Berlin. Ein 13-jähriger Bundesligaspieler, mucksmäuschenstille Fans und ein deutscher Meister aus Hamburg: Was absurd klingt, ist in der Blindenfußballbundesliga (DBFL) Alltag. Europas einzige nationale Fußballliga für blinde und sehbehinderte Menschen startet an diesem Wochenende mit sechs Mannschaften in ihre elfte Saison. Mit von der Partie: der FC Viktoria 1889. Die Blindenfußballabteilung der Berliner ist Gründungsmitglied der 2008 ins Leben gerufenen Liga, die mindestens noch zwei weitere Jahre vom Deutschen Fußball-Bund (DFB), der Sepp-Herberger-Stiftung, dem Deutschen Behindertensportverband (DBS) und dem deutschen Blinden- und Sehbehindertenverband (DBSV) gefördert wird.
Wenn am Sonnabend auf dem Marktplatz in Wangen (Allgäu) mit dem im Blindenfußball typischen Rasselball der erste von fünf Spieltagen angestoßen wird, stehen die Spieler von Viktoria allerdings nicht auf dem extra dafür ausgerolltem 40x20 Meter großen Kunstrasenfeld. Die Reise bis in den Süden Deutschlands ist schlicht zu teuer. „Aktuell ist unser Finanzstatus etwas besser als Griechenland“, sagt Oliver Heise, Trainer der Blindenfußballer von Viktoria, „wir haben Sponsoren, Spender, und sind da auch sehr dankbar“. Doch trotz der 1000 Euro, die der Verein zu den Spieltagen von den Ligaträgern erhält, müssen die Spieler und ihre Betreuer einiges selbst zahlen.
Um den weiten Weg nach Wangen zu vermeiden, müssen die Berliner bei einem der drei folgenden Spieltage in Hamburg, Gelsenkirchen und Dortmund an einem Wochenende zwei oder drei Spiele bestreiten. Auch dort finden die Partien auf einem öffentlichen Platz statt – um möglichst viele Zuschauer anzulocken. Die müssen leise sein, damit die Spieler auf dem Feld das Klingeln des Balles und die Anweisungen ihrer Betreuer hören können, die den Weg zum Tor oder die Position der Gegner angeben.
FC St. Pauli ist Meister, aber BVB und Schalke greifen an
as Leben im Blindenfußballalltag wäre einfacher, wenn das Team einem professionellen Fußballverein angehören würde – wie etwa Borussia Dortmund. Der BVB hat in der vergangenen Saison den Blindenfußball-Bundesligisten ISC Viktoria Dortmund-Kirchderne übernommen und professionalisiert. Schalke 04 hat bereits 2015 eine Blindenfußballabteilung in den Verein integriert. Und auch der amtierende deutsche Meister, gehört einem Profiklub an: dem FC St. Pauli, der 2006 die erste Blindenfußballmannschaft in Deutschland gründete.
Den Wunsch nach mehr Professionalität hat auch Oliver Heise, denn die Verhältnisse, unter denen die Blindenfußballer von Viktoria trainieren, bezeichnet der Coach als eher semiprofessionell. „Normalerweise müssten wir auf Kunstrasen spielen, auf Hockeytore mit Bande, draußen. Aber wir spielen halt in der Halle auf Handballtore“, sagt Heise, dem bei Viktoria zehn Spieler zur Verfügung stehen, um ein Team aus vier Spielern und einem sehenden Torwart auf das Feld zu schicken.
Der Abstand zu den Teams der Profi-Klubs kann an der Tabelle der vergangenen Saison abgelesen werden. Am Ende hatte Viktoria eine Torbilanz von 1:47 und konnte erst im allerletzten Spiel, das in der DBFL über zweimal 20 Minuten ausgetragen wird, das erste Saisontor erzielen. In der neuen Spielzeit soll alles besser werden, „aber bis wir wieder oben mithalten können, mit St. Pauli, Dortmund und Stuttgart, wird es noch drei, vier Jahre dauern“, sagt Heise. Ein langfristiges Ziel. Vielleicht gibt es dann auch irgendwann mal einen deutschen Meister aus Berlin.