München. Als er alle seine Spieler einmal fest in die Arme genommen hatte, eilte Israel Gonzalez an die Bande des Audi Dome. Die übersprang in dem Moment Himar Ojeda, der Sportdirektor von Alba Berlin. Die beiden Spanier kennen sich seit ihrer Studienzeit, arbeiten seit vielen Jahren zusammen. Seit einem Jahr ist Gonzalez Albas Cheftrainer, und gleich in seiner ersten Saison hat er eine unglaubliche Saison nach dem Pokalsieg nun auch noch mit dem Gewinn der deutschen Meisterschaft gekrönt. „Ich bin unglaublich stolz auf meine Spieler“, sagte er, schon zum ersten Mal in Bier gebadet.
Es scheint, als würde sein Team am liebsten in München Meister werden. Hatte der Titelverteidiger am vergangenen Freitag vor ausverkauften Rängen in der heimischen Mercedes-Benz Arena noch verkrampft und unsicher gewirkt, bewies er keine 48 Stunden später im Audi Dome seine ganze Klasse, bezwang die Bayern im vierten Spiel der Play-off-Finalserie mit 96:81 (52:36) und ist mit 3:1 Siegen zum dritten Mal in Folge Champion – zum dritten Mal in Folge in München. „Es sieht ein bisschen so aus, als wäre dies ein Glücksort für uns“, sagte Kapitän Luke Sikma lachend.
Thiemann macht bei Alba Berlin den Unterschied
Maodo Lo schnitt da schon das erste Netz von den Körben, wie Basketballer das nach besonderen Erfolgen tun. Es ist mittlerweile zu einer Art Tradition geworden. In der Saison 2019/20 hatten die Berliner diesen Triumph in der Corona-Bubble perfekt gemacht, vergangenes Jahr mit zwei Siegen gegen Gastgeber Bayern München. Zu erwarten war der dritte Erfolg nach dem Geschehen am Freitagabend nicht – so stark, wie sich die Mannschaft von Trainer Andrea Trinchieri in Berlin präsentiert hatte.
Beide Teams gingen in unveränderter Aufstellung in das vierte Duell: Die Gastgeber mussten wie in Berlin auf Vladimir Lucic, Darrun Hilliard, Corey Walden und Leon Radosevic verzichten. Das hatte sie nicht davon abgehalten mit einem sehr überzeugenden 90:60 die 19 Spiele währende Berliner Siegesserie zu beenden. Beim Titelverteidiger aus der Hauptstadt waren der Schwede Marcus Eriksson und der gebürtige Berliner Tim Schneider erneut nur Zuschauer.
Alba Berlin trifft plötzlich sogar die Dreier
Etwas veränderte Alba-Trainer Israel Gonzalez aber: Er schickte zu Beginn Johannes Thiemann statt Luke Sikma aufs Parkett. Eine Entscheidung, die voll aufging. Der deutsche Nationalspieler hatte an jedem der ersten 16 Punkte seines Teams seinen Anteil. Entweder der 28-Jährige verwandelte selbst oder er gab die Vorlagen zu den Dreiern von Jaleen Smith und Tamir Blatt.
Die Gäste erwischten so einen Traumstart und führten in der dritten Minute 11:0. Es war wie ein Spiegelbild zu Spiel drei zwei Tage zuvor. Alba gelang alles, den Bayern nichts. Die Berliner zwangen ihren Kontrahenten schon im ersten Viertel mit unerbittlicher Verteidigung zu fünf Ballverlusten. Sie trafen vier Distanzwürfe – im kompletten dritten Spiel waren es nur zwei (bei 21 Versuchen) gewesen. An diesem Tage sollten es 14 von 27 werden, eine sehr gute Quote von 52 Prozent.
Sie fanden im Angriff immer wieder den freien Mann. Sie hatten 29 Assists, ihr Kontrahent nur elf. Sie dominierten im Rebound. Die Münchner wirkten wie gehemmt. Ähnlich wie die Berliner am Freitag.
Alba Berlin lässt München nicht in Führung gehen
Der Vorsprung wuchs folgerichtig, weil es kein Nachlassen gab. Nach einer Viertelstunde und einem leichten Korbleger von Malte Delow hieß es 35:20 aus Berliner Sicht. Es folgten fünf starke Minuten von Center-Riese Christ Koumadje, gegen den die Bayern kein Mittel fanden. Acht Punkte des Mannes aus dem Tschad stellten bei 48:27 (18. Minute) die bis dahin höchste Führung her. Auf der Berliner Bank herrschte Jubelstimmung, als Sikma mit der Pausensirene seine ersten Zähler zum 52:36 markierte, mit einem schwierigen Wurf im Rückwärtsfallen.
Es wurde noch einmal laut, als die Münchner aus der Kabine kamen und durch Augustine Rubit und Nick Weiler-Babb auf 52:40 verkürzten. Ihr Gegner allerdings konterte meisterlich. Natürlich Johannes Thiemann, Jaleen Smith und Oscar da Silva mit zwölf Punkten in Folge ließen den Abstand wieder auf mehr als zwanzig Zähler wachsen (64:40./25. Minute). Eine Parallele zum ersten Duell dieser Teams in der Finalserie: Erneut lag München kein einziges Mal in Führung. Als ob Alba tatsächlich in der Höhle des Löwen befreiter aufspielen kann.
Alba Berlins Thiemann zum MVP gewählt
Einmal wurde es doch noch spannend. Zu Beginn des Schlussviertels kamen die sich mit letzter Energie wehrenden Bayern auf 76:63 heran. Nach neun Punkten nacheinander in Serie nahm auch Israel Gonzalez einmal eine Auszeit. Offenbar fand er die richtigen Worte. Smith mit einem Korbleger und einem Dreier beseitigte die letzten Zweifel. Der Amerikaner (23 Punkte) feierte, er traf sechs seiner sieben Dreier, – und mit ihm der nun elfmalige deutsche Meister. Erst recht, als Youngster Malte Delow mit einem Distanztreffer den Schlusspunkt setzte.
Als bester Spieler des Finales wurde Johannes Thiemann geehrt, zu Recht, denn er veränderte das Spiel nicht nur wegen seiner 15 Punkte. Die kleine, nicht so schöne Trophäe wollte er gar nicht mehr loslassen, während der Meisterpokal durch alle Hände wanderte. Das gesamte Team trug Shirts mit dem Aufdruck „Three Peat“, frei übersetzt „Dreierschlag“ nach dem dritten Titel in Reihe.
„Wir sind einfach ein geiles Team“, jubelte Louis Olinde, „diesmal wussten wir, was auf uns zukommt, haben physisch gespielt und trotzdem nicht unsere Leichtigkeit verloren.“ Dann griff sich der 24-Jährige einen Becher Bier und schüttete ihn über Marco Baldi aus. Der Alba-Geschäftsführer gab gerade ein Fernsehinterview. „Ich wusste, was der vorhat“, sagte Baldi und blickte schon fröhlich voraus: „Das wird jetzt eine bahnbrechende Zugfahrt nach Berlin.“
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