Berlin. Zum 1. FC Union gehören Haltung, eine klare Meinung, ehrliche Worte. Das macht diesen Klub aus, der sich in seinen Ansichten und Werten wie kaum ein anderer Verein der Basis verpflichtet fühlt: den „Menschen, die den Fußball lieben“, wie Stadionsprecher Christian Arbeit kurz vor dem Spiel gegen RB Leipzig ins Rund rief. Und aufzählte, wofür die Köpenicker stehen.
Ein paar Meter weiter konnte es auch jeder lesen, auf einem großen Schriftzug an der Waldseite des Stadions an der Alten Försterei. „Für fairen Wettbewerb ohne Mäzene, für Financial Fairplay, Regeln mit Biss“ stand da. „Für mitgliedergeführte Vereine“, fügte Arbeit noch hinzu. Alles Dinge, die bei RB, dem künstlich erschaffenen Klub des Getränkeherstellers Red Bull, kaum oder keine Rolle spielen. Weshalb die Berliner und ihr Anhang ihn nicht mögen – und das jedes Mal aufs Neue mit einem 15-minütigen, weitgehenden Schweigen zu Beginn der Spiele gegen die Sachsen bekunden.
Am Ende war aus der Stille ein ungeheurer Lärm geworden. Denn im Kampf der Kulturen setzte sich die Tradition durch. Das Team von Trainer Urs Fischer konnte RB vor 21.056 Zuschauern mit 2:1 (2:0) bezwingen. Es war der vierte Sieg – das vierte 2:1 – in Folge in der Bundesliga gegen Leipzig für die Köpenicker, die zudem ihren Klubrekord saisonübergreifend auf zehn Ligaspiele ohne Niederlage ausbauten. Außerdem ist Union mit nun sieben Punkten aus den ersten drei Partien so gut wie nie in eine Saison gestartet – und übernachte sogar auf Platz zwei der Tabelle.
Kapitän Trimmel kehrt in Unions Startelf zurück
Ohne den Gegentreffer hätte es Rang eins sein können. „Damit kann ich gut leben, wenn ich die Freude in den Gesichtern sehe auf dem Platz und im Umfeld“, sagte Innenverteidiger Robin Knoche zum verpassten Sprung an die Spitze. Trainer Fischer fand: „Die Jungs haben unheimlich gut gegen den Ball gearbeitet. Vielleicht hätte ich mir den einen oder anderen besseren Konter gewünscht, aber auch so bin ich sehr zufrieden. Wenn ich sehe, welche Bereitschaft die Mannschaft gezeigt hat, darauf lässt sich aufbauen.”
Kapitän Christopher Trimmel, vor dem Spiel als „Unioner des Jahres“ der Vorsaison geehrt, kehrte diesmal zurück in die Startelf. Dafür wechselte Julian Ryerson auf die linke Seite und verdrängte Niko Gießelmann, im Mittelfeld musste Genki Haraguchi für Andras Schäfer seinen Platz freigeben. Leipzig hatte vier Ausfälle zu verkraften, darunter auch Torwart Peter Gulacsi, der durch Janis Blaswich ersetzt wurde. Der erlebte in Berlin seine Bundesliga-Premiere.
Trainer Fischer muss das Union-Team auf Kurs bringen
Sein Debüt in der Alten Försterei wird Blaswich nicht so schnell vergessen. Er sah sein Team schnell auf Kurs, schon in der dritten Minute wurde Top-Einkauf Timo Werner das erste Mal steil geschickt. Leipzig war nach zwei Unentschieden und viel Unzufriedenheit zum Auftakt sehr forsch, wollte schnell für klare Verhältnisse sorgen. Werner hätte es mit einem Heber an den Pfosten auch fast geschafft (19.).
Fischer wirkte an der Seitenlinie nicht amüsiert. Aufgeregt gestikulierte er, forderte seine Profis auf, sich konsequenter an die besprochene Linie zu halten. Denn RB hatte hin und wieder zu viel Raum, wurde nicht immer mit gleicher Intensität an der Mittellinie angelaufen. Seine Worte schienen trotz der nun ohrenbetäubenden Kulisse doch Gehör zu finden. Die Berliner, die zuletzt in Mainz beim 0:0 kaum konstruktiv nach vorn spielten, wurden genauer in ihren Aktionen. Sie agierten intensiver in den Zweikämpfen, stellten die Wege des Gegners zu.
Und sie waren konzentriert im Umschaltspiel. Ein abgewehrter Ball flog nach vorn zu Sheraldo Becker, der gleich auf Jordan Siebatcheu passte. Dieser vollendete den Konter nach kurzem Sprint zum 1:0 (32.). Wenig später schickte Schäfer mit dem von ihm erkämpften Ball Siebatcheu, der auf Becker ablegte. Der Niederländer legte noch ein kurzes Dribbling ein und erhöhte auf 2:0 (38.). „Das haben wir sehr gut herausgespielt“, fand Trimmel.
Orban trifft zum Anschluss gegen Union
Champions-League-Teilnehmer RB stand damit in der zweiten Hälfte enorm unter Druck, um einen kompletten Fehlstart zu vermeiden. Die Sachsen bemühten sich auch, hatten viel Ballbesitz (68 Prozent), setzten die Berliner oft in deren Hälfte fest. „Darauf musst du vorbereitet sein, wenn sie zurückliegen“, sagte Schäfer.
Doch ob über die Flügel oder durch die Mitte – Union verteidigte sehr kompakt und mit jeder Menge Leidenschaft. Lücken für die Leipziger ergaben sich dabei kaum. Nach einer Ecke aber gelang Willi Orban der Anschluss per Kopf (83.). Auf beiden Seiten gab es in der hitzigen Endphase noch Chancen. Am Ergebnis aber änderte sich nicht vor den tosenden Fans in der Alten Försterei.
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