Auto

Segeln für die Freundschaft

| Lesedauer: 7 Minuten
Oliver Klempert

Die „Tripartite“ ist eine Traditionsregatta der ehemaligen Alliierten in der Hauptstadt. Nun feierte sie ihr 70. Jubiläum

Die Segelboote mit den ungewöhnlichen Namen sind schnell an der Startlinie vorbei: „Lake Huron“ steht bei einem am Bug. Ein anderes heißt „Lake Michigan.“ Es sind die Namen von Seen, die entlang der kanadisch-US-amerikanischen Grenze liegen. Dabei sind wir immer noch auf dem Wannsee – doch die Boote vom Typ Randmeerjolle starten sozusagen unter amerikanischer Flagge. Im Hintergrund ist das Vereinsheim der Boote zu sehen – der American International Yacht Club. Die Boote treten bei der sogenannten Tripartite an, einer Traditionsveranstaltung, bei der sich drei Segelklubs miteinander messen: der Deutsch-Britische Yacht Club aus Spandau, der französische Club Nautique Français de Tegel aus Reinickendorf sowie der American International Yacht Club aus Zehlendorf.

Es sind die Segelklubs der ehemaligen Alliierten. Bei schönstem Wetter, blauem Himmel, dafür aber recht wenig Wind, feiern sie „70 Jahre Tripartite“. Im Jahr 1947, zwei Jahre nach Kriegsende, war die Regatta in Berlin von den damaligen Besatzungsmächten zum ersten Mal ausgetragen worden. Schon kurz nach Kriegsende 1945 hatten die drei Westalliierten in Berlin nach Freizeitmöglichkeiten gesucht, um der Truppe etwas Zerstreuung bieten zu können – und die Segler unter ihnen hatten schnell die großen Gewässer der Stadt für sich entdeckt. Erstmalig wurde im Jahr 1946 gemeinsam gesegelt – seit Sommer 1947 begegneten sich die Segler zum regelmäßigen Wettstreit auf Wannsee und Tegeler See.

Fester Bestandteil des alliierten Freizeitsports

Zu der bunten Flotte der Klubs gehörten Jollen, Jollenkreuzer und Nationale Kreuzer, die den Krieg unbeschadet überstanden hatten. Diese Tradition sollte für die nächsten Jahrzehnte fester Bestandteil des alliierten Freizeitsports in Berlin werden – 1947 war somit die Geburtsstunde der „Tripartite“ – ein Name, der eine zwischen drei Parteien abgeschlossene Vereinbarung beschreibt. Die Regatta, bis 1961 als sogenannter Inter Service Cup ausgetragen, heißt selbst seit 1961 so und ist eine bis heute weltweit einmalige Veranstaltung.

Nicht zuletzt deshalb, weil es eine Regatta ist, die bis zum heutigen Tag der Völkerverständigung dient. Denn obwohl die Alliierten im Jahr 1994 aus Berlin abgezogen sind, wird bis heute ein enger Kontakt gepflegt. So sagt Alain Guigonis, Vorsitzender des Club Nautique Français de Tegel, vor dem Start: „Die Freundschaft ist eigentlich nie abgerissen.“ Der Vater des 57-Jährigen war von 1975 bis 1978 als Offizier in der Stadt stationiert, bereits im Alter von 17 Jahren nahm Alain Guigonis daher zum ersten Mal selbst an der „Tripartite“ teil. Später studierte er an der Technischen Universität Architektur, eröffnete hier sein Architekturbüro und fand seine Heimat. „Wir haben viel Zeit und Mühe investiert, um die Kontakte zwischen den Klubs zu pflegen und nicht abreißen zu lassen“, erklärt er. Ziel: nicht zuletzt mithilfe des Segelsports die französische Lebenskultur in der Stadt zu erhalten. „Deshalb bieten wir in unserem Verein auch einen zweisprachigen Segelunterricht an“, erklärt er, „und es ist uns gelungen, den Zusammenhalt der ehemaligen Alliierten über die Wendezeit hinaus zu retten.“

