Serie Berliner Champions

Ein Berliner auf dem Weg zur paralympischen Premiere

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Philip Häfner
Parabadminton-Spieler wie Rick Hellmann schnallen sich mit Gurten an ihren Rollstühlen fest.

Parabadminton-Spieler wie Rick Hellmann schnallen sich mit Gurten an ihren Rollstühlen fest.

Foto: Maurizio Gambarini / FUNKE FotoServices

Rick Hellmann zählt zu den besten Parabadmintonspieler Europas. Nun kämpft der Berliner um ein Ticket für die Paralympics 2020.

Berlin. Eigentlich mag es Rick Hellmann nicht, wenn er von einem Fremden einfach so angesprochen wird. Häufig will diese Person dann bloß eine weitere Spende oder etwas verkaufen. Die Frau, die vor fünf Jahren am S-Bahnhof Westkreuz an ihn herantrat, wollte jedoch kein Geld, sondern lediglich eine Auskunft. Ob er denn zurzeit Sport mache, fragte sie ihn, und ob er nicht Lust hätte, einmal beim Rollstuhl-Sport-Club Berlin beim Parabadminton vorbeizuschauen. Die beiden tauschten Nummern aus und nur wenige Tage später ging Hellmann zum ersten Mal zum Training.

„Am Anfang habe ich kein einziges Spiel gewonnen, dabei waren die Routiniers rückblickend sogar noch gnädig mit mir“, erinnert er sich an den etwas zähen Beginn seiner Karriere. Mittlerweile ist er mehrfacher deutscher Meister in seiner Klasse und hat im nächsten Jahr die Chance, sich seinen größten sportlichen Traum zu erfüllen: einen Start bei den Paralympischen Spielen in Tokio.

Aufnahme bei den Paralympics gibt dem Sport einen Schub

2020 ist Parabadminton erstmals bei den Paralympics vertreten. In trockenen Tüchern ist seine Teilnahme allerdings noch nicht. Momentan steht der Berliner auf Platz elf der Olympiarangliste, aber nur acht Spieler werden in Tokio dabei sein. Es ist jedoch davon auszugehen, dass einige, die über das Doppel eigentlich qualifiziert wären, auf einen Start im Einzelwettbewerb verzichten werden, sodass andere nachrücken.

„Es wird nicht einfach, aber es ist auch nicht unmöglich“, sagt Rick Hellmann. Umso wichtiger sei es, bis zum Ablauf des Qualifikationszeitraums Ende März noch fleißig zu punkten. Doch selbst, wenn es für den 31-Jährigen am Ende nicht reichen sollte, hat er schon allein davon profitiert, dass Parabadminton neuerdings zum Kanon der paralympischen Sportarten zählt.

„Der Sport hat seitdem eine tolle Entwicklung genommen. Das Niveau ist deutlich gestiegen“, sagt er. Der neue Status bedeutet auch eine bessere Förderung. Die Zahl der Lehrgänge hat sich erhöht und in Hannover wurde sogar ein Stützpunkt speziell für das Parabadminton eingerichtet. Zudem wurde die Zusammenarbeit zwischen dem Behindertensportverband und dem Badmintonverband intensiviert.

Der Schmargendorfer war zuvor Schwimmer

Rick Hellmann hatte nie Badminton gespielt, bevor er im Rollstuhl landete. Vor seiner Behinderung war er Leistungsschwimmer, danach betrieb er zunächst Rollstuhlfechten, ehe er aufgrund von Abitur und Studium eine längere Sportpause einlegte und erst durch die Frau am S-Bahnhof wieder damit begann.

Der Schmargendorfer hat eine Querschnittslähmung – eine mutierte Ader wuchs aus seinem Herzen in Richtung Wirbelkanal und drückte dort auf das Rückenmark, was lange unentdeckt blieb. Erst als er als Zehnjähriger von einem Tag auf den anderen nicht mehr seine Beine spürte, fiel die Ader auf und wurde sofort operiert, doch da war es bereits zu spät.

Trotzdem hört von Hellmann kein Wort des Wehklagens. Der Sohn einer deutschen Mutter und eines kongolesischen Vaters hat sich mit seinem neuen Leben arrangiert und blüht im Parabadminton auf. Die Regeln sind weitgehend die gleichen wie beim normalen Badminton, auch das Netz ist nicht niedriger, bloß das Feld ist etwas kleiner. „Die größte Umstellung besteht darin, dass man alles mit den Armen machen muss. Da fällt es dann besonders schnell auf, wenn jemand keine gute Technik hat“, sagt er.

Zwei Bronzemedaillen bei Europameisterschaft 2018

Mit der Schlägerhand wird gleichzeitig der Rollstuhl bedient und selbst den Besten passiert es noch, dass der Schläger dabei in die Speichen gerät. „Das sieht man bei jedem Turnier mindestens einmal, dass ein Schläger wegkatapultiert wird“, so Hellmann. Damit das bei den rasanten Ballwechseln nicht auch den Spielern passiert, sind sie mit mehreren Gurten im Rollstuhl fixiert.

Vor allem Hellmann kommt das zugute, der im Weltvergleich zu den schnellsten Spielern gehört. „Ich lebe von meiner Geschwindigkeit, weil ich dadurch immer noch irgendwie an den Ball komme“, sagt er. Bei der Europameisterschaft 2018 holte er damit jeweils Bronze im Einzel und im Doppel.

Nebenbei arbeitet Hellmann an seiner Doktorarbeit

Bei einem Turnier in Dänemark gelang ihm dann kürzlich als erstem Europäer seit sieben Jahren wieder ein Sieg gegen den amtierenden Europameister Martin Rooke aus Großbritannien. „Das war bisher mein bestes Spiel“, meint er.

Gewonnen hat er das Turnier nicht, ein Japaner war im Finale zu stark. Überhaupt sind die asiatischen Nationen beim Parabadminton gut vertreten – die besten Spieler von dort sind sogar Profis. Rick Hellmann dagegen arbeitet nebenbei an der Charité an seiner Doktorarbeit im Fach Experimentelle Neurologie.

„Immerhin sind die Experimente so weit abgeschlossen, dass ich jetzt flexibler bin, um am Wochenende zum Stützpunkt nach Hannover zu fahren“, sagt er. Und wer weiß: Vielleicht entdeckt er auf seinen Fahrten ja das nächste große Parabadminton-Talent am Bahnhof.