BUNDESLIGA

Hertha braucht wieder mehr Gier

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Uwe Bremer
Herthas Maximilian Mittelstädt (r.), hier gegen den Fortunen Jean Zimmer, musste in Düsseldorf nach 41 Minuten mit einer Ampelkarte vom Platz

Herthas Maximilian Mittelstädt (r.), hier gegen den Fortunen Jean Zimmer, musste in Düsseldorf nach 41 Minuten mit einer Ampelkarte vom Platz

Foto: Fotostand / Wundrig / picture alliance / Fotostand

Trainer Dardai fordert nach der Negativserie von fünf Spielen ohne Sieg mehr Kampfbereitschaft, zeigt aber Geduld mit den Talenten

Berlin.  Den ersten Frust linderten die mitreisenden Anhänger. „Ich habe selten eine so positive Rückreise erlebt“, schilderte Pal Dardai, Trainer von Hertha BSC, die Stimmung am Flughafen in Düsseldorf und beim Rückflug nach Berlin. „Die Fans haben uns gezeigt, dass sie uns lieben und unterstützen – das war lustig.“ Und ­unerwartet. Immerhin hatten die Berliner bei Aufsteiger Fortuna Düsseldorf die dritte Saisonniederlage kassiert. 1:4 (0:0), ein Resultat, das auch die ­Verhältnisse auf dem Platz vor 39.743 Zuschauern widerspiegelte. Es war die höchste Auswärtspleite seit April 2016 (0:5 in Mönchengladbach).

So überzeugend die Berliner in die Saison gestartet waren – seit fünf Spielen warten die Blau-Weißen auf einen Sieg, in den beiden letzten Partie kassierte Torwart Rune Jarstein sieben Gegentore (zuvor 0:3 gegen Leipzig).

Hertha lässt zu viele Torschüsse zu

Innenverteidiger Karim Rekik antwortete auf die Frage, was bei Hertha los sei: „Nichts. Unsere Aufgabe ist es, das sechste Spiel zu gewinnen.“ Rekik wollte nichts verharmlosen. Ihm ging es darum, dass das Pendel, das bei Hertha in den ersten beiden Saison-Monaten extrem positiv ausgeschlagen hatte (mit überraschenden Siegen gegen Schalke und den FC Bayern), nun zur anderen Seite geht.

Der Trainer hat vor allem zwei Ursachen ausgemacht. 21 Torschüsse von Düsseldorf auf das Hertha-Gehäuse, in der Vorwoche 20 von Leipzig – viel zu viel. „Wir verteidigen nicht mehr mit der Gier, die wir brauchen“, sagte Dardai. Seit drei Jahren berichtet der Ungar, dass er im Hertha-Training praktisch nur das Offensivspiel üben lässt. Weil die defensive Stabilität die Basis war, auf die Hertha sich stets verlassen konnte. Das hat sich geändert.

Dardai: „Zurück zu den Basics“

„Ob das die spielerischen Elemente sind, die wir täglich üben, dass wir versuchen schön zu spielen“, fragte Dardai. Seine Wahrnehmung: „Wir konnten in der zweiten Halbzeit nicht umstellen von Spielmodus auf Kampfmodus.“ Das Trainerteam will die Länderspiel-Pause nutzen, um in den Datenbanken mit den Fitnesswerten der Spieler Ursachen zu finden.

Außerdem fragt sich der Trainer, ob das viele Lob, das Hertha für seine ansehnliche Spielweise in den vergangenen Monaten eingeheimst hat, die Mannschaft in der falschen Sicherheit gewiegt hat, Schwierigkeiten auf dem Platz vorwiegend mit spielerischen Mitteln zu lösen. Dardai sagt, er wolle „nicht immer schick spielen, sondern Punkte sammeln. Zurück zu den ­Basics, einfach zum Erfolg.“

Torunarigha in schlechter Tagesform, Mittelstädt naiv

Die zweite Ursache hat für Dardai mit den jungen Spielern zu tun. Wie ein Mantra hatten sie bei Hertha gesagt, dass bei Talenten wie Arne Maier (19), Javairo Dilrosun (20), Jordan Torunarigha oder Maximilian Mittelstädt (beide 21) mit Formschwankungen zu rechnen sein würde. Die Rechtfertigung Mittelstädts, er sei zu Unrecht mit einer Ampelkarte vom Platz geflogen, wollte sein Vorgesetzter so nicht kommentarlos akzeptieren. Ja, das sei durchaus eine harte Schiedsrichter-Entscheidungen gewesen. „Aber man kann die Karte geben“, sagte Dardai. „Maxi hat den Zweikampf angeboten, seine Hand war da. Natürlich hat der Gegenspieler das angenommen. Das war naiv.“

Profis, die mit Dardai arbeiten, müssen Klartext akzeptieren. So bat der Trainer darum, nicht falsch verstanden zu werden: „Aber mit Jordan haben wir die Niederlage ein bisschen eingewechselt. Er hatte eine schlechte Tagesform. Das ist keine Mahnung, er wird weiter dabei sein. Ich schätze ihn, es ist alles gut. Aber das war nicht sein Tag. Vielleicht habe ich ihn zu früh mitgenommen.“ Torunarigha absolvierte nach überstandener Achillessehnen-Verletzung sein erstes Bundesliga-Spiel seit dem dritten Spieltag – und sah bei drei der vier Gegentore nicht gut aus.

Dilrosun soll fleißig bleiben

Auch mit Dilrosun hadert der Coach gerade. Es sei schön, dass er mit seinen guten Leistungen in den ersten Wochen so aufgefallen ist, dass er nun sogar erstmals zur niederländischen Nationalmannschaft eingeladen wurde. Aktuell jedoch, sagt Dardai, wäre die µLeistung Dilrosuns in Düsseldorf „dünn, es war auch in Darmstadt dünn. Jav hat mehr Potenzial, er muss fleißig ­bleiben.“

Gleichzeitig wirbt der Trainer um Verständnis. Dilrosun habe in Düsseldorf wahrscheinlich zum ersten Mal im Profibereich erlebt, wie es sich anfühlt, auswärts in Unterzahl mit 0:1 oder 0:2 zurückzuliegen und sich dann behaupten zu müssen.µ

Insgesamt, das war das Signal von Dardai, werde bei Hertha keine Hektik ausbrechen. Mit 16 Punkten nach elf Spieltagen liege Hertha im Rahmen: „Aber wenn du fünfmal nicht gewinnst, ist das einen Tick negativ. Da müssen wir rauskommen.“