Gutachter stellt fest: Holzhütten auf dem Oranienplatz sind nicht sicher. Senatorin Kolat (SPD) will sich weiter nicht äußern
Für die politische Bewertung der Zustände am Oranienplatz fühlt sich Helge-Lorenz Ubbelohde nicht zuständig. Der Diplom-Ingenieur aus Gatow ist vereidigter Sachverständiger für Gebäudeschäden, zu seinem Fachgebiet gehören auch Fragen des Brandschutzes. Und da fällt sein Urteil eindeutig aus: Das Flüchtlingscamp am Oranienplatz bedeute für die Bewohner ein so extrem hohes Gefährdungspotenzial, dass allein aus Gründen des Brandschutzes eine sofortige Räumung unumgänglich sei. Eine Auflistung einzelner Gefahrenpunkte, so genannter Brandlasten, wäre nach Darstellung Ubbelohdes nicht einmal erforderlich. „Das Lager ist eine einzige Brandlast“, lautet sein unmissverständliches Fazit.
Fehlende Fluchtwege
Dass neben den Zelten inzwischen zusätzlich auch behelfsmäßig zusammengebastelte Holzbauten entstehen, macht den Sachverständigen fassungslos. „Hier wird nicht eine einzige Brandschutzvorschrift berücksichtigt“, sagte Ubbelohde. Es fehlten neben Fluchtwegen für die Bewohner und Zugangsmöglichkeiten für die Feuerwehr vor allem ausreichende Sicherheitsabstände. Ein Brand in einer einzelnen Hütte würde mit einiger Sicherheit in kürzester Zeit auf das ganze Areal übergreifen. „So, wie die Hütten da stehen, hätte die Feuerwehr überhaupt keine Chance, einen Brand zu löschen. Und bis die da ist, läge ohnehin wohl schon das ganze Camp in Schutt und Asche“, warnte der Sachverständige.
Nicht nur der bauliche Zustand der Behausungen stellt für ihn eine immens hohe Gefahr für die Bewohner dar. Das Gleiche gilt für das Innere der Hütten. In denen finden sich unter anderem offen angebrachte, zum Teil poröse Stromkabel und behelfsmäßig installierte Steckdosen, die erkennbar schon bessere Zeiten erlebt haben. Und in den so ausgestatteten Räumen wird gekocht, zum Teil über offenem Feuer. „Ein Funke genügt und in kürzester Zeit steht alles in Flammen. Wer von einem solchen Feuer im Schlaf überrascht wird, hat keine Chance“, so die alarmierende Einschätzung des Gutachters.
Mit seinen Warnungen steht er nicht allein. Nach Morgenpost-Informationen forderte der CDU-Abgeordnete Kurt Wansner am Mittwoch in einem Schreiben das Stadtentwicklungsamt Friedrichshain-Kreuzberg auf einzugreifen. Dieses solle „trotz politischen Widerstands“ verantwortungsvoll handeln: „Beim Brandschutz des Camps stimmt nichts. Wenn es da brennt, kommt keiner rein und keiner raus“, so Wansner. Bei den Zelten sei dies anders gewesen. Pankows Stadtrat Torsten Kühne (CDU) hat sogar Bedenken, dass in Kreuzberg ein Präzedenzfall geschaffen werde: „Man könnte als Nächstes darauf kommen, das auch im Mauerpark zu probieren.“ Darüber hinaus sei der Bau von Hütten ohne Genehmigung nicht zulässig.
Die Kritik der CDU-Politiker zeigt: 18 Monate nach Ankunft der Flüchtlinge verschärfen sich in der Causa Oranienplatz die über allem schwebenden Fragen. Wer ist wofür verantwortlich? Und wer macht den ersten Schritt? Im Bezirksamt bezweifelt man, dass Wansner mit seiner Forderung an der richtigen Adresse ist. „Er sollte sich vielleicht lieber an das Ordnungsamt oder das Grünflächenamt wenden“, sagte Sprecher Sascha Langenbach und bekräftigte, dass man weiter auf eine friedliche Räumung durch die Anwohner setze. Grundsätzlich verweist der Bezirk auf das Land. „Wir fordern den Rückbau der Hütten“, sagte Bezirksbürgermeisterin Monika Herrmann (Grüne) der Morgenpost. „Für die Umsetzung ist aber Dilek Kolat verantwortlich.“
Der Druck auf die SPD-Integrationssenatorin wächst. Immerhin kam es in den letzten Wochen zwei Mal zu kleineren Bränden – verletzt wurde niemand. Ohne Frage spielen die Holzhütten Befürwortern einer schnellen Räumung – siehe CDU – in die Karten. Doch Kolat schweigt. Im Tipi am Kanzleramt präsentierte sie am Mittwoch eine Onlineplattform gegen Rechts und sprach unter anderem von dem Versuch der NPD, Flüchtlinge zu kriminalisieren. Kein Wort zum Oranienplatz. Kommentarlos wurden Nachfragen abgeblockt. Kolat setzt offenbar auf Geduld, wenngleich ihr Schweigen wie ein Bekenntnis wirkt, dass die wochenlangen Verhandlungen mit den Flüchtlingen kein Ergebnis brachten. Immerhin soll es noch diese Woche ein Treffen geben. „Wenn es Ergebnisse gibt, werden wir das natürlich kommunizieren“, sagte ihr Sprecher.