Verbraucherschutz

Parabene werden zum Hormon-Cocktail im Lippenstift

| Lesedauer: 4 Minuten
Tanja Tricarico
Bei den falschen Inhaltsstoffen kann Lippenstift ungesund sein.

Bei den falschen Inhaltsstoffen kann Lippenstift ungesund sein.

Foto: imago stock&people / imago/Westend61

Sie stecken in Lebensmitteln oder Kosmetika: Chemikalien, die im Körper aktiv sind. In der EU wird über strengere Regeln gestritten.

Essen.  Kräftig in der Farbe, dauerhaft und möglichst geschmeidig – so soll ein Lippenstift sein. Damit Farbe und Form des Kosmetikartikels besonders lange halten, helfen Konservierungsstoffe. In vielen Fällen greifen die Hersteller auf sogenannte Parabene zurück. Sie gehören zur Stoffgruppen der sogenannten endokrinen Disruptoren, also Chemikalien, die hormonell wirken. Doch wie gefährlich sind diese Hormoncocktails?

Im Mundstück eines Schnorchels etwa finden sich diese Stoffe genauso wie in der Dichtung eines Flaschenverschlusses oder in der Innenbeschichtung von Konserven. Andere Chemikalien aus der selben Stoffgruppe werden für mikrowellenfeste Plastikbehälter oder Thermopapier verwendet. Hinzu kommt ihr Einsatz in der Landwirtschaft. Dort werden sie etwa Schädlingsbekämpfungsmitteln beigemengt. Die Liste der Waren, in denen die Chemikalien stecken, ist lang. Sie machen die Produkte weich, haltbar, hitzebeständig oder weisen Fett ab.

Verbraucherschützer wünschen sich stärkere Grenzen

Doch die Stoffe haben offenbar auch erhebliche gesundheitliche Nebenwirkungen. Experten vermuten, dass die Chemikalien Stoffwechselerkrankungen, Prostata- und Brustkrebs oder Diabetes verursachen und der Grund für Unfruchtbarkeit sind.

Die EU-Kommission arbeitet derzeit an Änderungen der Pestizid- und Biozidverordnung. Im Zuge dessen wird über einheitliche Kriterien für die Zulassung dieser endokrinen Disruptoren beraten. Die aktuelle Vorlage sieht vor, dass die Vorgaben deutlich weniger streng ausfallen, als Umwelt- und Verbraucherschützer sich dies wünschen. Nicht die wissenschaftliche Erkenntnis zählt, dass diese Inhaltsstoffe gesundheitsschädlich sein könnten, sondern die Menge soll ausschlaggebend sein. Das heißt: Erst wenn ein Schaden für Mensch und Umwelt nachgewiesen werden kann, kann der Stoff auch verboten werden.

Bundesregierung hält sich zurück

Für Peter Meiwald, Sprecher für Umweltpolitik bei den Grünen im Bundestag, verpasst die EU-Kommission damit die Chance, Kriterien zu verabschieden, die einen hohen Schutz von Mensch und Umwelt sicherstellen. „Das widerspricht dem Vorsorgeprinzip und dem Umgang mit anderen schädlichen Stoffen, zum Beispiel krebserzeugenden Chemikalien“, sagt Meiwald. Er fordert die zuständigen Ministerien Umwelt und Landwirtschaft auf, sich in Brüssel für eine komplette Überarbeitung der Kriterien einzusetzen.

Tatsächlich zeigt sich die Bundesregierung aber zurückhaltend. Wie aus einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen hervorgeht, werden derzeit die Vorschläge der EU-Kommission noch geprüft. Eine eindeutige Stellungnahme liegt damit noch nicht vor.

Biologin: Stoffe gefährden Mensch und Umwelt

Es ist bereits der zweite Anlauf, den die EU macht, um die Zulassung solcher Stoffe zu regeln. Erst durch einen Beschluss des Europäischen Gerichtshofs im vergangenen Jahr wurde das Verfahren wieder aufgenommen. „Diese Stoffe gefährden Mensch und Umwelt“, sagt Susanne Smolka vom Pestizid-Aktions-Netzwerk PAN. Die Organisation informiert über den negativen Einsatz von Pflanzen- und Schädlingsbekämpfungsmitteln und fordert Alternativen.

Die Kriterienvorschläge, die jetzt von der EU-Kommission auf den Tisch gelegt wurden, sind für die Diplombiologin ein „echter Rückschritt für den Umwelt- und Verbraucherschutz“. Schließlich gebe es für Landwirte Alternativen, um ihre Pflanzen und Felder zu schützen und gegen Schädlinge vorzugehen. Auch Smolka fordert die Bundesregierung auf, sich gegen diese Kriterien zur Wehr zu setzen und gleichzeitig die Bevölkerung besser über die Wirkung der Hormonschadstoffe zu informieren. In Schweden, Dänemark oder Frankreich gibt es bereits solche Aktionspläne. Diese EU-Staaten sprechen sich auch für deutlich schärfere Zulassungskriterien aus.

Gefahr liegt in der Summe der Stoffe

Kosmetikhersteller bezweifeln jedoch deren gesundheitsschädliche Wirkung. „Eine Vielzahl anerkannter wissenschaftlicher Studien und auch die Aufsichtsbehörden bestätigen die Sicherheit und gesundheitliche Unbedenklichkeit der betreffenden Inhaltsstoffe“, so ein Sprecher des Industrieverbands Körperpflege- und Waschmittel. „Für unsere Mitgliedsunternehmen haben sichere Produktanwendung und die Gesundheit der Verbraucher höchsten Stellenwert.“ Der Verband wehrt sich gegen die „ungerechtfertigte Verunsicherung“ der Verbraucher.

Davon kann für Manuel Fernandez vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) keine Rede sein. „Wir wollen keine Panik machen“, sagt Fernandez. „Ein einzelner Stoff, wie Bisphenol A im Plastikbehälter oder Propyl-Parabene in der Creme werden nicht krank machen.“ Allerdings kommt es auf die Kombination an. „Die Gefahr liegt in der Summe“, sagt Fernandez.