Für all jene, die Ina Müller kennen, mag es ein ungewöhnlicher Rahmen für ein Gespräch sein, ist sie den meisten doch vertraut als frivol-derbe Gastgebern in "Inas Nacht", ihrer Late-Night-Show freitags im NDR. Gerade erschien ihr neues Album "Das wär dein Lied gewesen", in ganz Berlin hängen die Plakate mit ihrem Bild. Im März wird sie, auch in Berlin, die Echo-Verleihung moderieren. Warum ausgerechnet sie, die weder in ihren Liedern noch in ihrer Sendung selten ein Blatt vor den Mund nimmt, zu einem intimen Kirchenbankgespräch einlud, erzählt sie im Interview.
Berliner Illustrirte Zeitung: Bei unserem ersten Treffen vor vier Jahren hatte ich Sie nach einem Wunsch gefragt ...
Ina Müller: ... und da habe ich bestimmt gesagt, dass alles so bleibt, wie es ist...
Berliner Illustrirte Zeitung: Nein, Sie sagten, Sie hätten keinen Wunsch. Das habe ich Ihnen nicht geglaubt. Sie hätte ja sagen können, dass Sie ihn nicht verraten wollen ...
Ina Müller: Wenn mich eine Journalistin fragt, welchen Wunsch ich habe, dann sage ich das in dem Moment nicht, weil der ja nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Ich finde es sehr intim, über Wünsche zu reden. Genauso finde ich es sehr intim, über Gefühle zu reden. Ich gebe in meinen Lieder soviel Preis, das ist überhaupt ganz eigenartig: Ich habe überhaupt kein Problem damit, sehr intime Lieder zu schreiben, auf einer Bühne zu stehen und den Leuten mein Herz, meine Seele vor die Füße zu knallen. Aber darüber reden will ich nicht.
Berliner Illustrirte Zeitung: Privat sind Sie das Gegenteil der Ina Müller, die man aus dem Fernsehen kennt, Sie sind nicht die laute, direkte, offene Ina Müller, die kein Blatt vor den Mund nimmt ...
Ina Müller: Es freut mich, dass Sie mich so sehen, denn so sehe ich mich auch. Wenn man mich privat in einer Kneipe trifft, dann bin ich nicht laut. Im Gegenteil, dann bin ich die, die am leisesten spricht. Man sieht mich auch nicht auf den Tischen tanzen. Aber es ist natürlich so, dass die Ina Müller in "Inas Nacht" auch ein Teil von mir ist. Und ich bin froh, dass es diesen Teil von mir gibt. Das soll ja eine Feier sein, die wir da machen. Ich mache die Sendung unheimlich gerne. Aber danach bin ich auch gerne wieder leise.
Berliner Illustrirte Zeitung: Sie sind auf einem Bauernhof in Köhlen in Niedersachsen aufgewachsen. Dort haben Sie gelernt, Platt zu schnacken und Bullen zu kastrieren. Das klingt urig, war aber auch sehr eintönig. Stimmt es, dass Sie als Kleinkind Anzeichen von Hospitalismus aufwiesen?
Ina Müller: Ja, das stimmt. Ich war unterfordert. Auf diesem platten Land passierte recht wenig, da fuhr nichts, da bewegte sich nichts. Da gab's nur Kühe und Trecker, das war aber schon das Highlight für mich. Wir Kinder - wir sind insgesamt fünf Mädchen - wurden auch nicht betüddelt. Es war wichtig, dass wir eine saubere Hose trugen, dass wir mittags ordentlich schliefen, dass wir ruhig waren, und dass die Rotze nicht lief. Aber es war nicht wichtig, uns Anreize zu geben, uns auszubilden. Ich lag nächtelang im Bett und habe mich hin- und hergeschaukelt, um mein Gehirn zu beschäftigen. Das hört sich aber dramatischer an, als ich es damals empfunden habe.
Berliner Illustrirte Zeitung: Was hat Sie gerettet?
