Berlin. Vergangenen Mittwoch hat der Präsident Dieter Hauert zum letzten Mal im Block 102 der Mercedes-Benz Arena gesessen, auf seinem Platz direkt am Gang. Hat mitgezittert, sich mitgefreut, mitgelitten, wie bei Hunderten von Basketballspielen zuvor. Momentan ist ja mehr Mitleiden angesagt bei Alba Berlin. Die Mannschaft, seine Mannschaft, verlor gegen Bilbao 88:92, es war die dritte Niederlage in Folge. „Das Up and Down“, sagt Hauert tapfer, „gehört im Sport dazu. Man muss nur aus den Downs wieder rauskommen“.
Niemand wollte, dass er zurücktritt
Die Verantwortung dafür trägt ab jetzt ein anderer. Am Donnerstag hat Hauert nach gut 25 Jahren sein Amt in jüngere Hände gelegt. Axel Schweitzer wurde auf einer Mitgliederversammlung zu seinem Nachfolger gewählt. War auch mal an der Zeit, werden Außenstehende sagen. Hauert ist 81 Jahre alt, Schweitzer, Chef des Hauptsponsors Alba Recycling, ist 47. Doch das trifft es nicht. Hauert ist kein rüstiger Pensionär, sondern ein immer noch erfolgreicher Unternehmer. Niemand wollte diesen Rücktritt, nicht Schweitzer, nicht Alba-Geschäftsführer Marco Baldi. „Selbst meine Frau“, erzählt Hauert, „hat gesagt, ich solle weitermachen.“ Aber im Zweifel entscheidet der Chef selbst. Dieter Hauert hatte keine Zweifel.
In seiner Ära wurde aus einem Klub, dessen Geschäftspapiere in einem Schuhkarton gesammelt wurden, eine der größten Basketballmarken Europas. „Dieter hat diesen Verein geprägt“, sagt Baldi, „Alba ist zuverlässig, Alba ist innovativ. Dieter ist der Vater dieses Klubs.“ Alba betreut heute wöchentlich fast 4.000 Basketball spielende Kinder, hat 1.500 Mitglieder, knapp 100 Jugendmannschaften, über 100 Trainer, zwei Geschäftsstellen. „Ich habe 25 fantastische Jahre hinter mir. Der Grund, warum ich aufhöre: Wir haben überall gute Leute, alle machen einen super Job“, sagt Hauert. Früher ging er zweimal die Woche in die Geschäftsstelle, zuletzt nur noch einmal im Monat. Nicht, weil er faul geworden wäre, „es läuft einfach. Ich war nur noch wie eine Glucke obendrauf“. Das passt nicht zu ihm, er will anstoßen, querdenken, gestalten. Mittendrin sein statt nur dabei.
Am schönsten waren die Jahre des Aufbruchs
Deshalb hat er die Zeit am meisten genossen, als es Alba am schlechtesten ging, in den Anfängen. Sein Tennis-Kumpel Knut Tesmer nahm ihn mit zum Basketball, damals noch in die Sömmeringhalle. Es fehlte an allem, an Strukturen, an Geld sowieso. Hauert hatte alles, und als er Vorschläge machte, kam zurück: Nun rede mal nicht, mach. Schon war er Präsident. Damals wurden nach Spielen beim Bier wichtige Entscheidungen für den Verein getroffen. Einmal sagte Baldi bei einer solchen Runde, er kenne da einen Trainer. Der Präsident fragte: Hast du mal seine Nummer? Noch am selben Abend überzeugte er den damaligen Bundestrainer Svetislav Pesic von dessen neuer Aufgabe. Am nächsten Morgen war er in Berlin.
