Ja, es nervt. Hertha BSC schreibt seit Jahren dieselbe Geschichte – erst mit verblüffenden Leistungen Hoffnung schüren, dann maßlos enttäuschen. In der laufenden Rückrunde bestätigt sich dieses blau-weiße Klischee zum x-ten Mal, und natürlich werden die Rufe der Kritiker nun lauter. Pal Dardai muss weg!
Nicht, dass ich den Frust nicht verstehen könnte. Aber wer jetzt nach einem neuen Trainer ruft, sollte die Konsequenzen immer mitdenken, und nicht zuletzt die Lösungen. Natürlich kann man sich einen innovativen Coach à la Thomas Tuchel wünschen, einen, der nicht nur erfolgreichen, sondern auch begeisternden Fußball spielen lässt. Nur wie viele Trainer dieser Kategorie sind derzeit auf dem Markt und/oder für Hertha bezahlbar?
Darf’s vielleicht der im Vorjahr hochgelobte Domenico Tedesco sein, der gerade erst auf Schalke entlassen wurde? Oder der ähnlich dynamische Hannes Wolf, dem es gelungen ist, den HSV bis knapp übers Zweitliga-Mittelmaß zu coachen?
Schon klar: Dass sich keine Alternative aufdrängt, darf kein Grund sein, bedingungslos an Dardai festzuhalten. Einen Trainerwechsel als Allheilmittel zu verkaufen, ist jedoch genauso unangebracht.
Auf der Suche nach dem Heilsbringer haben sich schon andere verhoben. Von Gelsenkirchen über Gladbach bis Wolfsburg, von Stuttgart bis Bremen – selbst wenn es Höhenflüge gab, waren jene meist von kurzer Dauer und mündeten später im Abstiegskampf. Womit sich die Frage stellt, was einem eigentlich wichtig ist in Bezug auf seinen Herzensklub.
Stürzt man sich Hals über Kopf in attraktive Affären, kostet die Höhenflüge in vollen Zügen aus und nimmt nach dem anschließenden Kater wieder Abstand? Oder wünscht man sich eher eine langlebige Ehe, erträgt die unvermeidlichen Abnutzungserscheinungen und geht gemeinsam auch durch schlechte Zeiten, so wie etwa der SC Freiburg mit Trainer Christian Streich?
Ohne ein Plädoyer pro Dardai halten zu wollen: Man darf nicht ignorieren, was man mit ihm verlieren würde. Einen authentischen Typen, dessen Identifikation mit dem Klub kaum größer sein könnte. Einen guten Talente-Entwickler, der den Traum verfolgt, Hertha so viel Berlin einzuimpfen, wie irgend möglich. Nicht zuletzt einen krisenfesten Coach.
Bei aller Ernüchterung, die Hertha in der jüngsten Vergangenheit produziert hat, sollte man eines vermeiden: sich so sehr zu wünschen, was man nicht hat, dass man vergisst, was man hat.