Ina Müller: Die Musik. Ich stand neulich gerade wieder vor dem Bullenstall meines Elternhauses und da fiel mir ein, dass dort immer ein kleines Kofferradio stand. Ich bin quasi im Kuhstall von gewöhnlicher Radiomusik musikalisch sozialisiert worden. Später habe ich dann in der Musik-AG unserer Schule Gitarre gespielt. Dann habe ich mir von meinem Konfirmationsgeld eine E-Gitarre gekauft. Die musste ich allerdings wieder zurückgeben, weil die meinem Vater zu laut war.
Berliner Illustrirte Zeitung: Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass Sie gut singen können?
Ina Müller: Meine ersten Gesangsmomente hatte ich mit Mitte 20, aber es gab da keine plötzliche Offenbarung. Reden höre ich mich immer noch gar nicht gerne, mich singen zu hören ist mittlerweile o.k. Am Anfang mochte ich mich auch nicht gerne Singen hören. Das ist heute anders.
Berliner Illustrirte Zeitung: Sie haben erst spät ganz auf die Musik, das Kabarett gesetzt. Vorher haben Sie in einer Apotheke auf Sylt gearbeitet und in einem Reihenhaus gewohnt. Was war das für eine Zeit?
Ina Müller: Das war auch eine tolle Zeit, eine, von der ich jetzt auch noch sagen muss, ich hätte auch da gut weitermachen können. Ich bin dort sehr gerne gewesen, meinen Job in der Apotheke mag ich bis heute. Ich bin immer noch Apothekenjunkie, ich gehe sehr gerne in Apotheken, weil ich es mag, wie es dort riecht. Ich lasse mich auch gern beraten - zum Leidwesen der Hamburger Apothekenangestellten. Weil manchmal kaufe ich gar nichts, und lasse mich trotzdem beraten. Über Almased Eiweißpulver oder Orthomol. Ich gehe zum Beispiel sehr gerne in die Sauna und weil ich Angst habe, mir dort Fußpilz einzufangen, benutze ich so ein prophylaktisches Anti-Fußpilz-Spray. Das hole ich mir in Hamburg natürlich nicht mehr selber.
Berliner Illustrirte Zeitung: Wer macht das dann?
Ina Müller: Da schicke ich jemanden ...
Berliner Illustrirte Zeitung: Was man auch nicht gleich vermuten würde, ist, dass Sie eine regelmäßige Kirchengängerin sind. Waren Sie das schon immer oder sind Sie es später geworden?
Ina Müller: Ich bin protestantisch erzogen worden, war aber nie besonders gläubig oder ungläubig. Dann hatte ich all die Jahre relativ wenig mit Gott am Hut - bis ich nach München zog, morgens die Gardine meiner Wohnung aufzog und umringt war von vier Kirchen. Dann wurde es ein Hobby von mir, in diese Kirchen zu gehen. Wenn ich frei hatte, war mein Ausgleich nicht Sport, sondern mich in einer dieser Kirchen zu setzen. Es war diese meditative Ruhe, die mich anzog. Katholische Kirchen inspirieren mich, weil sie so üppig verziert sind, mit all den Statuen und Figuren, nicht diese kargen Bauhaus-Tempel wie bei uns Protestanten. Und dann gab es natürlich diese Tage vor neuen Programmen, vor großen Auftritten, vor neuen Sendungen, an denen ich dort hin bin. Ich habe meine Brille abgenommen, denn dann verschwimmen die Gestalten und Figuren, und habe mit ihnen ja, eine Art Zwiegespräch geführt. Das ist natürlich alles Eso-Scheiß, was ich hier erzähle, und auch schwierig zu vermitteln, aber auf diese Weise fand ich wieder eine Verbundenheit zum Glauben. Zu dem, was wir Gott nennen.
Berliner Illustrirte Zeitung: Glauben Sie?
Ina Müller: Ja, ich glaube. Ich glaube, dass es irgendwo etwas gibt, das größer ist als wir.
Berliner Illustrirte Zeitung: Was ist Glück?
