Berlin. Es ist eine doppelte Premiere, die Sebastian Polter vor sich hat. Der Stürmer hat mit dem 1. FC Union noch kein Spiel im DFB-Pokal absolviert. In seiner ersten Zeit beim Fußball-Zweitligisten, der Saison 2014/15, waren die Köpenicker bereits in der ersten Runde beim 1. FC Heidenheim (1:2) gescheitert, Polter wurde erst zwölf Tage später von Mainz 05 ausgeliehen. Und nach Polters Rückkehr im Januar dieses Jahres war Unions grandioser Kampf beim Bundesligisten Borussia Dortmund (1:1 n.V./0:3 i.E.) auch schon ein knappes Vierteljahr Geschichte. Nun soll also am Sonntag beim Regionalligisten 1. FC Saarbrücken Polters Pokal-Uraufführung im Union-Trikot folgen (15.30 Uhr, Sky).
Die zweite Premiere ist eine, die für das Selbstverständnis eines Stürmers unerlässlich ist: der erste Treffer in einer Spielzeit. Fünf Tore hat Union in den ersten zwei Zweitliga-Spielen erzielt. Polter (26) zählte nicht zu den Schützen – und nimmt es gelassen. „Ich wurde jetzt schon öfter darauf angesprochen, auch von meiner Familie. Ich habe dann geantwortet: Manchmal ist es halt so, dass man nicht trifft. Ich mache mir darum aber keinen Kopf. Das Schlimmste wäre, wenn ich mir jetzt selber Druck machen würde. Dass noch kein Tor auf meinem Konto ist, ist erstmal sekundär“, erklärte der Angreifer.
Sonderbewachung durch zwei Verteidiger
Bereits jetzt von einer Torflaute zu sprechen, wäre tatsächlich Jammern auf sehr hohem Niveau. Gleichwohl fehlt dem Angreifer die Leichtigkeit, die ihn vor allem in seinen ersten Union-Jahren so ausgezeichnet hat. Ergibt sich dann doch einmal die Chance, stehen Ungenauigkeit oder Pech im Weg.
„Die Gegner wissen inzwischen, welche Qualität Union im Offensivspiel hat. Davor haben sie viel Respekt, nicht nur wegen meiner Person. Dadurch wird es teilweise aber noch schwieriger, Tore zu schießen, weil der Gegner noch wachsamer verteidigt. Und ich spiele auch immer gegen zwei Verteidiger, das kommt dann auch noch dazu“, sagte Polter.
Eben diese neue Qualität in der Offensive trägt dazu bei, dass Union nicht mehr nur von einer Spitze abhängig ist. Netter Nebeneffekt: Durch die größere Breite an Vollstreckern fällt die kleine Ladehemmung Polters kaum auf.
„Wir kennen das alle, wie es ist, wenn man mal zwei, drei Spiele nicht getroffen hat“, erhält Polter Rückendeckung von Steven Skrzybski (24): „Und wenn die anderen ihre Tore machen, will man selbst unbedingt auch wieder treffen.“ Die anderen – damit meint Skrzybski nicht nur sich selbst, sondern auch Damir Kreilach (28) und Simon Hedlund (24), die an ihre Qualitäten aus der Vorsaison angeknüpft oder sie wiedergefunden haben.
Skrzybski und Kreilach steigern sich
Allein Skrzybski ist es gelungen, in der Sommervorbereitung noch einmal eine Schippe draufzulegen. „Die Trainer wussten schon, wo sie mich packen müssen“, sagte er grinsend. Sein Lupfer ebenso wie sein Schuss in den Winkel gegen Kiel zeugen von Können und Selbstvertrauen, genährt aus acht Toren in 30 Spielen in 2016/17.
Gleiches gilt für Kreilach, mit neun Toren Unions bester Torschütze der vergangenen Spielzeit. Der Kroate ist einer der besten Kopfballspieler im Team, wie im ersten Heimspiel gegen Kiel gleich wieder bestätigt wurde. „Damir ist immer torgefährlich“, bestätigte Rechtsverteidiger Christopher Trimmel, erst recht im Zusammenspiel mit seinen Flanken.
Erfreulich ist, dass Simon Hedlund offenbar an seine gute Hinrunde 2016 anknüpfen kann. Der Schwede, vor einem Jahr für 850.000 Euro von Elfsborg Boras gekommen und bis zur Rückkehr Polters (1,6 Millionen Euro Ablöse) Unions teuerster Transfer, sprüht derzeit wieder vor Spielwitz.
Linksaußen Hedlund hat den Kopf wieder frei
„Es ist schwer, sich auf Fußball zu konzentrieren, wenn es Probleme in der Familie gibt“, nannte er den Hauptgrund für seine Talsohle in der ersten Jahreshälfte. Außerdem hatte er bereits eine halbe Saison in Schweden hinter sich, bevor er zu den Köpenickern gewechselt war. „Mein Kopf brauchte Urlaub“, sagte Hedlund.
Nun hat der quirlige Linksaußen die Chance genutzt, die sich ihm durch die Pause von Zugang Akaki Gogia (Fersenverletzung) bot. Sein Tor gegen Kiel war clever mit dem Außenrist am Torwart vorbeigelegt. „Ich hoffe, ich habe dem Trainer die Entscheidung schwerer gemacht“, sagte Hedlund in Richtung Coach Jens Keller, der bislang kein großer Freund von Rotationen gewesen ist.
Dass Hedlund neuen Schwung holen konnte, liegt auch an seiner Freundin Sandra, die nun öfter bei ihm ist, auch wenn sie oft zwischen der gemeinsamen Wohnung in Berlin und der Heimat Schweden pendelt. Ebenso wie er selbst ist sie ein Familienmensch.
Dass andere glänzen, liegt auch am fleißigen Angreifer
Skrzybski, Kreilach, Hedlund – dass sie derzeit glänzen können, führt Polter nicht zuletzt auf seine Spielweise zurück. „Ich habe dazu beigetragen, weil ich viele Wege gemacht habe, durch die andere Spieler Freiräume bekommen“, erklärte der Stürmer. Zugleich hilft es ihm, stets das Positive aus einem Spiel zu ziehen, wenn ihm schon ein eigener Torjubel verwehrt bleibt.
„Nichtsdestotrotz hätte ich schon gern ein Tor gemacht“, sagte Polter. Deshalb nimmt er nach einem Sieg wie gegen Kiel auch „ein Aber“ in Kauf, „jedoch nicht, weil ich kein Tor zum Sieg beitragen konnte, sondern weil ich meine Chancen nutzen will“.
Und weil er bei den teaminternen Frotzeleien nicht nur hintenanstehen möchte. „Das gehört dazu“, sagte Polter und lacht: „Aber ich bin ein Teamspieler und stelle mich hinten an, wenn wir als Mannschaft gewinnen. Allerdings bin ich mir sicher, dass auch von mir demnächst Tore kommen.“ Es klingt fast wie eine Drohung, wenn er in diesem Zusammenhang auf sein erstes Union-Jahr verweist: „Damals hatten die anderen auch einen Vorsprung“, ließ Polter wissen. Am Saisonende war er mit 14 Treffern Unions Rekordtorschütze.