Berlin

Abschied von einer gescheiterten Generation

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Sebastian Stier

Damir Kreilachs Wechsel zeigt, wie drastisch sich die Perspektiven bei Union verschlechtert haben

Berlin. Am Sonnabend wird noch einmal die Vergangenheit vorbeischauen im Stadion An der Alten Försterei. Sie wird Blumen bekommen und ein Trikot. Applaus auch, gewiss. Die Vergangenheit wird lächeln und höflich winken zum Abschied. Als Typ ist sie von sehr freundlicher Natur.

Es ist noch gar nicht so lange her, da verkörperte die Vergangenheit in Person von Damir Kreilach (28) die Zukunft des 1. FC Union. Der Kroate war einer der ersten Fußballer, die mit dem Versprechen zum Berliner Zweitligisten geholt wurden, es mit diesem Klub einmal in die Bundesliga zu schaffen. Nun ist Kreilach einer der ersten, die gehen. Ab sofort spielt er für Real Salt Lake City in der amerikanischen Major League Soccer. Während der Halbzeitpause des Spiels gegen Fortuna Düsseldorf (13 Uhr) soll er Sonnabend gewürdigt werden. Weitere Spieler werden folgen. Nicht jetzt. Im Sommer. Die Generation Möchtegern verabschiedet sich.

„Wir haben im Moment keine sportlichen Argumente“, sagt Trainer André Hofschneider. Das klingt hart, ist aber die Wahrheit. Seit Jahren kannte der Verein sportlich nur eine Richtung: nach oben. Als Vierter der vergangenen Saison war der Aufstieg das klar definierte Ziel. Spieler wie Toni Leistner, Sebastian Polter, Kristian Pedersen oder Steven Skrzybski konnten nur aufgrund dieser Aussicht gehalten werden. Das dürfte sich nun ändern. Bei acht Punkten Rückstand auf den Relegationsplatz und acht Spielen in Folge ohne Sieg ist der Aufstieg kein Thema mehr. Eher muss sich Union nach unten orientieren, bei nur sechs Punkten Vorsprung auf die Abstiegszone. Was schwer genug werden dürfte mit einer Mannschaft, die für eine andere Zielsetzung zusammengestellt wurde.

Auf die Frage, warum Kreilach nicht vor dem Spiel, sondern in der Halbzeitpause verabschiedet wird, antwortet Pressesprecher Christian Arbeit zwar: „Wir haben ein Spiel zu gewinnen und wollen keine Atmosphäre schaffen, die den Eindruck erweckt, dass wir uns alle verabschieden.“ Nur ist genau das die Botschaft, die der Verein mit dem Verkauf eines ehemaligen Leistungsträgers inmitten der Rückrunde sendet. Zwar wäre Kreilachs Vertrag 2019 ausgelaufen, den kopfballstarken und torgefährlichen Mittelfeldspieler aber in sportlich schweren Zeiten abzugeben, lässt darauf schließen, dass der gedankliche Umbau der Mannschaft bei den Verantwortlichen längst begonnen hat.

Wie die sportliche Zukunft in Köpenick aussieht, ist ungewisser denn je. Neben vielen Leistungsträgern dürfte auch Trainer Hofschneider kaum über den Sommer hinaus im Amt zu halten sein. Vor zwei Jahren, als er das Team schon einmal interimsmäßig betreute, gelangen ihm daheim sechs Siege in Serie. Aktuell wartet er noch auf den ersten Erfolg, die Alte Försterei ist als Festung nicht mehr existent. Hofschneider versucht, die Situation mit Humor zu erklären. „Vielleicht hätte ich den Fußballlehrer nicht machen sollen“, sagt er. Aber die Lage ist viel zu ernst, das Lachen ist den meisten im Klub vergangen. Intern herrsche eine angespannte Stimmung, heißt es. Wenn Hofschneider über den kommenden Gegner spricht, zählt er indirekt alles auf, was seiner Mannschaft gerade fehlt. „Sie sind in der Lage, früh ein Tor zu machen und das dann über die Zeit zu bringen. Sie glauben daran, dass sie als Sieger vom Platz gehen, das ist ihr größter Vorteil.“ Bei Union, so wirkt es, glaubt daran niemand.

In den jüngsten Spielen hat Hofschneider viel versucht. Er hat das System mehrmals gewechselt und die Spieler. Bisher ohne Erfolg. „Ratlos bin ich nicht. Ich glaube, dass es normal ist, mit einem sehr starken Kader verschiedene Varianten durchspielen zu können“, sagt er. Auf dem Papier mag der Kader immer noch zu den besten der Liga gehören. Nur fehlt derzeit der Glaube, diese Qualität auch umsetzen zu können.