Drei Bundesliga-Spiele gespielt, Zeit für einen Soll-Ist-Abgleich. Was Hertha BSC vor Saisonstart zugetraut wurde? Nun, nicht allzu viel, weder von Experten noch von Fans. „Die Mannschaft hat auf entscheidenden Positionen zu viele Schwachpunkte“, schrieb ein User im Morgenpost-Blog „Immer Hertha“. Ein anderer meinte: „Wenn Hertha nichts mit dem Abstieg zu tun hat, war es eine ordentliche Saison.“ Auch eine Blog-Umfrage unter rund 900 Teilnehmern fiel eindeutig aus. Fast 60 Prozent waren sicher: Hertha beendet die Saison auf Platz zehn oder schlechter. So viel zur Erwartungshaltung.
Drei Wochen später sieht die Realität anders aus. Zwei Siege, ein Unentschieden, 5:2 Tore – Hertha grüßt von Platz vier und ist plötzlich in aller Munde. Das Fachmagazin „Kicker“ hievte Trainer Pal Dardai auf den Titel, am Sonntag war der Ungar beim Sport1-Stammtisch „Doppelpass“ eingeladen. Der Hauptstadtklub ist plötzlich sexy. Gut so. Aber eben auch überraschend, denn die Sorgen des Berliner Anhangs waren ja nicht unbegründet. Während sich die Konkurrenz im Sommer auf dem Transfermarkt ausgetobt hatte, hielt sich Hertha bekanntlich zurück. Neben den Aufsteigern Nürnberg und Düsseldorf gab einzig der FC Augsburg weniger Geld aus.
Ja, die Berliner hatten bislang ein wenig Glück, etwa bei den zwei Elfmetern, die ihre Gegner ungenutzt ließen. Aber sie waren eben auch mutig und zielstrebig. Manager Michael Preetz ließ sich vom Wettbieten um neue Spieler nicht verrückt machen, sondern griff zielsicher zu – erst mit viel Weitblick (Javairo Dilrosun, 20), dann kurz vor Toreschluss (Leihspieler Marko Grujic, 22). Noch couragierter wirken jedoch die Personalentscheidungen von Trainer Dardai, der nicht nur die beiden Neuen ins Bundesliga-Becken warf, sondern immer konsequenter auf den eigenen Nachwuchs setzt. Ein Vertrauen, das mit kühnen Auftritten belohnt wurde, etwa vom blutjungen Dennis Jastrzembski (18).
Diejenigen, die nun bereits von Euphorie-Windstille auf -Orkan umschalten, seien jedoch daran erinnert: Der Fußball ist ein schnelllebiges Geschäft, siehe Soll-Ist-Abgleich. Mit Mönchengladbach, Bremen und Bayern München stehen anspruchsvolle Aufgaben an. Hertha ist ein überraschend guter Saisonstart gelungen. Nicht mehr. Aber weiß Gott auch nicht weniger.