Theater

Die Rache der Putzfrauen

| Lesedauer: 3 Minuten
Katrin Pauly

„Stück Plastik“ in der Schaubühne: Eine mit fieser Garstigkeit durchzogene Farce

Spaghetti überall, sie kleben an den Wänden, matschen auf dem Boden, dazwischen aus der Vase gefallene Schnittblumen und eine üppig verschüttete Bouillabaisse. Wer diese Sauerei später sauber machen muss, ist nicht zu beneiden. Das muss am Ende weg, das war aber mal Kunst. Und zwar eine, das mag die zuständigen Raumpflegefachkräfte der Schaubühne versöhnen, für die Hausautor Marius von Mayenburg eine Putzfrau 140 Minuten lang aufs moralische Podest hebt, als Ruhepol einer um sie herum sich selbst demontierenden Kulturbürgerschicht.

„Stück Plastik“ heißt dieser neue Text von Vielschreiber von Mayenburg, und die Uraufführung inszenierte der Autor zum Abschluss des Festivals Internationale Dramatik (F.I.N.D.) an der Schaubühne selbst. Seine uneingeschränkte Sympathie gilt dabei Jessica Schmitt, eben jener Perle, die im Haushalt von Ulrike (Marie Burchard) und Michael (Robert Beyer) für Ordnung sorgen soll. Der Arzt und die Assistentin eines Konzeptkünstlers sind hoffnungslos überfordert, vom pubertierenden Sohn (Laurenz Laufenberg), von der Arbeit und von ihrer Beziehung.

Vor allem aber von den eigenen Idealen, die sich als so wenig kompatibel mit dem realen Leben erweisen. Was sich, das ist die Pointe, ausgerechnet an Jessica, die Jenny König mit ungemein entwaffnendem Stoizismus ausstattet, entfacht. Wenn man der Putzfrau abgelegte Designer-Kleider schenkt, ist das nur nett oder schon eine Demütigung?

Eine Künstlerparodie

An solchen Fragen entzünden sich die Grundsatzdiskussionen des aufgeklärt-verantwortungsbewussten Bürgertums, die Marius von Mayenburg in präzise, entlarvende Dialoge gefasst hat. Damit das Schaubühnen-Publikum am Spiegel, den es da vorgehalten bekommt, auch wirklich nicht vorbei schaut, fordern die Darsteller in den Zuschauerreihen immer wieder Komplizenschaft ein. Auf Videoleinwänden umkreiseln korrekte Soja-Drinks und die coole Campbell-Tomatensuppe derweil die Köpfe der Protagonisten. Mit dem Auftritt von Konzeptkünstler Serge, Ulrikes Chef, montiert der Autor noch einen Extra-Sprengsatz in die ganz in Weiß designte Küchenlandschaft. Dem ist Bürgerlichkeit völlig schnuppe, mit wechselnden Hipster-Bärten und Action-Installations-Ambitionen macht Sebastian Schwarz aus ihm eine blasiert-zynische Künstlerparodie, die ihm allerhand Lacher einbringt. Überhaupt ist das über weite Strecken ein komischer Abend geworden, eine mit fieser Garstigkeit durchzogene Farce, die in ihren besten Momenten an die eleganten Eskalationen einer Yasmina Reza erinnert. Von Mayenburg hat ein starkes Stück geschrieben, das in seiner eigenen Umsetzung allerdings auch sehr glatt poliert wirkt und zwischendurch unübersehbar auf Effekt gedreht ist, auf die überdeutliche Herausstellung der bei allen schwer brüchigen Selbstinszenierungen.

Nur bei Frau Schmitt bröckelt nichts. Vorerst. Sie bleibt so fleißig, freundlich, friedlich, dass Ulrike, die sonst eher zu peinlicher Gönnerhaftigkeit neigt, ihr das Herz der sexuell unbefriedigten Ehefrau ausschüttet. Sohn Vincent will so rote Fingernägel wie sie und Serge gleich ein Gesamtkunstwerk aus ihr machen, eine „soziale Plastik“, wegen Authentizität und so. Alle wollen Jessica. Nur die will ganz am Schluss nicht mehr. Und die Rache der Putzfrau, die sollte man nicht unterschätzen. Die Sauerei müssen dieses Mal andere wegmachen.

Wieder 20.05., 20 Uhr in der Schaubühne am Lehniner Platz, Kurfürstendamm 153, Kartentel. 89 00 23