Berlin. Der DFB-Pokal wird das nicht gern hören, aber gesagt ist gesagt. Obwohl optisch die schönste unter den deutschen Trophäen, hat Pal Dardai den Cup vor nicht allzu langer Zeit als „kleinen Titel“ bezeichnet, und einen solchen würde Herthas Trainer ja nun gern mal gewinnen. Allein schon deshalb, weil das Pokal-Finale im Berliner Olympiastadion ausgespielt wird. Praktischerweise befände sich Herthas Vitrine direkt um die Ecke.
Es gehört nicht viel Fantasie dazu, sich vorzustellen, dass Eintracht Frankfurts Final-Coup im Mai (3:1 gegen Bayern München) Dardais Sehnsucht noch verstärkt hat. Hertha und die Eintracht sind Klubs aus dem gleichen Segment der Bundesliga, reich an Tradition und etwas weniger reich an finanziellen Mitteln. Es klingt daher schamlos übertrieben, wenn Dardai vor dem direkten Duell an diesem Sonnabend (18.30 Uhr, Sky) im Olympiastadion sagt: „Die Eintracht ist der Riesenfavorit, sie sind die Überraschungsmannschaft der Saison.“ Letzteres mag zwar zutreffen auf den Tabellenfünften, aber Hertha weist als Siebter nur drei Zähler weniger auf als Frankfurt. Das direkte Duell wird eines um Europa – um die Qualifikation für einen internationalen Wettbewerb.
Die Manager Preetz und Bobic haben verschiedene Konzepte
Frankfurt startet aktuell in der Europa League und verkraftet die Doppelbelastung überraschend gut. Die Qualifikation für die K.o.-Runde im Frühjahr ist nach fünf Siegen aus fünf Spielen längst sicher. Anders als bei den Berlinern, die vergangenes Jahr die Gruppenphase nicht überstanden und selten ihre beste Mannschaft aufboten, sind Europa-League-Abende in Frankfurt zu echten Festtagsveranstaltungen geworden. Im Schnitt kamen 47.000 Besucher zu den Heimspielen. Bei Hertha waren es nicht mal 22.000 im Mittel.
Frankfurts stark internationalisierte Mannschaft, die 18 verschiedene Nationalitäten im Kader führt, begreift diesen Wettbewerb als Chance, jeder möchte dort auf sich aufmerksam machen. Ein Phänomen, das gewissermaßen zum Konzept gehört. Die Verweildauer der Spieler in Frankfurt ist kurz, kaufen und verkaufen die Leitlinie. Manager Fredi Bobic (47), von 2003 bis 2005 Stürmer bei Hertha, erklärt die Transferpolitik wie folgt: „Wir versuchen, Spieler für fünf, sechs, sieben Millionen Euro zu verpflichten, die wir nach einiger Zeit für 30, 35 oder 40 Millionen Euro verkaufen können.“
Welche Strategie ist nachhaltiger?
Vor dieser Saison kamen zehn neue Profis, zwölf verließen den Klub. Die hohe Fluktuation (s. Grafik) nehmen die Verantwortlichen in Kauf. „Dass sich die Kader verändern, damit haben sich die Fans heutzutage abgefunden. Spieler wechseln schnell von A nach B“, sagt Bobic, „es ist normal, dass sich die Gesichter der Mannschaften verändern.“ Die große Anzahl ausländischer Spieler begründete Bobic mal damit, dass deutsche Profis und ihre Berater oft viel mehr Klauseln in ihren Verträgen haben wollen.
Hertha sieht sich ebenso als Entwicklungsverein, setzt aber andere Schwerpunkte. Die Spieler bleiben im Schnitt länger, in den vergangenen drei Jahren verpflichtete Hertha nur zwölf externe Akteure und gab 22 aus dem Profikader ab. Der Fokus liegt stärker auf der Ausbildung eigener Talente, regelmäßig schaffen es Spieler aus der eigenen Akademie ins Bundesliga-Team. Dazu kommen junge Profis, die in Berlin den nächsten Karriereschritt gehen wollen, zuletzt etwa Karim Rekik, Valentino Lazaro oder Javairo Dilrosun, die Hertha auf absehbare Zeit hohe Transfererlöse bereiten dürften.
Mit Talent Florian Baak fällt ein weiterer Innenverteidiger aus
Auch Frankfurt hat einige solcher Spieler in den eigenen Reihen. Luka Jovic (10 Tore, 5 Vorlagen), Ante Rebic (5/2) und Sebastien Haller (9/8) bilden derzeit das gefährlichste Angriffstrio der Liga. Sie nicht zur Entfaltung kommen zu lassen, wird Sonnabend aus Berliner Sicht die wichtigste Aufgabe sein. Frühe Gegentore wie zuletzt gegen Hoffenheim will Hertha unbedingt vermeiden. „Das kann immer mal passieren, du musst aber die richtigen Schlüsse daraus ziehen und eine entsprechende Reaktion zeigen“, sagt Dardai, „wir müssen hellwach sein.“ Nach dem Ausfall von Derrick Luckassen bleiben in Fabian Lustenberger und Jordan Torunarigha allerdings nur noch zwei Innenverteidiger. Der junge Ersatzmann Florian Baak (19) fällt ebenfalls aus.
Offensiv stellt sich die Frage, ob Dardai erneut auf die Doppelspitze aus Davie Selke und Vedad Ibisevic setzt. Beide Stürmer bestechen durch eine gute Form und sollen Hertha zum Sieg schießen. Zunächst in der Bundesliga gegen Frankfurt – und im kommenden Jahr dann vielleicht auch im Pokal.