Ina Müller: Ich glaube, Glück ist nicht dafür gemacht, um ständig da zu sein. Und es gibt Glück als kleine Momente, die mal oft, mal weniger oft auftauchen. Mein Glücksgefühl fühlt sich an wie ein warmes Feuerchen, das ich in mir trage. Mal lodert es, und dann glüht es mal wieder nur vor sich hin. Ähnlich wie extremes Verliebtsein, dafür ist der Mensch auf Dauer auch nicht gemacht. Glück ist auch Gesundheit, und ich hätte vor zehn Jahren nicht geglaubt, dass ich diesen Satz, den meine Mutter immer sagte, auch mal eines Tages sagen würde. Aber am Ende des Tages behalten Eltern dann doch Recht.
Berliner Illustrirte Zeitung: Kommen wir zurück zu den weltlichen Dingen. Sie trinken immer Bier in Ihrer Show, auch wenn Ihre Gäste Wein bestellen. Ist Bier einfach die derbere Variante oder schmeckt es Ihnen besser?
Ina Müller: Ich trinke Bier, weil es Bier mit und Bier ohne Alkohol gibt. Ich trinke keinen Wein, weil sobald ich ein Glas Wein getrunken habe, bin ich betrunken. Ich kann mehrere Biere trinken und alles ist prima. Außerdem passt es zu der Kneipe, zum Schellfischposten. Und die Shantys trinken ja auch Bier.
Berliner Illustrirte Zeitung: Wen würden Sie niemals in Ihre Show einladen?
Ina Müller: Es gibt zwei, drei Personen, die ich nie einladen würde. Aber wer das ist, sage ich nicht.
Berliner Illustrirte Zeitung: Aber wen Sie gerne mal einladen würden, das verraten Sie doch, oder?
Ina Müller: Herbert Grönemeyer, aber der geht leider nirgendwo hin. Über Günther Jauch und Kai Pflaumewürde ich mich freuen und natürlich über Hape Kerkeling.
Berliner Illustrirte Zeitung: Wenn Ihnen die Chefs der Fernsehsender sagen würden, "Sie können machen, was Sie wollen" - was würden Sie machen wollen?
Ina Müller: Das Schöne ist, dass die Fernsehchefs von fast allen Sendern mich das schon gefragt haben. Was nicht so schön ist, ist, dass mir nichts dazu einfiel. Das heißt, sie würden mir diesen Platz zur Verfügung stellen, sie sagen, mach, tob' dich aus. Und ich sage dann, "Aber ich tobe mich ja schon aus - im Schellfischposten." Man müsste etwas anderes ganz tolles machen, aber mir fällt einfach nichts anderes tolles ein. Ich habe Lust, durch Norddeutschland zu reisen und irgendwas zu machen, und ich habe Lust, im Schellfischposten zu sitzen und ich habe Lust, meine Musik zu machen. Das, wozu ich Lust habe, mache ich schon. Und ich habe auf ganz viele andere Sachen einfach keine Lust.
Berliner Illustrirte Zeitung: Wenn Sie einen Mann auf eine einsame Insel mitnehmen könnten, Sie sich aber entscheiden müssten zwischen Thomas Gottschalk, Günther Jauch und Stefan Raab - wen würden Sie mitnehmen und warum?
Ina Müller: Ich finde Raab und Jauch spannend. Ich glaube mit Raab könnte ich sehr viel Spaß haben und mit Jauch könnte ich sehr viel Spaß haben. Wahrscheinlich würde ich dann am Ende des Tages deswegen den Raab mitnehmen, weil der so musikalisch ist. Ich würde ihn aber nur mitnehmen, wenn er auch die Gitarre mitnehmen darf. Und keine E-Gitarre, weil wir wahrscheinlich keinen Strom haben werden auf der einsamen Insel.
Berliner Illustrirte Zeitung: Kürzlich wurde bekannt, dass Sie und der Musiker Johannes Oerding seit einem Jahr ein Paar sind. Was ist mit einem 17 Jahre jüngeren Mann anders?
Ina Müller: Dazu sage ich nichts. Aber Sie können gerne aus meinen Liedern zitieren ...
Berliner Illustrirte Zeitung: ... zum Bespiel aus "Mit Mitte 20": Mit Mitte 20 .... "sind sie (die Männer) schöner anzusehn' / wenn sie duschen gehn'" ...