– Oliver Lederle ist ein Mann mit robustem Grundgemüt. Aber das Wetter wie es gerade ist, das betrübt ihn ein wenig. Dem Weihnachtsgeschäft ist es nicht zuträglich, wie es da vor seinem Bürofenster kalt und nass die Stadt in graue Novemberhaft nimmt. „Online-Bestellungen“, sagt Lederle, „sind wetterabhängig.“ In dieser Spätherbst-Tristesse kommt noch keine rechte Weihnachtsstimmung auf. Das spürt nicht nur der Einzelhandel in den Einkaufsstraßen, sondern auch ein Veteran des Onlinehandels wie Lederle, Gründer und Geschäftsführer von mytoys.de. Der große Klickansturm vor dem Fest ist erst einmal aufgeschoben.
Dennoch zweifelt keiner, dass er kommen wird. Nicht Lederle, der schon seit 1999 mit seinem Spielzeug- und Kindersachenversender im Online-Handel mitmischt. Und auch niemand sonst, der nur entfernt etwas mit Einzelhandel zu tun hat. Der Mausklick hat längst so viel mit dem Einkaufen zu tun wie Rolltreppefahren im Kaufhaus. Und zwar jedes Jahr noch ein wenig mehr. Mehr als 80 Milliarden Euro Umsatz werden die Deutschen in diesem Jahr für das Einkaufen ausgeben. Fast 30 Milliarden Euro davon – darunter zwei Milliarden aus Berlin – werden Online-Händler auf ihren Konten verbuchen.
Die zwei Monate vor Weihnachten, da geht es dem Online-Händler kaum anders als dem Ladeninhaber, entscheiden darüber, ob das Geschäftsjahr gut oder schlecht wird. In diesen Wochen der Wahrheit werden Online-Shops rund 7,4 Milliarden Euro umsetzen. Das Geld wird Giganten wie Amazon zufließen, gestandenen Mittelständlern wie Mytoys oder dem aufstrebend-aggressiven Modehändler Zalando. Innerhalb weniger Jahre hat das Internet den Einzelhandel aufgemischt. Es hat Opfer wie Quelle und Karstadt gefordert, Ladenschlusszeiten außer Kraft gesetzt, Konsumgewohnheiten verändert. Neue Mitspieler haben den Markt besetzt. Viele von ihnen kommen aus Berlin. Und hier wird auch am nächsten Veränderungsschub gearbeitet.
Zum Beispiel Unter den Linden, gleich um die Ecke der analogen Einkaufsmeile namens Friedrichstraße. Google hat dort die Büroräume seiner Hauptstadt-Repräsentanz angemietet. Vor den Fenstern ist das Wetter so trist wie bei mytoys-Mann Lederle in Kreuzberg. Innen verpackt Thorsten Hermes ein „sehr spannendes Feld“, wie er sagt, in Schaubilder einer Präsentation. Hermes nennt sich „Industry Head Retail“ bei Google Deutschland. Vereinfacht gesagt ist er der Einzelhandels-Beauftragte des Internetkonzerns. Er berät große Online-Händler.
Google hat Nutzer befragt, wie sehr Tabletrechner, beispielsweise Apples iPad, die Kauflust anregen. Die handlichen Fingerwisch-Geräte, so viel wird nach Hermes’ kurzem Vortrag klar, garantieren Online-Häusern steigende Umsätze. 78 Prozent nutzen ihre Tablets bereits für „Shopping-Aktivitäten“. Die Leute vergleichen Preise, Produkte und Ausstattungen, bestellen. Und sie machen das häufig in ruhiger Freizeitstimmung, was für Online-Kaufleute ein Segen ist. „Tablet-Nutzer“, sagt Hermes, „sind entspannt und damit offener für Unternehmensbotschaften.“ Mehr als jeder dritte Tablet-Nutzer sagt von sich auch, er sei spontaner bei Kaufentscheidungen.
