Berlin. Diese eine Frage ist etwas knifflig. Christian Prokop muss überlegen. Welches Tier er gern wäre? „Ein Löwe, für die WM wäre ich gern ein Löwe“, sagt der Handball-Bundestrainer schließlich. Die Schülerin, die den 39-Jährigen mit dieser Frage ins Grübeln brachte, ist etwas unzufrieden. „Nicht vielleicht doch ein Fuchs“, fragt sie nach. Ein naheliegender Vorschlag, wo der Fuchs in Berlin doch der Inbegriff des Handballs ist. „Ja, auch keine schlechte Idee“, sagt Prokop. Aber bei der WM (10. bis 27. Januar), wenn das Nationalteam in der Mercedes-Benz Arena seine Vorrunde spielt, dann wolle er doch lieber kämpfen wie ein Löwe.
In der Turnhalle der Grundschule am Faulen See in Hohenschönhausen konnte man am Freitagmorgen viel über Christian Prokop lernen. Dass er eigentlich Angst vor Bällen hat, dass sein Lieblingsessen als Kind Schweinefilet mit Kroketten und Erbsen war, dass er beim Fußballspielen lieber Gänseblümchen gepflückt hat und einen schwarzen BMW fährt.
32 Schülerinnen und Schüler trainieren mit dem Bundestrainer
Die Neugierde der 32 Kinder, die bei einem bundesweiten Schulprojekt des Deutschen Handballbundes (DHB) ein Training mit dem Bundestrainer gewonnen hatten, war groß. Mindestens so groß wie ihre Motivation bei der knapp zweistündigen Übungseinheit vor der Fragerunde. Ein Gewusel aus grünen T-Shirts sprintete durch die Halle, versuchte sich im Sprungwurf und zeigte beim abschließenden Mini-Turnier sogar starke Paraden im Tor.
„Das hat sehr viel Spaß gemacht. Die Nationalmannschaft ist genau so ehrgeizig, aber da ist natürlich nicht so ein Gewusel, da geht es eher um taktische Dinge, da sprechen wir über Abwehr- und Angriffsformationen. Das ist heute einfach eine coole Abwechslung“, sagt Prokop. Abwechslungsreich waren vor allem die Fragen der Kinder – nach Lieblingsfarbe, Rückennummer und Zielen für die WM. Und was macht ein Bundestrainer eigentlich, wenn er gerade nicht mit seinem Team trainiert?
Im Moment macht er sich Sorgen um einen seiner wichtigsten Rückraumspieler. Denn Paul Drux wird nicht nur den Füchsen Berlin sieben Wochen fehlen. Auch für die WM könnte es für den 23-Jährigen, der am Dienstag am Fuß operiert wurde, eng werden. „Die Tür steht immer offen, die Chance ist da. Er kann fit werden, und wir haben dann im Dezember und Januar immer noch Zeit“, sagt Prokop. Er ist optimistisch und froh, dass sich Drux jetzt für einen Eingriff entschieden hat. „Jetzt hat er Zeit, die Zeit soll er kriegen und dann ist er ein wichtiger Mann“, sagt Prokop.
Eröffnungsspiel gegen vereintes Team aus Korea
Genau wie Silvio Heinevetter. Der Torhüter der Füchse steht bei den Grundschülern hoch im Kurs. „Das ist mein Lieblingsspieler“, sagt ein Mädchen. Auch der von Prokop? „Er ist ein auffälliger Spieler, der auch sehr wichtig sein wird bei der WM“, sagt der Trainer. Er weiß, was er von seinen Berliner Nationalspielern um Drux, Heinevetter und Fabian Wiede erwartet. Sie spielen in ihrer Heimatstadt, werden maßgeblich dafür verantwortlich sein, das Publikum schon früh im Turnier zu begeistern. „Wenn man unsere Vorrundengruppe sieht, wäre es wichtig, dass wir in der Halle nicht mit einem Winterschlaf konfrontiert werden“, sagt Prokop. Neben Weltmeister Frankreich, Russland, Serbien und Brasilien wartet im Eröffnungsspiel erstmals ein vereintes Team aus Süd- und Nordkorea. „Politisch ist das ein Hammerzeichen, das von hier aus in die Welt geht. Trotzdem geht es für uns um einen erfolgreichen Start in die WM“, sagt Prokop. Ihm ist anzumerken, dass knapp drei Monate vor dem WM-Start noch die Vorfreude überwiegt. Nicht der Druck.
„Der wird genauso wie die Vorfreude steigen“, weiß Prokop. Denn nach dem Hauptrunden-Aus bei der EM Anfang des Jahres steht er wohl unter besonderer Beobachtung. Zumal die Unterstützung im DHB danach nicht mehr uneingeschränkt vorhanden war. „Handball ist ein Mannschaftssport. Da ist nicht nur einer verantwortlich, da müssen wir uns zusammenraufen. Das ist eine Lehre aus den Fehlern, die gemacht wurden“, sagt Prokop. Nur Füchse-Geschäftsführer und DHB-Vizepräsident Bob Hanning stand damals weiter hinter seinem Wunschkandidaten. Und nach eingehender Analyse entschied sich dann auch der DHB an Prokop festzuhalten, mit ihm das Projekt WM 2019 im eigenen Land erfolgreich zu gestalten. Für diesen Erfolg wird Prokop kämpfen. Schließlich will er ja nicht umsonst ein Löwe sein.