Berlin. Jetzt also Sebastian Rudy (28). Der nächste Spieler mit herausragenden Fähigkeiten, der den FC Schalke verstärkt. Steven Skrzybski (25) fällt es manchmal immer noch schwer zu verstehen, dass all die Fußballer, die er lang nur aus dem Fernsehen kannte, plötzlich seine Mitspieler sind. Rudy wird am Sonntag gegen Hertha BSC vermutlich sein Debüt geben für Schalke (18 Uhr, Sky), bei Skrzybski ist das weniger sicher. Im ersten Spiel beim VfL Wolfsburg (1:2) kam er nicht zum Einsatz. Genau wie im DFB-Pokal, als er 90 Minuten lang zuschauen musste. Unzufrieden ist er deswegen nicht. „Manche hätten vielleicht gar nicht gedacht, dass ich es überhaupt in den Kader schaffe“, sagt er. Ein Satz, der sich reichlich nach Understatement anhört.
In der vergangenen Saison erzielte Skrzybski 14 Tore für den 1. FC Union, damit war er nach Marvin Ducksch (18) der beste Torjäger der Zweiten Liga. Das zählt aber kaum bei einem Verein wie Schalke, der als Vizemeister die Qualifikation für die Champions League geschafft hat. Skrzybskis Konkurrenten heißen nicht mehr Hedlund oder Redondo, es sind Burgstaller, Uth, Embolo oder di Santo. Alles Spieler, die ihre Tauglichkeit auf höchster Ebene schon nachgewiesen haben. „Jeder von ihnen hat eine besondere Qualität. Aber auch ich habe meine Stärken, sonst hätte Schalke mich ja nicht geholt“, sagt Skrzybski.
Angebot aus Neu-Westend hätte er abgelehnt
Nach fast 18 Jahren hatte er sich im Sommer auf die erste große Reise seiner Karriere begeben. Weg vom 1. FC Union, bei dem er als F-Jugendlicher das Fußballspielen erlernte. Keine leichte Entscheidung. „Das hätte ich nicht für jeden Klub in der Bundesliga gemacht. Aber das Angebot von Schalke war nun mal etwas ganz Besonderes“, sagt Skrzybski. Im Alter von sechs Jahren schaute er sein erstes Fußballspiel im Fernsehen an. Schalke gegen Bayern. Schalke verlor, gewann aber die Zuneigung des jungen Skrzybski. „Seit diesem Spiel bin ich Schalke-Fan“, sagt er. Mit seinem Vater unternahm er Ausflüge nach Gelsenkirchen zu den Bundesligaspielen. Das ging immer ganz gut. Sonnabends Schalke, Sonntags Union. Entscheiden musste er sich nie zwischen seinen zwei Herzensklubs. Bis zum Sommer.
Bei Union war er nicht sicher, wie es weitergeht nach einer völlig missratenen Saison. Wieder stand ein Trainerwechsel an, wieder wusste niemand, in welche Richtung die Entwicklung steuert. Schalke aber bedeutete garantierte Bundesliga. Und mehr. „Ich freue mich auf sehr vieles hier, vor allem auf die Momente auf internationaler Ebene. Die Möglichkeit, selbst Teil davon zu werden, ist sehr reizvoll“, sagt Skrzybski. Sein Ziel sind Einsätze. Egal wann. Egal gegen wen. Die Vorbereitung verlief für ihn sehr gut. Gleich in seinem ersten Spiel schoss er gegen Southampton ein Tor. Und was für eins. Aus 25 Metern, feinste Schusstechnik. „Das war absolut geil“, sagt er. Nun muss er nur noch in den Pflichtspielen ran dürfen. Am liebsten gleich gegen Hertha, den Stadtrivalen aus Union-Zeiten.
Im Oktober kommt die Freundin nach
Herthas Kurs, auf junge Spieler und eigene Talente zu setzen, ringt Skrzybski Respekt ab. „Der Weg, den Hertha gegangen ist, ist sicher nicht ganz einfach“, sagt er. Ein Angebot aus dem Neu-Westend hätte er als Köpenicker ausgeschlagen. „Das wäre für mich nicht infrage gekommen.“ Seine alten Kollegen vom 1. FC Union verfolgt er, so gut es geht. Der aktuelle Höhenflug freut ihn. „Für Berlin als Stadt und Bundesland wäre es gut, bald ein Derby auf Bundesligaebene zu haben“, sagt Skrzybski. Das große Derby mit Schalke gegen den BVB steht für ihn im Dezember an. Bis dahin möchte er sportlich weiter vorangekommen sein.
Eingewöhnt hat er sich längst in der neuen Umgebung. Skrzybski ist raus aus dem Hotel, er hat eine Wohnung außerhalb der Stadt gefunden. Zum Trainingsgelände benötigt er zwanzig Minuten mit dem Auto. Anfang Oktober zieht seine Freundin aus Berlin nach, eine neue Anstellung ist ihr bereits sicher.
Skrzybski staunt über Trainer Tedesco
Heimweh hat Skrzybski in den zwei Monaten noch nicht verspürt. „Die Menschen in Berlin und im Ruhrgebiet sind sich viel ähnlicher, als sie vielleicht denken“, sagt er. Erfahren hat er das zuerst auf dem Trainingsplatz. Bei Schalke kommen meist über 100 Schaulustige zu den Einheiten. Wenn die Spieler Mist bauen, würden die Fans es ihnen deutlich ins Gesicht sagen. Klare Kante, wie in Berlin. Auch die Mannschaft hätte es ihm extrem leicht gemacht.
Nur an Trainer Domenico Tedesco musste er sich erst gewöhnen. „Er ist extrem fürsorglich. In dieser Form kannte ich das noch nicht“, sagt Skrzybski. „Wenn du mal nicht gut drauf bist, erkennt er das sofort und redet mit dir.“ Einen richtig schlechten Tag hat Steven Skrzybski beim FC Schalke bisher aber noch nicht gehabt. Warum auch. Schließlich lebt er seinen Traum.