Gut für Christian Meermann, seit gut einem Jahr Marketingchef von Zalando in Berlin, davor Unternehmensberater in München. Sein Unternehmen, wie kein anderer deutscher Online-Händler beargwöhnt, beneidet und von Gerüchten umweht, will mit neuen Apps nun richtig ran an die Kundschaft mit den mobilen Internetgeräten. Auch Meermann hat interessante Daten erheben lassen. Läuft einer der kreischenden Zalando-Werbespots im Fernsehen, schnellt wenige Minuten später danach der Zugriff per Tablet oder Smartphone auf die Zalando-Internetseite in die Höhe. Derzeit, sagt Meermann, wird jeder zehnte Zalando-Umsatz-Euro über ein Mobilgerät gemacht. „Das wird extrem steigen.“
Der Grund ist ziemlich simpel. Mobile Geräte, internetfähige Handys und Tablets, schließen eine Zeitlücke, verbinden permanent mit dem Internet und laden damit - zumindest in der Theorie – permanent zum Online-Einkauf ein. In einer Internetwelt, die sich nur auf herkömmlichen Computern und Laptops abspielt, konnte der Offline-Tag hingegen noch recht lang sein. Das Tablet strukturiert den Alltag, vor allem aber die Freizeit, zeitlich bei vielen Menschen neu. Es ist ständiger Begleiter, auch wenn gerade andere Geräte genutzt werden, der Fernseher läuft oder der Laptop aufgeklappt ist. Online-Händler können so leichter in Interaktion mit ihren Kunden treten. Darum wird es in Zukunft gehen.
Und noch einen weiteren Vorteil haben Tablets aus der Kaufmann-Perspektive. Der Google-Mann nennt es „sequentielle Nutzung“. Gemeint ist: Der Einkaufsvorgang kann auf verschiedene Geräte verteilt werden. So in der Art erster Produktcheck über Smartphone, genauer Preisvergleich am PC und abends, entspannt auf dem Sofa, verbindlicher Kaufklick per iPad. Kaufen ständig und überall.
Maria Molland, blonde Amerikanerin, weiß nach eigener Auskunft mobile Geräte besonders gut für ihr Geschäft zu nutzen. Molland leitet die Europageschäfte von Fab. Seit kurzem residiert sie mit ihren Mitarbeitern in Berlin. Fab verkauft durchdesignte Produkte, Kleider,Möbel, Nippes, Geschirr. In Amerika, wo Fab vor nicht einmal zwei Jahren gegründet wurde, hat es mehr als zehn Millionen Kunden. Bereits jeder dritte Kauf erfolgt über Smartphone oder Tablet. In Deutschland seien es noch rund 12 Prozent. „Doch das wird sich schnell ändern“, sagt Molland.
Die Zeit der rasanten Änderungen ist längst nicht vorbei, das geht immer weiter. Mytoys-Gründer Oliver Lederle in Kreuzberg weiß das. Schon in der digitalen Urzeit – es war 1999 – ging er mit seiner Internetseite an den Start. Damals galten EM.TV und Pixelpark noch als große deutsche Nummern im Internetgeschäft. „Google spielte Anfangs für uns keine Rolle, dafür AOL“, sagt Ledere. Viele gingen Pleite, mytoys hielt durch. Was auch daran liegt, dass der Hamburger Versandriese Otto Kapital beisteuert und heute drei Viertel der Anteile besitzt.
Lederle wiegt das aber nicht in Ruhe. Weil er weiß, dass sich alles schnell ändern kann, beschwört er permanent den Start-up-Geist. „Schnelle Entscheidungen sind wichiger als richtige“ lautet so ein Mantra von ihm. Zu viele Konkurrenten tummeln sich, mächtig ist vor allem Amazon. Lederle ist überzeugt, dass es auch bei den Internetkaufhäusern eine Auslese geben wird, dass nicht alle durchhalten werden. „Wir wollen nicht nur überleben, sondern zu den Gewinnern zählen“, sagt er.
Immerhin hat er einem Unternehmen wie Zalando, um das derzeit jede Menge Wirbel veranstaltet wird, etwas wichtiges voraus. Mytoys macht Gewinne. „Seit 2006“, sagt Lederle. Der Umsatz lag im vergangenen Geschäftsjahr bei 240 Millionen Euro. Mehr als 600 Mitarbeiter werden beschäftigt, rund 500 arbeiten in der Zentrale am Kreuzberger Marheinekeplatz. Das Online-Portal hat mittlerweile Ableger in anderen Ländern, darunter Italien, Frankreich und Russland.
