Berlin. Die Suche läuft. Ein bauschiger Geselle mit überdimensioniertem Kopf und Regenbogen-Trikot braucht einen Namen. Über Facebook können Vorschläge abgegeben werden. „Velodi“ lautet einer, „Bertrack“ ein anderer. „Max“ wurde auch ins Spiel gebracht, von einem gewissen Herrn Levy, Maximilian mit Vornamen.
Einmal Gold, dreimal Silber, zweimal Bronze
Die Selbstbezogenheit bei „Max“ ist unverkennbar, wäre aber sicher keine schlechte Wahl für das Maskottchen der Bahnrad-Weltmeisterschaften in Berlin 2020. Beständigkeit, Erfolg, Zielstrebigkeit sind Attribute, für die Levys Name steht. Auch beim Weltcup im Velodrom zeigte der Sprinter, dass er selbst mit 31 Jahren zur Elite gehört. Er verhalf der deutschen Mannschaft im Teamsprint zu Stabilität und Platz drei. Im Sprint stieß der Berliner ins Viertelfinale vor. „Ein einstelliger Platz war hier das Ziel“, so Levy. Plan erfüllt also.
So ließe sich auch die Gesamtbilanz des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) betiteln. „Wir sind fast überall zwischen Platz eins bis acht dabei, wir müssen uns nicht verstecken“, sagte Sportdirektor Patrick Moster. Sechs Medaillen gab es, eine goldene, drei silberne und zwei bronzene. Der einzige Sieg für den BDR gelang Joachim Eilers (Chemnitz) im 1000-Meter-Zeitfahren. Was dennoch auffiel bei diesem Weltcup, ist, dass der deutsche Bahnradsport noch immer unter dem Eindruck des schlimmen Unfalls von Kristina Vogel (28) steht.
Ohne die Galionsfigur läuft alles schwerer
Die Vorzeigeathletin fehlt, obwohl sie am Sonnabend in der Halle war. Allerdings nur, um die Auszeichnung als Radsportlerin des Jahres entgegenzunehmen. „Es ist schön, alle wiederzusehen“, sagte Vogel: „Ich habe gar nicht so viel Zeit für alle. Ein Drücker, ein Knutscher – dann kommt schon der nächste.“ Im Juni stürzte Vogel im Training schwer, ist nun querschnittsgelähmt. Eine Tragödie, die sie tapfer annimmt.
Vor gut einem Jahr bei der EM in Berlin setzte die zweifache Olympiasiegerin und elffache Weltmeisterin mit drei Medaillen, zwei davon in Gold, sportliche Höhepunkte. Aber Vogel liebte auch die Interaktion mit dem Publikum, heizte die Stimmung an. „Sie war eine Ausnahmeerscheinung und ist nicht zu ersetzen“, so Moster. Ohne die Galionsfigur, auf die man sich immer verlassen kann, läuft alles etwas schwerer. „Ihre Erfolge müssen wir auf mehrere Schultern verteilen“, sagte Moster. Das scheint fast leichter, als ihr unnachahmliches Unterhaltungstalent irgendwie im Team zu konservieren.
Zuschauerzahl bleibt unter den Erwartungen
Was den Stimmungsfaktor betraf, ging es beim Weltcup eher bescheiden zu. Als Roger Kluge und Theo Reinhardt ihre Runden drehten, wurde es ab und zu lauter. „Ich hätte es mir vom Publikum her ein bisschen imposanter vorgestellt“, erzählte der Berliner Weltmeister Reinhardt, der im Madison mit Kluge den dritten Platz einfuhr. An den drei Tagen waren 5000 Zuschauer im Velodrom. „Es ist ein bisschen zu wenig, als dass man es Erfolg nennen könnte“, so Reinhardt.
Mit 7000 Besuchern hatte der BDR gerechnet, bei der EM waren an vier Tagen 9000 Zuschauer gekommen. Der Weltcup ist eine kleine Delle im Konzept, von der man sich aber nicht entmutigen lässt. „Wir bauen darauf, bis zur WM noch mehr Zuschauer zu motivieren. Bahnradsport muss wieder präsenter werden in Berlin“, so Organisator Burkhard Bremer. Generell lag das Bahnfahren in Deutschland viel zu lange brach, was Großveranstaltungen angeht. Vor der EM 2017 fanden die letzten großen Rennen 2003 bei der WM in Stuttgart hierzulande statt. Das Publikum will wieder erobert werden. Das wäre Vogels Paradedisziplin gewesen.
Junge Sprinterinnen geben Anlass zu Hoffnung
Jetzt müssen es andere übernehmen. Die jungen Sprintdamen lassen zumindest sportlich entspannt den Blick nach vorn schweifen. Emma Hinze (21/Cottbus) zeigte sich im Keirin in starker Form und fuhr auf Platz zwei. Die Männer konnten im für die Olympiaqualifikation so wichtigen Teamsprint einen Aufwärtstrend verzeichnen. „In den Einzeldisziplinen sieht man aber schon, dass wir Nachholbedarf haben“, so Bundestrainer Detlef Uibel. Hier fehlt es an starken Talenten. Umso wichtiger sind erfahrene Athleten wie Levy, aber auch Olympiasiegerin Miriam Welte (31), die die jungen Sprinterinnen anführt und im 500-Meter-Zeitfahren Zweite wurde.
Für Levy und Welte wiederum spielen Veranstaltungen wie EM, Weltcup oder die WM 2020 eine besondere Rolle. „Es war wichtig, dass wir diese Viererserie in Berlin auf den Weg gebracht haben“, sagte BDR-Generalsekretär Martin Wolf. Die Möglichkeiten, sich nach langer Zeit in der Heimat bei großen Rennen zu präsentieren, motivieren sie, ihre Karrieren fortzuführen. Zunächst geht es in Berlin aber etwas kleiner weiter, mit den deutschen Meisterschaften 2019. Der bauschige Geselle wird da auch dabeisein – mal sehen, welchen Namen er dann trägt.