Es war einer dieser seltsamen Momente, den er bis heute nachfühlen kann. 18 Jahre ist es her, da stand Frank Mückisch vor dem Bild "Abendstimmung am Schlachtensee" von Walter Leistikow. 1989 hatte die Zehlendorfer Galerie "Haus am Waldsee" an der Argentinischen Allee dem Landschaftsmaler eine eigene Ausstellung gewidmet. Mückisch sah das Bild und ihm war, als könnte er den Blick des Malers spüren - diesen ganz besonderen Leistikow-Blick. Von diesem Moment an hatte der Zehlendorfer CDU-Politiker eine Vision, die er jetzt, 18 Jahre später, in einen Antrag an das Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf formuliert hat: Entlang der Seenkette vom Halensee über den Grunewaldsee bis zum Wannsee soll ein "Berliner Malerweg" entstehen.
Nicht nur für Walter Leistikow (1865-1908) war die Berliner Seenlandschaft eines der bevorzugten Motive. Auch Max Liebermann (1847-1935) und Philipp Franck (1860-1944) malten zahlreiche Bilder am Wannsee. Und nicht nur Liebe zu den Berliner Seen eint die drei. 1898 gehörten Leistikow, Liebermann und Franck auch zu den Gründungsmitgliedern der "Berliner Secession". Die Gruppe spaltete sich von dem akademischen Kunstbetrieb und der wilhelminischen Kunstauffassung ab, die von der Jury der Großen Berliner Kunstausstellung vertreten wurde. Die Jury hatte 1898 Leistikows Gemälde "Grunewaldsee" zurückgewiesen. Zu Leistikows Gegnern gehörte auch Kaiser Wilhelm II., der seine Bilder verachtete und alle Welt wissen ließ: "...er hat mir den ganzen Grunewald versaut". Das sah das Bürgertum anders, das am Naturalismus, Impressionismus und Jugendstil Gefallen fand. Das Publikum liebte und kaufte die Landschaftsgemälde von Leistikow und machte ihn zu einem wohlhabenden Mann.
Jetzt sollen Berliner und Touristen die Bilder der drei Maler wieder dort sehen können, wo sie entstanden sind: an der Seenkette Grunewald und Großer Wannsee. Bei zahlreichen Motiven der Maler - ob an Dianasee, Wannsee oder Schlachtensee - ist es ziemlich einfach, Standort und Blickwinkel des Künstlers ausfindig zu machen. An diesen Stellen möchte Frank Mückisch Tafeln mit den Reproduktionen der Gemälde und Erläuterungen zu Entstehung, Technik und Stil aufstellen. Alle Standorte und Wege sollen zur besseren Orientierung für die Malerweg-Wanderer in einem Flyer veröffentlicht werden.
Leistikow-Blicke von Halensee bis Wannsee
Einige "Leistikow-Blicke" hat Martina Kluge vom Förderkreis Tourismus bereits in einem "Kulturhistorischen Begleiter von Steglitz Zehlendorf" in Kooperation mit dem Bezirksamt zusammengetragen. Am Halensee, in Höhe Wallotstraße 18, erwartet den Spaziergänger der erste Malerblick. Weitere Motive sind vom Standort Delbrückstraße/Koenigsallee 20 auf den Herthasee, von Hubertusallee/Höhe Paulsborner auf den Hubertussee und vom Uferweg am Koenigssee nachzuempfinden. Leistikows "Blaue Brücke am Dianasee" lässt sich am besten von der Fontanestraße 19 aus erahnen. Weitere Einblicke eröffnen die Uferwege am Hundekehlensee, Grunewaldsee, an der Krummen Lanke, dem Schlachtensee, Waldsee und Großen Wannsee.
Zwei Villen am südlichen Ende des Malerweges bilden einen perfekten Abschluss des Spaziergangs: In der Liebermann-Villa, Colomierstraße 3, die Max Liebermann als Sommerresidenz nutzte, entstanden seine berühmten Wannseegarten-Bilder. Direkt nebenan, in der Villa Thiede, ist der Kunstsalon "Berliner Secession".
Tourismusexpertin Martina Kluge hält die Idee von einem Malerweg für ein "spannendes Projekt". Sie sei gern bereit, bei der Umsetzung der Pläne zu helfen, sagt sie. Die Hilfe könnte sehr willkommen sein. Denn Frank Mückisch geht es nicht allein um die Maler und ihre Bilder. Die 51-jährige Verwaltungsangestellte will auch den Südwesten - dort wo er zu Hause und politisch aktiv ist - bekannter machen. Der Malerweg soll Touristen anlocken.
Mückisch, gebürtiger Berliner, musste 1989 im "Haus am Waldsee" an einen Besuch in Dresden denken. Die wohl bekannteste Ansicht von Dresden wurde durch ein Gemälde von Bernardo Belotto, genannt Canaletto, berühmt. Der Canalettoblick vom Elbufer auf die Silhouette der Altstadt ist eine Touristenattraktion. "Was in Dresden der Canalettoblick ist, soll im Südwesten der Leistikow-Blick werden", sagt Frank Mückisch. Daran wird er alles setzen.
Es gibt allen Grund, das Projekt zügig voranzutreiben. 2008 jährt sich der 100. Todestag von Walter Leistikow. Der Künstler erschoss sich nach Jahren des Siechtums am 24. Juli 1908 wegen einer unheilbaren Krankheit, vermutlich Syphilis. Er wurde auf dem Friedhof Steglitz beigesetzt. Sein Grab ist ein Ehrengrab der Stadt Berlin.
Das Bröhan-Museum an der Schloßstraße 1a, gegenüber vom Charlottenburger Schloss, plant anlässlich des 100. Todestages für den Herbst 2008 eine Leistikow-Retrospektive. Bereits in seiner Dauerausstellung widmet das Spezial- und Epochenmuseum für Jugendstil, Art Deco und Funktionalismus der Berliner Secession eine eigene Abteilung. Dort sind zahlreiche Leistikow-Bilder und einigen Werken von Liebermann zu sehen. Wer nicht auf den Malerweg warten will, kann sich im Bröhan-Museum (dienstags bis sonntags 10-18 Uhr) auf die Berliner Secession einstimmen.