Garantiert das langfristig Erfolg? Die gute Nachricht für Online-Händler lautet: Noch kommen Jahr für Jahr mehr Kunden und jene, die schon im Netz bestellen, kaufen immer mehr. Im Jahr 2005 war der Online-Handelsumsatz mit 14,5 Milliarden Euro ungefähr halb so hoch wie in diesem Jahr. Vor genau einer Woche schwappte aus Amerika eine Rekordmeldung herüber. Am sogenannten „Black Friday“, inoffizieller Auftakt für das Weihnachtsgeschäft, setzten die amerikanischen Online-Versender mehr als eine Milliarde Dollar um – an einem einzigen Tag.
Auf der anderen Seite sollte sich kein Online-Händler sicher fühlen, mit Ausnahme vielleicht von Amazon. Gnadenlos wird bei alt eingesessenen Handelsriesen Zögerlichkeit bestraft. Aktuell spürt dies Deutschlands größter Handelskonzern Metro mit seinen Ketten Media Markt und Saturn. Nach jahrelangem Streit im Eigentümerkreis gibt es erst seit diesem Jahr ernst zu nehmende Online-Auftritte. Nicht jeder würde darauf wetten, dass der Handelsgigant diesen Rückstand aufholen kann. Tengelmann-Chef Karl-Erivan Haub, zu dessen Handelsreich Kaiser’s und Obi zählen, räumte unlängst in einem Interview ein: „Amazon ist uns Jahre voraus.“ Tengelmann investiert wie andere traditionelle Handelsunternehmen in hoffnungsvolle Online-Gründungen, beispielsweise Zalando. „Viele dieser jungen Firmengründer versuchen, mit sehr viel Power und Kreativität herkömmliche Anbieter vom Markt zu fegen“, hat Tengelmann-Chef Haub beobachtet.
Im Netz kommt jetzt jene Phase, die Wirtschaftszweige mit einer längeren Historie schon hinter sich haben. Nach aufgeregt-wilden Gründerjahren bemüht man sich nun, seinen Markennamen klar erkennbar zu machen. Zalando aus Berlin hat den Deutschen seinen Namen unter schweißtreibenden Fernsehwerbe-Einsatz in nur vier Jahren eingebläut. Mytoys geht nun nach einer Pause auch wieder mit Spots ins Fernsehen. „Wir betreiben permanent Trial and Error“, sagt Oliver Lederle. Versuch und Irrtum.
Dazu gehört auch ein auf den ersten Blick ungewöhnlicher Weg. Lederle beschreitet ihn seit 2006. Seit dem gibt es eigene mytoys-Läden mit Öffnungszeiten und Verkäuferinnen. 14 sind es schon. „Denn“, sagt Ledere, „ich gehe nicht davon aus, dass irgendwann einmal 100 Prozent des Einzelhandels über das Internet abgewickelt werden.“
Tipp 1: Adresse prüfen
Achten Sie beim Einkauf über das Internet auf das Impressum einer Händlerseite. Hier sollten immer der vollständige Name und die Anschrift des Händlers stehen. Im Streitfall ist es wichtig, einen echten Adressaten zu haben, den man auch verklagen kann.
Tipp 2: Gütesiegel beachten
Suchen Sie nach einem Gütesiegel im Onlineshop, denn seriöse Anbieter sind meist auch als solche zertifiziert. Gängige Gütesiegel werden unter anderem vom TÜV Süd, Trusted Shops, internet privacy standards und EHI Retail Institute vergeben.
Tipp 3: Bewertungen lesen
Kommt Ihnen ein Anbieter unbekannt vor, nutzen Sie Bewertungsportale, um von Erfahrungen anderer zu profitieren. Das Europäische Verbraucherzentrum rät, sich aber nicht nur auf die Ergebnisse eines Portals zu verlassen. Am besten mehrere vergleichen.
Tipp 4: Extra-Kreditkarte nutzen
Insbesondere außerhalb Deutschlands ist die Kreditkarte beliebtes Zahlungsmittel. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Bank, ob eine Rückbuchung bei Ihrer Karte möglich ist. Experten-Tipp: Eine Kreditkarte mit niedrigem Limit nur für die Shopping-Touren im Internet.
Tipp 5: Versandkosten kontrollieren
Bei Online-Shops im Ausland kommen meist teure Versand- und Zollkosten hinzu. Auf guten Webseiten sind diese meist in der Kategorie „Term of scale“ hinterlegt. Stellen Sie vor der Bestellung sicher, dass Sie wissen wie hoch die Folgekosten ihrer Bestellung sind.