Berlin. „Tordow“ späht Passwörter und sensible Daten aus, „Acecard“ will sich Fotos von Ausweisdokumenten ergaunern. Und „Gugi“ blockiert im schlimmsten Fall das ganze Smartphone. Tordow, Acecard und Gugi sind Trojaner, die Android-Handys infizieren können. Wer sein Smartphone schützt, ist deshalb eigentlich gut beraten. An guter Beratung scheint es beim Mobilfunkanbieter Klarmobil jedoch zu mangeln. Stattdessen berichten Kunden von aggressivem Telefonmarketing, unseriös wirkenden Telefonmitarbeitern und „Angstmacherei“.
Am Telefon böten Klarmobil-Mitarbeiter demnach ein Virenschutzprogramm für 2,99 Euro monatlich an. Begründung: Momentan sei ein Trojaner unterwegs, der sich rasant verbreite und für horrende Telefonrechnungen sorge. Das Virenschutzprogramm stelle Klarmobil per SMS zur Verfügung. Ein Download über das Online-Kundenportal sei nicht möglich. Bestehe kein Interesse, würden die SMS auch nicht versandt.
Panikmache am Telefon
Bereits vor gut einem Jahr, im Dezember 2015, beschwerte sich eine Kundin auf der Facebook-Seite von Klarmobil. Ob der Panikmache durch den Klarmobil-Mitarbeiter fragte sie verunsichert, ob sie auf einen Betrüger hereingefallen sei, als sie den Vertrag über die fragwürdige Zusatzoption abschloss. Seither berichten auch andere Klarmobil-Nutzer regelmäßig von ähnlichen Fällen. Im Oktober dieses Jahres häuften sich derartige Vorfälle offenbar. Auch in den Kommentaren unter dem Facebook-Post beschwerten sich Nutzer zuletzt Mitte Oktober.
Klarmobil äußerte sich in der Kommentarfunktion mehrfach dazu. Einem Betrug seien die Nutzer nicht aufgesessen, sicher habe ein Callcenter-Mitarbeiter die Antivirus-Option angeboten. „Es war sicher keine Absicht, Dir Angst zu machen oder Dich zu verunsichern“, beschwichtigte damals Klarmobil eine Nutzerin. „Sicher hat es der Kollege mit seinen Ausführungen ein wenig übertrieben“, hieß es weiter.
Virusschutz als Zusatzoption zum Handyvertrag
Auf Anfrage unserer Redaktion bestätigte Klarmobil, seinen Kunden einen Virusschutz per SMS zur Verfügung zu stellen. Dabei handle es sich um „Norton Mobile Security“, das Klarmobil-Kunden für monatlich 2,99 Euro als monatlich kündbare Zusatzoption zu ihrem Vertrag buchen könnten. Es biete „Schutz vor digitalen Bedrohungen, Kontrollen zum Schutz der Online-Privatsphäre, Hilfe, ein verlorenes oder gestohlenes Gerät zurückzubekommen, sowie die Möglichkeit der Wiederherstellung oder Verwaltung von Kontaktinformationen“.
Das Abonnement sei lediglich für ein Gerät nutzbar. Die Kosten belaufen bei einem monatlichen Preis von 2,99 Euro auf insgesamt 35,88 Euro für ein Jahr. Die Krux: Bucht ein Nutzer das Angebot, oder zumindest ein vergleichbares Abonnement, direkt bei Norton, kostet es lediglich 29,99 Euro pro Jahr – und steht für mehrere Geräte zur Verfügung.
Bedrohungsszenarien von Klarmobil nicht gewollt
Zu den Telefonanrufen durch Klarmobil-Mitarbeiter teilte das Unternehmen auf Anfrage zudem mit: „Es ist nicht im Interesse des Unternehmens, dass einzelne Agents im Rahmen eines Telefongesprächs Kunden mit überspitzten ‘Bedrohungsszenarien’ konfrontieren. Da das Unternehmen auch mit externen Callcentern zusammenarbeitet, möchten wir ein solches Vorkommnis nicht gänzlich ausschließen.“ Die Beschwerdefälle würden zum Anlass genommen, „etwaige Mitarbeiter – auch in unseren Callcentern – noch einmal explizit zu schulen“.
Schulungsbedarf ist offenbar vorhanden, denn was die Mitarbeiter den Kunden am Telefon erzählen, ist Klarmobil nicht immer bekannt. Dem Unternehmen lägen der Stellungnahme zufolge keine Informationen über spezielle Trojaner und Viren vor, vor denen sich Smartphone-Nutzer derzeit besonders schützen sollten. Vielmehr gehe es um einen „Schutz vor allgemeinen, vielfältigen Bedrohungen“.
Marktwächter kennen derartige Beschwerden
Auch den Marktwächtern der Verbraucherzentralen und des Verbraucherzentrale Bundesverbands sind derartige Beschwerden bekannt. Allerdings bezögen sich diese nicht explizit auf Klarmobil, sondern auf den Mobilfunkprovider Mobilcom-Debitel. Klarmobil ist die Discount-Marke und 100-prozentige Tochtergesellschaft von Mobilcom-Debitel. Beide Unternehmen gehören zur Freenet-Gruppe.
Beschwerdezahlen dürfen die Marktwächter nicht veröffentlichen. Ihnen geht es um die Marktbeobachtung aus Verbrauchersicht. Sie erfassen, analysieren und werten Verbraucherbeschwerden aus und beschreiben sich selbst als „Frühwarnsystem“ für problematische Entwicklungen. Auf der Internetseite der Marktwächter können Verbraucher über ein Formular Beschwerden stellen.
Verbraucherzentralen geben Tipps zum Widerruf
Auch Handlungsratschläge geben die Marktwächter nicht. Für Beratungsangebote sind stattdessen die regionalen Verbraucherzentralen zuständig. Auf ihrer Internetseite gibt etwa die Verbraucherzentrale NRW Tipps, wie Verbraucher, die einen Vertrag telefonisch abgeschlossen haben, von ihrem Widerrufsrecht Gebrauch machen.
Sollte also etwa ein Klarmobil-Kunde die Antivirus-Option am Telefon abgeschlossen haben, weil er von dem Anruf überrumpelt und verunsichert wurde, hat er demnach mindestens 14 Tage Zeit, vom Vertrag zurückzutreten.