Berlin. Im Endspurt des Aufstiegsrennens haben die Führungsspieler des 1. FC Union an Souveränität eingebüßt. Das muss sich im Topspiel ändern.
Es ist ein Nervenspiel, dieses Aufstiegsrennen in der Zweiten Liga. Eines, bei dem es jetzt, an den letzten drei Spieltagen, vor allem auf die Führungsspieler ankommt. Beim 1. FC Union heißen die starken Männer Felix Kroos, Damir Kreilach, oder auch Toni Leistner und natürlich Sebastian Polter.
Und mindestens bis zur Hannover-Partie Anfang April spielte sich die Saison für den Fußball-Zweitligisten fast von allein. Doch sei dem 0:2, das den Anfang einer kläglichen englischen Woche bildete, sind es weiter einzelne Aktionen, die zwar immer noch öfter gelingen als misslingen, aber eben kein großes Rauschen mehr verursachen. Es scheint, als zeigten Unions starke Männer Nerven.
Kroos zeigt untypische Stockfehler
„Schon gegen Nürnberg hatte es ein wenig gestockt“, sagte Abwehrchef Leistner mit Blick auf jenes 1:0, das im März den Spitzenplatz brachte: „Hannover war schon so ein Knackpunkt nach den sechs Spielen, die wir zuvor gewonnen haben. Als wir die Tabellenführung hergeschenkt haben, gab es vielleicht einen kleinen Knacks im Kopf.“ Die Niederlage gegen Aue (0:1) vier Tage später „hat den Rest dazugegeben. Vielleicht sind dem einen oder anderen diese Spiele im Kopf geblieben, deshalb war die Selbstverständlichkeit in unserem Spiel nicht mehr vorhanden“, erklärte Leistner.
Fraglos ist Fußball ein kollektives Unterfangen. Doch es sind die Führungsspieler, die hier gefragt sind. Kroos etwa, der Kapitän. Er kann die langen, genauen Pässe spielen, die ein Spiel kippen. Er lässt sich anspielen, wo man den Ball eher leicht sichert. Im Strafraum des Gegners taucht er selten auf. Und die Gegner wissen, wie man Union lahm legt: Indem man ihm auf den Füßen steht. Aue hat das vorgemacht, Kaiserslautern (3:1) hat es verpasst. Die Ergebnisse sprechen für sich.
Kreilach befällt die Frühjahrs-Müdigkeit
Doch zuletzt gegen Sandhausen sah man wieder rätselhafte Stolper-Ballverluste. Das Stadion stöhnte auf, so kennen sie ihren Felix nicht. Seine auffälligste Szene war ein Schuss, den man anschließend vom Stadiondach holen durfte. „er hat schon oft seine Qualitäten bewiesen, aber es gibt eben auch spiele, in denen er sie nicht so zeigt“, sagte Trainer Jens Keller. An manchen Tagen zeigt Kroos für Zweitligaverhältnisse Außergewöhnliches. Er muss sie jetzt zeigen, in Braunschweig.
Diese Qualität hat auch Damir Kreilach. Nach zwei Eigentoren in Hannover und Düsseldorf (2:2) trifft er wieder die richtigen, ruhigeren Entscheidungen.
Keller wird froh sein, dass Kreilach die kleine April-Müdigkeit überwunden hat. Ob seiner Statur ist er ein potenzieller Wandspieler in Braunschweig. Das hat er in der vergangenen Saison öfter gespielt.
Keller selbst ist auch nicht unschuldig an dieser Abhängigkeit von Kroos und Kreilach. Er setzt auf 13 bis 14 Kräfte. Raffael Korte, Michael Parensen und Eroll Zejnullahu spielten wenig, Dennis Daube war lange verletzt.
Auf der Höhe, aber nicht dabei ist Polter. Rot nach einer Stunde gegen Sandhausen.
Polter erpoltert sich eine Sperre
Bei Polters Tempo kann dies vorkommen, besonders clever war die Aktion (Tritt in die Wade von Tim Kister), im Rücken des Gegenspielers, ohne Chance auf Gewinn des Balls, der ohnehin ins Aus geht, allerdings nicht. Sowas könne im Fußball passieren, beschieden nachher Keller, Polter und Trimmel einhellig. Nur, dass es zwei Minuten nach dem 2:0 passiert, hinterlässt einen faden Beigeschmack. Die Szene passt nicht zu Polter, der zwei Spiele dafür gesperrt wurde. Dass die Lokomotive Polter so ausscheidet, passt sehr wohl zur Führungsspieler-Situation bei Union.
„Ich denke, dass wir eine solche mannschaftliche Geschlossenheit haben, dass wir das in Braunschweig auch ohne Polter hinbekommen. Auch wenn es schwer wird“, sagte Abwehrchef Toni Leistner. Auch ihn hat eine leichte Blässe erfasst. Sie ist fast unerklärlich. Leistner ist ein cleverer Zeitgenosse. Er spielt auch so.
Er verteidigt mit Auge, hat sich vor allem im Vorverteidigen gesteigert. Er steht dann so gut, dass er nicht zu oft in die Verlegenheit eines Zweikampfes kommt. Wenn doch, dann löst Leistner das robust. Aues Trainer Domenico Tedesco: „Union hat in der Innenverteidigung Spieler die, ja, radikal sind.“
Leistner an drei Gegentoren beteiligt
Leistner war auch gegen Aue stark, um dann in der Szene mit Dimitri Nazarov (vor dem Tor von Calogero Rizzuto) in einer entscheidenden Szene einen Meter zu weit weg zu stehen. Beim Gegentor gegen Sandhausen, das Hektik ins Spiel brachte, verteidigte Union einen Einwurf insgesamt nicht gut, Leistner stand aber zu weit weg von Torschütze Lucas Höler. „Ich habe mich in der Situation nicht so richtig für einen Stürmer entschieden“, erklärte er.
Im Hinspiel gegen Braunschweig machte er eines seiner besten Spiele für Union. Leistner spielt überhaupt seine beste Saison für Union. Doch in Stuttgart unterlief ihm der sicher präsenteste und gröbste Fehler, als er ohne Gegnerdruck den Ball verlor. 1:3 durch Daniel Ginczek, das Spiel war gelaufen.
Das passiert Leistner seltener. Diese Art der Nachlässigkeit wähnte man seit den Tagen von Norbert Düwel abgestellt. Selten passieren aber auch solche Fehler auf diesem Niveau. Wenn man aufsteigen will, sollten sie gar nicht passieren. Schon gar nicht in Braunschweig.