Unfallflucht 15. Januar 2013, Finanztest 2/2013

Tausendmal touchiert

| Lesedauer: 7 Minuten

Unfallflucht kann den Führerschein kosten – und einiges mehr.

Lack zerkratzt und dann schnell weg? Unfallflucht ist eine der häufigsten Straftaten im Straßenverkehr und manchem ist sie nicht einmal bewusst. Die Stiftung Warentest erklärt in der aktuellen Ausgabe ihrer Zeitschrift Finanztest das ABC für Unfälle. Werden Unfallflüchtige erwischt und verurteilt, droht ihnen eine Strafe und Ärger mit der Versicherung.

Ein typischer Fall: Als der Fahrer aus dem Auto steigt, fällt ihm eine rote Lackspur am linken Kotflügel, am Stoßfänger und an der Tür auf. Der Unfallverursacher ist unbekannt. Umgangssprachlich heißt das Fahrer- oder Unfallflucht.

Im Strafgesetzbuch ist vom unerlaubten Entfernen vom Unfallort die Rede: Jemand ist an einem Unfall beteiligt und macht sich danach unerkannt aus dem Staub. Das ist verboten und kann eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe nach sich ziehen. Manchmal kostet die Unfallflucht auch für ein paar Monate den Führerschein. Das Strafmaß hängt davon ab, ob Personen verletzt wurden und wie hoch der Sachschaden ist.

Die neue Lackierung von Kotflügel und Autotür würde mindestens 700 Euro kosten. „Die Strafe für einen solchen Streifschaden entspräche etwa einem Nettomonatsgehalt des Unfallflüchtigen“, sagt Gregor Samimi, Fachanwalt für Verkehrsrecht, Strafrecht und Versicherungsrecht in Berlin.

Für einen Unfall müssen zwei Merkmale erfüllt sein: Jemand muss einem anderen einen Schaden zugefügt haben und der Schaden darf nicht völlig unerheblich sein. Belanglos sind kleine Hautabschürfungen oder beschmutzte Kleidung. Sachschäden sind unerheblich, wenn der Geschädigte üblicherweise keine Schadenersatzansprüche stellen würde. „Der Klassiker ist ein leicht eingedelltes Nummernschild“, sagt Samimi. Denn das wird niemand reparieren. Hier ziehen die Gerichte die Grenze bei rund 25 Euro.

Ein Wendemanöver, das mit einem plötzlichen Bums am Baum endet, ist dagegen meistens ein Unfall. Der Baum muss mit einem Wundschutzmittel verarztet werden, und das ist teuer. Der Schädiger muss am Unfallort warten, bis er den Schaden melden kann, sogar mitten im Wald. Als Verkehrsunfall zählt auch, wenn der vollbeladene Einkaufswagen außer Kontrolle gerät und ein anderes Auto beschädigt (Oberlandesgericht Düsseldorf, Az. III-1 RVs 62/11).

Was Unfallbeteiligte tun müssen

Nur jemand, der am Unfall beteiligt war, kann Unfallflucht begehen. Doch beteiligt ist jeder, der irgendwie dazu beigetragen haben könnte, dass der Unfall passiert ist.

Beispiel: Ein Fußgänger läuft bei Rot über die Straße, die heranfahrenden Autos müssen abbremsen. Es kommt es zu einem Unfall. Neben den beteiligten Fahrern muss auch der Fußgänger am Unfallort bleiben.

Jeder Unfallbeteiligte hat zwei Pflichten: Er muss angeben, dass er am Unfall beteiligt sein könnte. Und er muss die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und die Art der Beteiligung an dem Unfall ermöglichen, indem er vor Ort bleibt. Er ist jedoch nicht dazu verpflichtet, sich dazu zu äußern, ob ihn eine Schuld an dem Unfall trifft.

Wenn niemand da ist, muss der Unfallbeteiligte eine angemessene Zeit warten, selbst wenn nicht damit zu rechnen ist, dass in absehbarer Zeit der Geschädigte vorbeikommt. Das gilt auch für Wildunfälle. Letztlich kann jeder, der des Weges kommt, die Angaben zur Person entgegennehmen: Er muss bereit sein, die Informationen an den Geschädigten weiterzugeben – kein Fall, der in der Praxis häufig vorkommt.