Das heißt jedoch nicht, dass es auf dem Wasser nur harmonisch zugeht – wie bei jeder anderen Regatta auch wird hart um beste Startpositionen und Plätze gekämpft. „Raum, Raum“, schallt es etwa plötzlich über den Wannsee – auf wenigen Zentimetern rangeln zwei Boote direkt vor dem Start. Im Hintergrund, wie zur Beschwichtigung, wehen unterdessen die drei Landesfahnen von Frankreich, den USA und Großbritannien auf dem Steg des American International Yacht Clubs. Gestartet wird bei der „Tripartite“ nämlich hintereinander weg in verschiedenen Bootsklassen, sodass es mal geruhsamer zugeht und mal hektischer.

Mit dabei sind in diesem Jahr etwa neun Optimisten, sechs Laser Radial sowie sechs Laser Standard, drei 420er, zwölf Randmeerjollen, drei Schwertzugvögel sowie drei Boote vom Typ Bosun. Zuvor hatte es in den einzelnen Klubs Ausscheidungswettkämpfe gegeben, wer für den jeweiligen Klub an den Start gehen durfte. Insofern treffen sich hier heute mit die besten Segler der ehemaligen Alliiertenvereine zum Wettstreit. Insgesamt ist die Regatta in diesem Jahr sehr gut besetzt.

Mit dabei ist etwa auch Robin Beus. Der 73-Jährige war neun Jahre lang Commodore des American International Yacht Clubs. Ursprünglich stammt Beus aus Idaho, lebt aktuell in Südfrankreich – kommt aber jedes Jahr für vier bis sechs Wochen in die Hauptstadt, um hier englischsprachigen Segelunterricht anzubieten. Seit nunmehr 30 Jahren ist der ehemalige Sportlehrer der John-F.-Kennedy-Schule Mitglied im Verein. Heute ist er auf einer Randmeerjolle mit dabei. Auch er sagt: „Die alten Verbindungen haben sich gehalten – auch nach so langer Zeit.“

Erst kurz in dem amerikanischen Klub segelt indes Yola Hanke. Die 15-Jährige ist erst seit zwei Jahren in dem Verein, segelt Optimist, seit sie acht Jahre alt ist, und ist nun auf einem 420er an den Start gegangen. „In diesem Verein hat man das Gefühl, ein wenig näher an der Geschichte der Stadt dran zu sein“, sagt sie. Auch in der Schule sei das Thema Nachkriegszeit in Berlin und Teilung der Stadt schon behandelt worden. In der Tat ist die Geschichte der drei westalliierten Segelklubs seit jeher eng mit der Berliner Geschichte verwoben. Der britische Yachtklub diente 1948 während der Berliner Blockade etwa als Wasserflughafen, um die Berliner mit Zucker und Kohle zu versorgen. Sunderland-Flugboote der Royal Air Force, aus Hamburg kommend, landeten damals mit Kohle, Salz und Backpulver zwischen Grunewaldturm und Großem Fenster auf der Unterhavel. Der American Yacht Club wurde erst durch den Fall der Mauer und den Abzug der Alliierten ein Verein, bei dem sich jeder Segler und jede Seglerin bewerben konnte. All dies ist längst Geschichte – aber eben auch unvergessen.

Die letzte interalliierte Regatta wurde schließlich 1993 vom Berlin British Yachtclub ausgerichtet und auf der Unterhavel gesegelt. In den 47 Jahren der interalliierten Regatta konnten die amerikanischen Segler den Cup dabei lediglich einmal gewinnen. Sie glichen jedoch die navigatorischen Unwägbarkeiten durch ihre legendären Barbecues aus. Die überwiegende Anzahl der Siege teilten sich hingegen Briten und Franzosen – eine Tradition, die auch in diesem Jahr fortgesetzt wurde.