Hamburg. Beim Training in der Mittagshitze schaut zunächst nur ein einzelner älterer Herr zu. Kurz darauf schleicht sich ein Fotograf auf den Außenplatz 10, wenig später verfolgen fünf weitere Fans die schweißtreibende Übungseinheit des derzeit aufregendsten deutschen Tennis-Talents.
Der Berliner Rudi Molleker (18) zählt bislang zu den Positiv-Überraschungen des Hamburger ATP-Turniers am Rothenbaum. Gemeinsam mit den Davis-Cup-Führungsspielern Alexander Zverev (22) und Jan-Lennard Struff (29) kämpft er am Donnerstag um den Einzug ins Viertelfinale.
Als „den vielleicht besten 18-Jährigen der Welt“ hat der dreimalige Wimbledonsieger Boris Becker den Teenager aus Oranienburg geadelt. Die Weltrangliste führt Molleker (noch) auf Rang 150, aber nur ein einziger Spieler seines Geburtsjahres 2000 steht vor ihm: der Kanadier Felix Auger-Aliassime auf Platz 23.
Nicht größenwahnsinnig, aber selbstbewusst
Bei den Australian Open und den French Open schaffte Molleker jeweils über die Qualifikation den Sprung ins Hauptfeld, in Hamburg fordert er nun im Kampf um sein erstes ATP-Viertelfinale den an Nummer drei gesetzten Italiener Fabio Fognini. „Fabio spielt gutes Tennis, aber es gibt auch Wochen, in denen er schlagbar ist“, sagt Molleker. Er klingt dabei nicht größenwahnsinnig, aber durchaus selbstbewusst.
Nach seinem beeindruckenden Auftaktsieg gegen den zweimaligen Turniersieger Leonardo Mayer aus Argentinien steht der 18-Jährige fast reglos vor der Sponsorenwand der Hamburg European Open und beantwortet mit ruhiger Stimme die Fragen der Reporter. Kurz zuvor war er noch auf der Suche nach einem Handtuch in Boxer-Shorts durch die Katakomben des Stadions am Rothenbaum gehuscht.
Abstecher auf die Reeperbahn
Nur einmal grinst Molleker ein bisschen, als er verrät, dass er mit seinem Kumpel Daniel Altmaier auch schon auf der Reeperbahn gewesen sei. „Wir haben uns das nur angeguckt, nichts Kurioses gemacht“, erzählt er. Auch die sogenannte Öffentlichkeit interessiert sich mehr und mehr für diesen jungen Mann, der aktuell noch deutlich im Schatten von Zverev, Struff Co. steht. Doch für die Zukunft ist er das verheißungsvollste deutsche Talent seiner Generation.
Molleker schlägt gut auf, spielt aggressiv und kann das Publikum mitreißen. „Er ist auf dem Platz kein buddhistischer Mönch, der seine Emotionen wegsperrt“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ einmal über den 1,85 Meter großen Athleten. Zudem hat er schon in seinem Alter Erfahrungen gemacht, die nicht immer zu seinen Gunsten ausgingen, die ihn aber prägten und zu seinem Reifeprozess beitragen werden.
Streit mit dem DTB beigelegt
Wimbledon verpasste er – weil er die Meldefrist für die Qualifikation versäumte. „Ich war einfach zu spät und habe es vermasselt“, erzählte er offen. Erfreulicher als diese Episode verlief unter der Woche ein Gespräch mit Vertretern des Deutschen Tennis Bundes (DTB). Im Binnenverhältnis Molleker-DTB hatte es zuletzt gewaltig geknirscht. Molleker beklagte mangelnde Unterstützung, der Dachverband zeigte sich etwas irritiert ob der Alleingänge des Jungprofis.
Molleker schloss sich der Mouratoglou-Academy an und war mit wechselnden Trainern unterwegs. Nun sind die Irritationen ausgeräumt. Molleker kehrt zum DTB und seinem alten Coach Jan Velthuis zurück, was auch Verbandschef Ulrich Klaus am Mittwoch bestätigte. Molleker war zu dem Zeitpunkt in den kühlen Umkleidekabinen verschwunden, nahezu unbehelligt von den Fans. Wie lange das noch so bleibt, hängt auch von seinem Abschneiden in Hamburg ab.