Berlin. Urs Fischer machte seinem Namen in der vergangenen Woche alle Ehre. Der neue Trainer des 1. FC Union war an seinem freien Tag in Brandenburg angeln. „Fischen“, wie er es nennt, sein Hobby. Sehr erfolgreich war der Schweizer dabei nicht, eine einzige Bachforelle zog er aus der Nuthe.
Für Fischer wird das kein allzu großes Problem gewesen sein. Dem 52-Jährigen geht es beim Angeln eher um die Entspannung, nicht um Ergebnisse. Nur beim Angeln kann er so richtig abschalten, erzählt der Coach. Den Kopf leer pusten und mal nicht an Fußball denken. Es ist die einzige Auszeit, die sich der 52-Jährige in seinen ersten sechs Wochen bei Union bisher genommen hat. Ansonsten lautet seine Devise: Arbeiten.
Kein konkretes Saisonziel nach außen getragen
Sie haben sich in Köpenick einen professionellen Vollblutfußballer an die Seitenlinie gestellt. Fischer startet ambitioniert, aber auch vorsichtig. Bemüht sich, nicht zu viel preiszugeben: weder über Verletzungen seiner Spieler noch über eine mögliche Mannschaftsaufstellung. Fischer sagt nicht, welcher der neun Union-Zugänge spielen könnte, ob Marvin Friedrich und Lars Dietz die Innenverteidigung bilden werden. Ob Florian Hübner fit ist, Eroll Zejnullahu trainieren konnte oder ob Felix Kroos ein Kandidat für die Startelf ist. Er arbeitet lieber im Verborgenen, ist kein Mann der großen Worte. Damit gibt der einstige Meistertrainer des FC Basel den Berlinern das, was sie nach der verkorksten Saison 2017/18 brauchen: Ruhe.
Vor einem Jahr noch wurde viel geredet an der Alten Försterei, über den Traum von der Bundesliga, den möglichen Aufstieg. Geflügelte Worte, die Union recht schnell auf dem harten Boden der Zweitliga-Tatsachen landen ließ. Darum bemüht man sich nun um Zurückhaltung. Die Klubbosse halten sich vage, wenn es um Saisonziele geht. Präsident Dirk Zingler brachte es nicht über sich, eine konkrete Vorgabe zu machen. „Wir wollen uns verbessern“, sagte er. Mehr nicht. Trainer Fischer bediente sich einem ähnlichen Wortlaut: „Sportlich würde ich sagen: stabilisieren. Und wenn es um die Tabelle geht: verbessern.“
Union sorgt für Abkühlung der Fans
Es scheint, als hätte man aus der Vorsaison (Platz acht) gelernt. Auch im Hinblick auf den Saisonauftakt am Sonntag (15.30 Uhr, Alte Försterei) gegen den FC Erzgebirge Aue sind aus Köpenick keine Kampfansagen zu vernehmen. Der Trainer selbst bremst die Erwartungen, das Spiel gegen Aue soll erst einmal als Standortbestimmung herhalten. Wie weit ist die Mannschaft? Auf welchen Positionen hakt es noch?
„Es ist dieses gewisse Ungewisse. Du weißt nicht, ob die Vorbereitung gereicht hat, ob wir auf den Punkt beim ersten Spiel bereit sind“, sagte Fischer. Er erwarte mit Aue einen „schweren Gegner“ und eine „unangenehme Mannschaft“. Ein Fehlstart zum Auftakt in die neue Saison könnte die auferlegte Ruhe stören.
Damit auch die Fans zum Saisonauftakt einen kühlen Kopf bewahren, hat Union vorgesorgt. Rund um die Alte Försterei wird es am Sonntag drei Stellen geben, an denen die Zuschauer durch Sprühnebel laufen können. Bei Temperaturen um die 30 Grad ist Abkühlung so garantiert. Fischer wird wohl keinen Abstecher unter die Beregnungsanlage machen müssen. So nervös ist er dann doch nicht. „Ich zittere nicht, brauche keinen Kaffee oder Cola oder am Schluss sogar noch Medikamente. Es kommt eine gewisse Anspannung, aber das hat eben auch mit Freude zu tun, dass die Meisterschaft endlich losgeht“, sagt Fischer, der schon beim FC Zürich und beim FC Basel jeweils einen Neustart wagen musste. „Wenn ich irgendwann nicht mehr angespannt bin, dann höre ich auf.“
Kapitäns-Wechsel war ein gemeinsamer Entschluss
Ein Neustart ist das, was man sich auch bei Union wünscht. Mit dem man sich an die Ligaspitze anschleicht. Erster Schritt: Einer neuer Kapitän. Den gibt es seit dieser Woche mit Christopher Trimmel, der das Amt von Felix Kroos übernimmt. Und weil sie bei Union wissen, dass nicht nur hochtrabende Saisonziele ein potenzieller Störfaktor sind, moderieren sie auch die Entscheidung gegen Kroos mit stoischer Ruhe.
„Sie können mir glauben. Es waren ganz offene und ehrliche Gespräche, die wir da geführt haben. Am Schluss mit einem guten Resultat für die Mannschaft“, beschwichtigt Fischer. Es soll ein Beschluss sein, der das Kollektiv wirken lässt. Die Mannschaft als Gemeinschaft, zu der auch der neue Trainer gehört. Es scheint, als hätte Union mit Fischer mehr als nur eine kleine Bachforelle an der Angel.