverweis im Hinspiel der Saison 2020/21 war vor allem Robert Andrich am jenem 4. April 2021 um Wiedergutmachung bemüht. Das gelang dem Mittelfeldspieler mit dem Führungstreffer zum 1:0 für Union Berlin schon nach zehn Minuten. Doch dieses achte Derby sollte in der Alten Försterei keinen Sieger sehen.
Dodi Lukebakio war per Elfmeter für Hertha zur Stelle. Unions Verteidiger Marvin Friedrich hatte Matteo Guendouzi gefoult, Lukebakio ließ sich die Chance in der 35. Minute nicht entgehen. Trotz Überlegenheit in der zweiten Halbzeit blieb Union nur der gefühlte Sieger.
Die Tendenz
Siebeneinhalb Monate später, am 20. November 2021, offenbarte sich den Zuschauern in der Alten Försterei ein deutlicheres Bild. Union mit Blick nach oben in der Tabelle, Hertha mit der Tendenz nach unten – und so spielten beide Mannschaften auch.
Das 2:0 (2:0) an jenem zwölften Spieltag der Saison 2021/22 war der zu diesem Zeitpunkt deutlichste Heimsieg für die Köpenicker. Union-Stürmer Taiwo Awoniyi nach einem Fehler von Hertha-Verteidiger Marton Dardai (8.) sowie ein Schuss von Union-Kapitän Christopher Trimmel (30.) besiegelten früh die Kräfteverhältnisse.
Das Pokalduell
Nur 3000 Zuschauer erlebten im Olympiastadion wegen der Corona-Beschränkungen ein DFB-Pokal-Achtelfinale, das beim Blick auf das Resultat Spannung bot. Doch auch in jenem DFB-Pokal-Achtelfinale am 19. Januar 2022 war es Union, das Spiel und Hertha über weite Strecken im Griff hatte.
Ein verrückter Seitfallzieher von Andreas Voglsammer nach elf Minuten brachte Union die Halbzeitführung. Ein Eigentor von Niklas Stark kurz nach der Pause weckte Hertha jedoch auf (50.). Vier Minuten später revanchierte sich Unions Rani Khedira ebenfalls mit einem Eigentor (54.), dann stellte Union-Abwehrchef Robin Knoche den alten Abstand wieder her (55.). Hertha gab nicht auf, doch zu mehr als dem erneuten Anschlusstreffer durch Suat Serdar (90.+5) reichte es für Hertha nicht – am Ende hieß es 3:2 (1:0) für Union.
Die Demonstration
Das Rückspiel in der Saison 2021/22 sollte für Hertha BSC endlich die Wende im Abstiegskampf bringen – es wurde eine Demonstration durch Union. Im mit 74.667 Zuschauern ausverkauften Olympiastadion gewannen die Köpenicker mit 4:1 (1:0). Ein Sieg, der auch in dieer Höhe verdient gewesen ist.
Genki Haraguchi mit einem Flugkopfball (31.) hatte Union in Führung gebracht. Selbst ein Eigentor von Timo Baumgartl zum Ausgleich (49.) half Hertha nicht. Grischa Prömel (53.), Sheraldo Becker (74.) und Sven Michel (85.) schossen den höchsten Union-Sieg gegen Hertha heraus. Die Köpenicker feierten an jenem 9. April 2022 ausgelassen vor ihrer Fankurve – Herthas Profis wurden von ihren Fans in der Ostkurve hingegen aufgefordert, die Trikots abzugeben.
Der Saisonauftakt
Ein Derby am ersten Spieltag? Das hatte man sich bei Union Berlin und Hertha BSC sicher anders vorgestellt. Doch der Spielplan kannte keine Gnade – und Union fuhr den vierten Derby-Sieg in Serie ein. Dabei war Hertha mit neuem Trainer Sandro Schwarz angetreten, sich aus dem Tabellenkeller zu verabschieden.
Union-Zugang Jordan Siebatcheu stellte die Weichen nach gut einer halben Stunde (35.), Sheraldo Becker (50.) und Robin Knoche (54.) erhöhten kurz nach der Pause. Die Fronten vor 22.012 Zuschauern in der Alten Försterei waren schnell geklärt, daran änderte auch Herthas Ehrentreffer durch Dodi Lukebakio nichts (85.).
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