Die goldenen Alba-Jahre begannen, Korac-Cup-Sieg, Meisterschaften, Pokalsiege. Das kostete viel Geld – mehr, als der Etat hergab. Auch dafür hatte der Präsident Lösungen, traf sich mit Hauptsponsor Franz Schweitzer, dem inzwischen verstorbenen Vater von Axel. Das Gespräch ging so: Du Franz, wir haben da eine Lücke. Ich brauche eine halbe Million Mark von dir, um die zu schließen. Schweitzer sagte: Okay, gebe ich – wenn du die gleiche Summe gibst. Hauert: Ist in Ordnung! Problem beseitigt. In jener Zeit sind so einige Millionen geflossen.
Der Präsident hat auch mit 81 noch viele Hobbies
Heute ist der Verein anders aufgestellt, breiter. Aber die Erinnerungen sind geblieben und gute Freundschaften. „Ich habe so viele Hobbies“, sagt Hubschrauberpilot Hauert, der sämtliche Flugscheine besitzt, alle Segelscheine, der Klavier spielt und zweimal die Woche Golf. Der in seiner Jugend Handball spielte, den Sender 100,6 mitbegründete, Gründungsmitglied beim Verein der Freunde der Nationalgalerie war. Über sein Vermögen redet er nicht, aber es heißt, er müsse nicht ins Museum gehen, wenn er die Werke sehr bedeutender Künstler betrachten möchte. „Trotzdem haben Alba und Basketball mein Leben am meisten beeinflusst.“
Mit dem größten Star der Klubgeschichte, Wendell Alexis, steht er noch in Kontakt, auch mit Ex-Spieler und –Trainer Muki Mutapcic ist er befreundet. „Henrik Rödl war für mich immer das Vorbild eines guten Spielers, nicht nur spielerisch, sondern auch in seinem Verhalten dem Klub gegenüber“, adelt Hauert den einstigen Kapitän. Dann erinnert er sich an den Schock, als Matej Mamic nach einem Sturz querschnittsgelähmt zu sein schien. „Als ich ihn fünf Tage später im Krankenhaus besuchte, hat er schon wieder gelacht, aus dem Bett Bälle gepasst, die Schwester musste sie fangen.“ Beim Korac-Cup-Finale in der Deutschlandhalle 1995 saß sein Vater neben ihm, 85 Jahre alt, erlebte zum ersten Mal ein Basketballspiel. Und dann so eines. „Schön“, sagt Hauert, „dass er das noch miterlebt hat.“
Jede Woche liest er einen Krimi und ein Sachbuch
Bald ist Dieter Hauert selbst so alt. Aber er wirkt nicht so, ist immer noch neugierig, offen für andere Gedanken als seine eigenen. Jede Woche liest er zwei Bücher: ein Sachbuch und einen Krimi.Er freut sich, jetzt mehr Zeit für seine junge Frau und seine zehnjährige Tochter zu haben: „Ich bin so glücklich mit meiner kleinen Tochter“, sagt der Vater dreier Kinder, „früher habe ich jeden Tag zehn bis zwölf Stunden gearbeitet. Zum ersten Mal erlebe ich, wie ein Kind groß wird.“
Und was wird aus seinem anderen Kind, aus Alba Berlin? „Ich glaube, wir haben Basketball etabliert, der Verein ist aus dieser Stadt nicht mehr wegzudenken“, sagt Hauert, „aber ob er in 25 Jahren auch noch Alba heißt, kann man nicht sagen.“ Sicher ist dagegen, dass er beim nächsten Heimspiel wieder in Block 102 sitzen wird, auf seinem angestammten Platz. Nur dann zum ersten Mal als Ehrenpräsident.
Immer nach Auswärtsspielen ruft Baldi an
Und auch die Tradition bleibt erhalten, dass er Minuten nach den Auswärtsspielen einen Anruf bekommt. Wie stets seit über 25 Jahren. Baldi ist dran und sagt, wie es gelaufen ist. Beide werden sich dann gemeinsam freuen oder ärgern und grübeln, was zu tun ist. „Meine Leidenschaft für Alba“, sagt Dieter Hauert, „stirbt nie.“