Berlin. Bei Herthas 0:3-Heimniederlage gegen Leipzig bekamen alle einen Eindruck davon, was passiert, wenn jeder in seinem Schmollwinkel bleibt: Dann gibt es nur Verlierer, der größte ist Hertha BSC. Ob die Hausherren besser ausgesehen hätten, hätte die Ostkurve das Team so wie immer unterstützt, kann niemand belegen. Der Stimmungsboykott im Prestigeduell gegen Leipzig hat jedoch nur dem Gegner geholfen.
Hertha-Manager Michael Preetz hatte vor dem Anpfiff gehofft: „Ich glaube schon, dass die Mannschaft unterstützt wird. Da stehen 8000 Menschen in der Kurve. Wir werden sehen, wie es sich auswirkt, wenn einige davon schweigen.“ Ein Trugschluss – die einzigen, die über 90 Minuten zu hören waren, waren die RB-Fans.
Erwartungsgemäß solidarisierten sich nicht nur die Ostkurve, sondern die meisten Hertha-Anhänger mit dem Protest. Hertha hatte nach den Negativauftritt von rund 150 Gewalttätern in Dortmund unter Druck gestanden, eine klare Reaktion zu zeigen. Die vom Klub verhängten Maßnahmen (verschärfte Einlasskontrollen, Banner- und Spruchband-Verbot im Stadion) waren von den Anhängern als Kollektivstrafe empfunden worden. Ungeachtet des Verbotes gab es ein Spruchband in der Ostkurve: „Gegen Kollektivstrafen.“ Die Fans fanden dann ihre Sache wichtiger als die ohne Zweifel nötige Unterstützung der Mannschaft – zum allergrößten Teil wurde geschwiegen.
Die verschärften Kontrollen hatten vor dem Anpfiff am Osttor zu langen Schlangen geführt. Drinnen fühlte sich die Mannschaft unwohl mit der Situation. Stürmer Davie Selke sagte: „Das Olympiastadion ist nur komplett mit der Ostkurve. Ihre Unterstützung hat uns gefehlt.“ Ein Zustand, den die Profis ungern noch einmal erleben wollen. „Ich hoffe, dass die Fans uns nächste Woche wieder unterstützten“, meinte Routinier Fabian Lustenberger.
Von der Sache her ist klar, dass es Gespräche miteinander braucht. Oder wie Preetz sagte: „Kein Dialog ist keine Lösung. Natürlich müssen wir an einen Tisch.“ Am vergangenen Donnerstag hatte Hertha kurzfristig einen länger anberaumten „Runden Tisch“ mit Vertretern von der Geschäftsführung, aus dem Fanprojekt, der Fanbetreuung und ausgesuchten Fans verschoben. Seit einigen Wochen haben sich Vertreter aus Herthas Geschäftsleitung, etwa Finanzchef Ingo Schiller und Digitalchef Paul Keuter, mit Fanklub-Vertretern getroffen. Die Hertha-Lesart der Lage: „Der Dialog ist im vollen Gange.“
Ehe jedoch die Ultras eingebunden werden, brauche es zuvor einen separaten Termin der Klub-Führung mit den Ultras. Die hatten in der Vergangenheit mehrfach die Gespräche mit Herthas Chefetage abgebrochen.