In der Wohnung von Morinosuke Kawaguchi, dem Top-Erfinder Japans, geht es überraschend verspielt zu. Lötkolben, Schraubenzieher, Reißbretter oder Computer, all die Dinge, die man mit einem Tüftler verbindet, sucht man vergebens.
Stattdessen zieren kleine Modellpanzer und -kriegsflugzeuge die randvoll gefüllten Bücherregale. Und auf dem Tisch stehen Schachteln mit verrücktem Spielzeug. Ein drei mal drei Zentimeter großer Quader mit Gumminoppen simuliert beim Druck auf die Noppen ein Geräusch, das beim Zerdrücken von Luftblasen einer Luftpolsterfolie entsteht. Daneben liegt ein Plastikwürfel, der Packungsaufreißfetischisten ununterbrochenes Packungsaufreißvergnügen garantiert. Ein Zug an einer gezackten Gummilasche, die mit kleinen Magneten festgehalten wird, hört sich so an, als ob man den eingestanzten Pappstreifen einer Packung Cornflakes aufreißt.
Der 49-jährige Top-Entwickler und -Erfinder Morinosuke Kawaguchi ist Dozent am Tokioter Institut of Technology und Associate Director des Beratungsunternehmens Arthur D. Little in Japan. Er spielt nicht aus Langeweile. Die vermeintlich sinnfreien Lustobjekte sind sein Arbeitsmittel, das Spielzeug inspiriert ihn - und mit ihm auch die Elektronikriesen. Kawaguchi ist der Design-Guru der japanischen Hersteller. Er entwirft Laptops, Handys, Gadgets und berät asiatische Firmen auf ihrem Weg zu neuem elektronischem Gerät. Seine Botschaft lautet: Für die nächste Stufe der technischen Entwicklung müssen die Ingenieure den Nutzen der Elektronik zurückstellen - stattdessen müssen Emotionen und Spieltrieb befriedigt werden. "Mit dem rasanten technischen Fortschritt sind Tablets, Laptops, Smartphones zur Massenware verkommen, die von mehr und mehr Firmen verramscht werden", sagt Kawaguchi. Technik und Nutzen seien nicht mehr wichtig. Wer sich von der Konkurrenz absetzen wolle, müsse den Gefühlshaushalt mit ins Smartphone, in den Tablet-Computer und in die Kamera designen.
Auch Apples iPhone folgt diesem Trend, haben die Entwickler doch eine Bedienoberfläche geschaffen, die man am liebsten streicheln möchte. Die Rückseite der ersten Version wurde sogar von Japanern mit einer speziellen Technik poliert, die auf traditionelle Methoden zurückgeht. Japanische Lackwaren mit ihren zig Schichten handpolierten Baumharzlacks werden von Sammlern weltweit für ihre schwer beschreibbare Tiefe und warm-glatte Oberfläche gerühmt.
Kawaguchi arbeitet daran, dass das Handy der Zukunft seinen Besitzern ein ähnliches Gefühl der Sicherheit vermittelt wie die Kuscheldecke von Charly Browns Freund Linus. Das Interface muss emotional packen, zum Bedienen einladen, quasi süchtig machen. "Das traditionelle Engineering eliminiert diese Aspekte immer, weil sie als unernst gelten", kritisiert Kawaguchi.
Die Ingenieure sollten sich lieber die Spielzeugentwickler zum Vorbild nehmen. Die müssten ihre Kunden emotional fesseln, sonst bleibe das Spiel liegen. Oder welches Kind wolle schon etwas haben, nur weil es nützlich ist?