Kulturmacher

Der König des Boulevards

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Tanja Laninger

Intendant Martin Woelffer leitet die Komödie und das Theater am Kurfürstendamm in der dritten Generation. Seit zehn Jahren kämpft er um den Erhalt der Traditionshäuser

Wenn man mit Martin Woelffer über Theater spricht, muss man über Immobilien reden. Denn ein Theater braucht eine Bühne. Und die braucht ihren Raum. Doch der gehört Woelffer nicht. Er hat die Flächen im Kudamm-Karree nur gemietet, so wie das viele Theatermacher tun. Doch kaum einer musste deswegen um den Fortbestand seines Hauses derart bangen wie der 50-Jährige und seine Crew.

Vor zehn Jahren etwa begann der Kampf um das Theater und die Komödie am Kurfürstendamm 206/209 – um die zwei Bühnen, deren Intendant Martin Woelffer ist. Der damalige Eigentümer, die Deutsche Bank, teilte die Kündigung mit. Man kann sagen, dass Woelffer und mit ihm etwa 70 Mitarbeiter und Hunderte Schauspieler diesen Kampf gewonnen haben. Bis heute wird auf beiden Bühnen gespielt. Man muss nur hinzufügen, dass der Kampf wohl nicht ausgefochten ist.

„Mein Vater und ich waren damals in Frankfurt bei der Bank, deren Vertreter uns mit breitem Grinsen von ihrer Entscheidung – der Kündigung – berichteten. Auf dem Weg zurück nach Berlin haben wir beschlossen, dass ich die Intendanz übernehme. Um klar zu machen: Es gibt einen Generationenwechsel. Wir glauben an die Zukunft“, sagt Woelffer. Er hatte schon vor 2004 im Intendanzbüro seines Vaters Jürgen Woelffer gearbeitet. Und war damit der Familientradition gefolgt.

Martins Großvater Hans Wölffer, ein Pianist aus Schleswig, hatte 1933 nach Max Reinhardt die beiden Boulevardtheater übernommen und sie bis zur Enteignung durch die Nazis 1943 geführt. Nach dem Krieg führte er die Geschäfte weiter. In den 70er-Jahren übernahm sein Sohn Jürgen die Geschäftsführung – und stand auch auf der Bühne. Auf diese Bretter wollte Enkel Martin nie. Und seine beiden Kinder zeigen auch noch keine Ambitionen. Aber das kann, wie bei Martin Woelffer, ja noch kommen.

Im West-Berlin der Alternativen

Martin Woelffer kam in Lüdenscheid zur Welt. Aufgewachsen ist er in Westend, im West-Berlin der Alternativen und Oppositionellen. Theatermachen „am spießigen Kurfürstendamm“ kam für den Jugendlichen nie in Frage. Und für Hausbesetzungen fühlte er sich noch zu jung. „Ich kannte aber viele Hausbesetzer und habe bei ihnen übernachtet“, sagt Woelffer. Nächte, denen Komödie und Theater am Kurfürstendamm ihren Fortbestand verdanken. „Ich habe von dieser friedlichen Bewegung gelernt, dass man mit Beharrlichkeit etwas erreichen kann, wenn man mit dem Finger auf Missstände zeigt und wirklich etwas dagegen unternimmt.“

Woelffer studierte an der Freien Universität, ging einige Monate nach Spanien, auch um Abstand zur Familie zu haben. Doch dann starb sein Bruder und einige Jahre darauf die Mutter. Martin Woelffer beschäftigte sich daraufhin mit Familienaufstellung, einer Therapieform, die unerkannte Dynamiken im eigenen Verhalten sichtbar macht, sodass man sich seiner selbst klarer wird. Jahrelang besuchte er Kurse, absolvierte die Ausbildung und führt heute mit einem Kompagnon ein Institut. Gelernt hat Woelffer, „dass ich nicht umfalle, nur weil mich jemand finanziell bedroht“.

Auch das gab Kraft, als die Theater geschlossen und das Karree einem Neubau weichen sollte. Nur damit Investoren die Fläche teurer vermieten und mehr Gewinn erzielen können? Kein Ziel für Woelffer. „Ich wusste nach dem Frankfurt-Termin, dass ich neun Monate Zeit habe.“ Er hat sie genutzt. Er rief Freunde an. Er rief Bekannte an. Er sprach mit Politikern aus dem Wahlkreis, aus dem Bezirk, aus dem Abgeordnetenhaus. „Viele haben uns ihre Unterstützung zugesichert. Und als Tag X mit der Kündigung kam, hatten wir Fürsprecher.“

Die ärgsten Konkurrenten

Immer wieder gingen die Künstler auf die Straße, unterstützt von vielen Berlinern. Der Bezirk sprach sich für den Erhalt des Standorts aus. Inzwischen unterstützt sogar das Land Berlin die Privatbühnen finanziell mit 230.000 Euro pro Jahr. „Das ist als politisches Signal für uns lebenswichtig.“ Aber die Summe sei minimal im Vergleich zur Förderung anderer Häuser, betont Woelffer, der in der Subventionskultur seinen ärgsten Konkurrenten hat. „Die Summe entspricht einem Euro Förderung pro Zuschauer bei uns. Das Renaissance-Theater erhält mehr als 27 Euro, das Maxim Gorki Theater mehr als 150 Euro pro zahlendem Zuschauer.“

So wird der Erfolg der beiden Häuser zum Problem. Die Woelffer-Bühnen sind die besucherstärksten Häuser der Stadt. „Wir haben pro Jahr etwa 220.000 bis 240.000 Besucher in beiden Theatern und damit im Schnitt 10.000 mehr als das Berliner Ensemble und etwa drei Mal so viele wie das mit uns programmatisch vergleichbare Renaissance-Theater“, sagt Woelffer.

Seine Bühnen müssen um die sechs Millionen Euro Umsatz machen, um mit Plus-Minus-Null zu wirtschaften. „Das schaffen wir durch Tourneen und den Verkauf von Stücken. Die Einnahmen an der Berliner Abendkasse reichen nicht.“ Die Buchungen bringen die Stars aus der Komödie – darunter Katharina Thalbach, Oliver Mommsen, Tanja Wedhorn, Herbert Herrmann, Walter Plathe – in den deutschsprachigen Raum.

Derweil hat die Immobilie den Eigentümer gewechselt. Es ist die irische Firma Ballymore. Wegen finanzieller Probleme aber steht sie erneut vor dem Verkauf. „Ich plane den Spielplan für anderthalb Jahre im voraus“, erklärt Woelffer. Sein letztes Gespräch mit Investoren war im Frühjahr 2013. „Wir wissen nicht, was kommt.“ Heute, sagt Woelffer, sei jedem Investor klar, dass das Haus nur mit Theater betrieben werden könne. „Die Politik will das, und die Berliner wollen es auch.“ Und die Nachbarn. Zahlreiche Cafés und Restaurants dürften von der abendlichen Belebung durch das Theaterpublikum profitieren.