Oxford. Viele Menschen leiden noch Wochen und Monate nach einer Corona-Infektion an Spätfolgen. Die Betroffenen klagen über Müdigkeit, Muskelschmerzen oder Depressionen. Diese verschiedenen Symptome werden mittlerweile unter dem Begriff Long-Covid zusammengefasst.
Wie häufig Long-Covid auftritt, ist allerdings immer noch schwer abzuschätzen. Denn viele der Symptome sind sehr unspezifisch und können auch andere Ursachen als eine Corona-Erkrankung haben.
Eine britische Studie hat mithilfe einer Vergleichsgruppe von Grippe-Erkrankten versucht, die Häufigkeit von Long-Covid besser einzuschätzen. Die Forscherinnen und Forscher stellten dabei fest, dass auch bestimmte Symptome bei Influenza weit verbreitet sind.
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Long-Covid-Symptome auch bei Grippe
Laut der Studie hatten 57 Prozenten aller Corona-Patienten Symptome, die Long-Covid zugerechnet werden. Ältere Menschen und Frauen waren häufiger betroffen. In einem standardisierten Vergleich beider Gruppen konnte aber auch bei 43 Prozent aller Grippeerkranken Auffälligkeiten beobachtet werden. Sie hatten mindestens ein typisches Long-Covid-Symptom innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten.
Die Ergebnisse sind im Fachjournal PLOS Medicine veröffentlicht worden. Für die Studie schauten sich die Wissenschaftler nachträglich die Gesundheitsdaten von etwa 273.618 Patienten mit einer Corona-Infektion und 114.449 Patienten mit einem Influenza-Infekt an. Die Forschenden analysierten die ersten sechs Monate nach Erkrankung und zusätzlich den Zeitraum von drei bis sechs Monaten nach Infektion.
Long-Covid: Abgeschlagenheit, Schmerzen, Atembeschwerden
Als typische Long-Covid-Symptome hatten die Wissenschaftler unter anderem Atembeeinträchtigung, Niedergeschlagenheit, Brust- und Halsschmerzen, Kopfschmerzen, Muskelschmerzen, Angstzustände und Depressionen identifiziert.
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Späte Symptome treten der Studie zufolge, nach einer Infektion mit dem Coronavirus signifikant häufiger auf als bei einer Grippe. Außerdem leiden Corona-Patienten auch häufiger im Nachhinein an mehreren Beschwerden gleichzeitig. Trotzdem zeigt die Studie auch, dass bei einem nicht unwesentlichen Teil von Grippe-Kranken bestimmte Symptome noch Monate später auftreten.
Forscher mit Aussagen über Long-Flu noch sehr vorsichtig
Angststörungen und Depressionen waren bei beiden Erkrankungen nach drei bis sechs Monaten fast gleich häufig. Etwa 14 Prozenten aller Menschen mit einer Grippe litten unter diesen Beschwerden. Während auch Kopfschmerzen nach einer Grippe oder Covid-19 etwa gleich oft festgestellt wurden, war die Häufigkeit für Atembeschwerden bei Corona-Patienten doppelt so hoch. Symptome in der Magengegend traten mit circa sieben Prozent vergleichsweise oft nach einer Grippe auf.
„Es könnte durchaus sein - die Betonung liegt auf ‚könnte‘, dass es so etwas wie ‚Long-Flu‘ gibt, das einfach deshalb ignoriert wurde, weil es nicht so viel Aufmerksamkeit wie aktuell Covid bekommt,“ sagte der Autor der Studie, Maxime Taquet von der Universität Oxford, gegenüber der British Broadcasting Corporation (BBC).
Eine Studie der Technischen Universität Braunschweig hatte beispielsweise 2018 bei Mäusen festgestellt, dass ihr Gehirn Monate brauchte, um sich von einer Influenza-Erkrankung zu erholen. Auf den Menschen gerechnet, könnten das mehrere Jahre sein.
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Jetzt sei eine gute Gelegenheit, die Langzeitfolgen von Viruserkrankungen besser zu erforschen, sagt der Forschte Maxime Taquet: „Vielleicht hat Covid dieses Zeitfenster geschaffen, in dem wir uns darauf konzentrieren können, wie lange es dauert, sich von einer Infektion vollständig zu erholen. Jetzt, wo wir die Mittel haben und wissen, wie es geht, können wir damit beginnen, die gleichen Dinge für andere Infektionen zu untersuchen.“