Einer aussichtslosen Warterei entgeht der Unfallbeteiligte, indem er sofort die Polizei verständigt. Sie nimmt seine Daten auf. Entscheidet er sich fürs Warten, muss er nicht bis in alle Ewigkeit ausharren. Wie lange er bleiben muss, hängt davon ab, wie schwer der Unfall war, wo und zu welcher Tages- oder Nachtzeit er passiert ist. Auch die Verkehrsdichte und die Witterung spielen eine Rolle. „Wenn niemand verletzt wurde, ist man mit 30 Minuten meist auf der sicheren Seite“, sagt Rechtsanwalt Samimi.

Manchmal liegt der Unfallflucht kein böser Wille zugrunde: Beim Ein- oder Ausparken touchiert der Fahrer ein anderes parkendes Auto. Um nicht warten zu müssen, klemmt er einen Zettel mit Angaben zum Unfall und der eigenen Person unter den Scheibenwischer. Das reicht nicht aus. Wer jetzt wegfährt, macht sich strafbar. Schließlich könnte ein Windstoß den Zettel wegwehen.

Warten allein reicht nicht

Nachdem der Fahrer eine angemessene Zeit gewartet hat, darf er den Unfallort verlassen. Damit ist die Angelegenheit aber noch nicht erledigt. Der Unfallbeteiligte muss sich jetzt offenbaren und Angaben zur Person und zum Fahrzeug machen und beschreiben, inwiefern er am Unfall beteiligt gewesen sein könnte. Dazu wendet er sich am besten an eine nahegelegene Polizeistation. Er könnte sich auch direkt beim Geschädigten melden, aber den kennt er ja meist nicht.

Unfallflucht kann nur vorsätzlich begangen werden. Der Unfallbeteiligte muss gemerkt haben, dass es einen Unfall gab. Die Staatsanwaltschaft und die Polizei müssen beweisen, wer das Fahrzeug gesteuert hat und dass der Anstoß bemerkt wurde.

Ärger mit der Versicherung

Neben Führerscheinverlust, Geld- oder Freiheitsstrafe droht auch Ärger mit der Versicherung. Auf dem eigenen Schaden bleibt der Unfallverursacher meist sitzen, auch wenn er eine Vollkaskoversicherung hat. Denn wenn der Versicherte Fahrerflucht begangen hat, muss der Kaskoversicherer in der Regel nicht oder nur anteilig zahlen. Schließlich ist der Versicherte verpflichtet, den Versicherer sofort über einen Schaden zu informieren. Tut er das nicht, verletzt er eine Aufklärungsobliegenheit.

Aber nicht jede Unfallflucht gilt als eine solche Pflichtverletzung. Hat der Versicherte zwar nicht die Polizei, aber seinen Kaskoversicherer sofort nach dem Unfall informiert, sei dessen Aufklärungsinteresse Genüge getan. Dann müsse der Versicherer den Schaden ausgleichen, urteilte der Bundesgerichtshof (Az. IV ZR 97/11).

Finanztest-Tipps

Späte Einsicht. Wenn Sie beim Ein- oder Ausparken ein stehendes Auto rammen und zunächst davonfahren, kommen Sie unter Umständen um die Strafe herum. Dazu müssen Sie den Unfall innerhalb von 24 Stunden bei der Polizei melden. Das Gericht mildert die Strafe oder sieht ganz davon ab, wenn der Schaden unter 1 300 Euro liegt.

Strenger Vorwurf. Werden Sie der Fahrerflucht beschuldigt, kann es sich lohnen, einen Rechtsanwalt einzuschalten. Vielleicht kann er die Einstellung des Strafverfahrens erreichen.

Löchriger Rechtsschutz. Die Rechtsschutzversicherung übernimmt zunächst die Kosten der Verteidigung. Werden Sie allerdings verurteilt, wird der Versicherer die verauslagte Summe zurückverlangen. Wird das Verfahren eingestellt, zahlt die Versicherung.

( (ftd) )