Der drohende Abriss der mit Nazi-Symbolen behafteten Martin-Luther-Gedächtniskirche in Mariendorf ist offenbar vom Tisch.

Die evangelische Landeskirche Berlin-Brandenburg will zwar für den maroden und deshalb seit 2004 geschlossenen Sakralbau einen neuen Nutzer oder Investor finden. In der Ausschreibung soll der Abriss aber nicht mehr als mögliche Zukunftsoption genannt werden. Das ist das Ergebnis eines gestrigen Treffens zwischen Vertretern der Kirche und des Vereins "Denk mal an Berlin".

Die Zukunft des Gotteshauses an der Kreuzung Rathaus- und Kaiserstraße ist nun wieder in der Diskussion. Was macht man mit einer 1935 eingeweihten Kirche, die heute noch Abbilder von Stahlhelm-Soldaten und Hitlerjungen an der Kanzel hat und zugleich ein seltenes expressionistischen Zeitdokument ist; deren Orgel 1935 auf dem Nürnberger Parteitag der NSDAP zur Verabschiedung der Rassengesetze erklang, aber auch 1938 auf der kirchlichen Hochzeit des Schriftstellers Jochen Klepper mit der Jüdin Johanna Klepper. Was macht man also mit einem Bauwerk, das einerseits historisch belastet ist, aber andererseits das Potenzial hat, die Kirchengeschichte in der Zeit des Nationalsozialismus aufzuarbeiten? Und das obendrein für etwa drei Millionen Euro saniert werden müsste?

Fragen, die auch die evangelische Landeskirche nicht beantworten kann. Die Sanierung für eine ohnehin schrumpfende Gemeinde ist nicht zu schultern. Zumal es genügend Platz für die Gottesdienste in zwei anderen großen Kirchen der Gemeinde gibt. Kirchenoberbaurat Matthias Hoffmann-Tauschwitz bringt es daher auf den Punkt: "Wir müssen eine neue Zukunft für das Kirchengebäude finden." Ein Interessenbekundungsverfahren soll dabei helfen. In etwa sechs Wochen wird das Bauwerk europaweit und in Nordamerika ausgeschrieben. Dort vermutet man das Geld und die passenden "Gedankengebäude", wie Hoffmann-Tauschwitz sagt. Der Leiter des kirchlichen Bauamtes kann sich vorstellen, das Haus auch an andere Kirchen oder einen neuen Eigentümer abzugeben. Wichtig sei, dass der Kirche als Institution inhaltlich kein Schaden entsteht, sagt er.

Ganz konkrete Gedanken über die Zukunft des Sakralbaus hat sich bereits der Verein "Denk mal an Berlin" gemacht. Die Initiative unter dem Vorsitz des Unternehmers Hans Wall setzt sich für den Erhalt von Denkmalen ein. Die Martin-Luther-Gedächtniskirche ist das erste Bauwerk in der neuen Reihe des Vereins "Das besonderen Denkmal". In diesem Zusammenhang hat der Verein vom Berliner Forum für Geschichte und Gegenwart ein "Gutachten zur historischen Bedeutung und zukünftigen Nutzung" der Mariendorfer Kirche erstellen lassen. Dieses kommt zu dem Schluss, "dass die Kirche prädestiniert ist, eine Erinnerungs- und Dokumentationsstätte für die Evangelische Kirche in der Zeit des Nationalsozialismus aufzubauen", sagt Elisabeth Ziemer, stellvertretende Vereinsvorsitzende.

Dafür sollte die Kirche an eine universitäre oder wissenschaftliche Einrichtung angegliedert werden. So könnten Personal und Einrichtungen miteinander vernetzt werden. Mit der Idee eines Dokumentationszentrums könnte sich auch der Kirchenoberbaurat anfreunden. "Vielleicht läuft es auf eine mehrfache Trägerschaft hinaus", sagt Matthias Hoffmann-Tauschwitz. Eine Vorstellung, die Elisabeth Ziemer begrüßt.

Ausstellung in der Kirche

Der erste Schritt ist bereits getan: Seit dem 21. Januar ist im Kirchenschiff die Wanderausstellung "Das Paradies der Volksgemeinschaft" über das Arbeitsleben und die Freizeitgestaltung in der Nazi-Zeit eröffnet. Bis zum 24. März ist die Kirche dafür ausnahmsweise Freitag bis Sonntag von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Pfarrer der Evangelischen Kirchengemeinde Berlin-Mariendorf, Hans-Martin Brehm, ist froh, dass der Abriss kein Thema mehr ist. Er hat mit seiner Gemeinde für den Erhalt plädiert. "Der Bau ist ein Zeitzeuge", sagt der Pfarrer.