Er war ein Sonderling, verrückt nach Manga-Comics und bei der Polizei kein unbeschriebenes Blatt. Mehrere Frauen hatten Tatsuya Ichihashi bereits als Stalker angezeigt, als der 28-Jährige im März 2007 schließlich die junge Britin Lindsay Hawker ermordete.

Die 22-jährige Lehrerin aus Warwickshire hatte in der Stadt Chiba in der Nähe von Tokio Englisch unterrichtet. Für eine Privatstunde hatte sie Ichihashi an jenem Tag in dessen Wohnung besucht. Doch das Treffen endete in einer Katastrophe. Ichihashi vergewaltigte die junge Frau, dann erwürgte er sie. Ihre nackte Leiche begrub er in einer mit Sand gefüllten Badewanne auf seinem Balkon. Die Polizei kam Ichihashi schnell auf die Spur. Doch als die Beamten in sein Appartement kamen, sprang er über die Balkonbrüstung - barfuß und ohne jegliches Gepäck.

Eine zweieinhalbjährige Flucht begann. Tatsuya Ichihashi wurde zum meistgesuchten Mörder Japans, und als er im November 2009 schließlich gefasst wurde, wurde er zum Medienstar. Unerträglich für die Familie des Opfers. Noch in der U-Haft schrieb er ein Buch über seine spektakuläre Flucht, während der er sich sogar ein neues Gesicht operieren ließ. Das Buch wurde ein Bestseller. Nun soll es auch noch verfilmt werden, und der Medienrummel kann wieder beginnen.

Tatsächlich ist "Bis ich verhaftet wurde: Ein Protokoll von ungeschriebenen 2 Jahren und 7 Monaten" eine spannende Beschreibung einer Verfolgungsjagd, die Ichihashi durch 22 Präfekturen führte. 100 000 britische Pfund waren auf ihn ausgesetzt, doch immer wieder gelang es ihm, der Polizei zu entwischen. Ichihashi arbeitete auf einer Baustelle in Osaka und ernährte sich auf der kleinen Insel Ohajima vor Okinawa wochenlang nur von Fisch und Schlangen. Anfangs tarnte er sich nur mit einer Atemmaske. Dann versuchte der Sohn eines Chirurgen und einer Zahnärztin, sein Aussehen selbst mit Nadeln und einem Papiermesser unkenntlich zu machen. Er schnitt sich die Unterlippe ab und zwei Muttermale aus seinen Wangen heraus. Als er schließlich das Geld für eine Operation zusammenhatte, ließ er sein Gesicht komplett verändern.

Das Buch, das er während der Haft schrieb, erklärte er zum "Akt der Reue", denn zu einem Selbstmord sei er einfach zu feige gewesen. Und doch kommt er in dem Werk mit keinem Wort auf den Mord zu sprechen. Er grübelt nur kurz über eine mögliche Todesstrafe und fragt sich, wie es sich wohl anfühle, erhängt zu werden. Im Hafen von Osaka, er war gerade dabei, die Fähre nach Okinawa zu besteigen, nahm die Polizei ihn schließlich fest.

In diesem Juli wurde er wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Ichihashi kniete im Gerichtssaal nieder und verbeugte sich vor der Familie seines Opfers. "Ich bin verantwortlich für ihren Tod", sagte er unter Tränen, "es tut mir wirklich, wirklich leid." Er behauptete sogar, Lindsay Hawker "aus Versehen" umgebracht zu haben. Damit sie nicht um Hilfe schreien konnte, habe er sie festhalten müssen, dabei sei es passiert. Die Anklage nahm ihm das nicht ab: Schließlich sei die junge Lehrerin gefesselt gewesen. "Ich muss", überlegte er damals laut, "während der Tat wie ein Monster auf sie gewirkt haben." Dieses "Monster" wurde allerdings in Japans sozialen Netzwerken wie ein Medienstar gefeiert. Verliebte Fans sprachen dort vom "überaus attraktiven" "Flüchtlingsprinzen Ichihashi", der in den Verhören allzu brutal rangenommen werde, aber sich dem "mutig" stelle.

Die Produktionsfirma Sedic International wagt sich nun an diesen brisanten Stoff. Der japanische Schauspieler Dean Fujioka, der die Rolle des Ichihashi übernimmt, wird selbst Regie führen. Der Film wird die Familie der toten Lindsay wohl noch mehr empören. Die Hawkers hatten bereits gegen die Veröffentlichung des Buches protestiert. "Dies hat der Familie nur noch mehr Leid zugefügt. Das Einzige, was wir wollen, ist Gerechtigkeit für Lindsay", schrieb die Familie in einer Stellungnahme. William Hawker, der mit seiner Frau und den beiden anderen Töchtern im Juli eigens zur Gerichtsverhandlung nach Chiba gereist war, erklärte leidenschaftlich, Ichihashi hätte bei der Mordtat schließlich auch kein Erbarmen gezeigt, und forderte daher die Todesstrafe. Doch das japanische Gesetz sieht die Todesstrafe nur bei Serienmördern vor. Weil es im Falle Lindsay Hawker nur ein Opfer gab, stimmte die Staatsanwaltschaft der Maximalforderung nicht zu. Und so wurde Ichihashi zu lebenslanger Haft verurteilt.

Vor seiner Tat war Tatsuya Ichihashi nichts weiter als ein einsamer Außenseiter. Nach seiner Flucht und dem Medienrummel um sein Buch aber wurde er für viele verrückte Fans zum verruchten, tapferen Herzensbrecher. Dieses absurde Phänomen will die Filmproduktionsfirma Sedic jedenfalls nicht noch weiter vertiefen. "Der Fall hat eine Menge öffentliche Aufmerksamkeit erregt", meint Kensuke Zushi von Sedic, "aber wir haben keinerlei Absichten, Ichihashi in einem positiven Licht darzustellen."