Die Zeiten sind vorbei, zu denen Eltern “nicht-behinderter“ Kinder sich darüber öffentlich erregten, dass Kinder mit Behinderungen in Klassen der Regelschule integriert werden sollten.
Die Zeiten sind vorbei, zu denen Eltern "nicht-behinderter" Kinder sich darüber öffentlich erregten, dass Kinder mit Behinderungen in Klassen der Regelschule integriert werden sollten. Nicht selten waren es Eltern aus der Mittelschicht, die befürchteten, durch die Aufnahme von behinderten Kindern würde das Leistungsniveau der Klasse sinken und die Aussicht der eigenen Kinder auf eine erfolgreiche Berufskarriere geschmälert. Wir wissen heute (und wussten es damals schon), dass diese Befürchtungen unangebracht sind. Wenn überhaupt, dann sind eher positive Effekte zu berichten gewesen. Dieses aber nur, wenn die Schule die Integrationsaufgabe ernst nahm und mit den für die Aufnahme von "Integrationskindern" gewährten zusätzlichen Lehrerstunden Fördermaßnahmen für die benachteiligten Kinder realisierte.
Betrachtet man das Thema aus der Sicht der Eltern behinderter Kinder, dann sind sie zunächst einmal zu ermutigen, wenn irgend möglich auf einer Integrationsmaßnahme zu bestehen. Dieses ist aber sehr abhängig von der Art der Behinderung. Schwere körperliche Beeinträchtigungen, die eine Teilnahme am Regelunterricht für das betroffene Kind selbst erschweren, sind nicht der häufigste Fall von Behinderung oder Beeinträchtigung. Für diese Kinder ist es oftmals besser, wenn sie in der Obhut eigens dafür ausgebildeter Sonderpädagogen in einer entsprechenden Einrichtung lernen. Dieses gilt auch, wenngleich nicht immer, für Kinder mit schwersten geistigen Behinderungen. Es gibt aber Regelschulen, die auch darauf vorbereitet sind und deren Kinder den Umgang mit schwerstbeeinträchtigten Mitschülern gewohnt sind und die für ihr persönliches Sozialverhalten daraus sogar einen Gewinn beziehen.
Die häufigste Beeinträchtigung besteht indessen in einer verminderten Lernfähigkeit. Diese kann unterschiedliche Ursachen haben, nicht selten hängt sie zusammen mit ADS, dem Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom, von dem ein erheblicher Teil der Schulkinder betroffen ist. Bevor diese Störung als "Behinderung" klassifiziert wurde, gab es sie auch schon. Der "Zappelphilipp" im berühmten "Struwwelpeter" mag ein solches Kind gewesen sein. Diese Störung lässt sich relativ gut diagnostizieren. Ein Kinderarzt sollte eingeschaltet werden. Es ist zu entscheiden, ob eine medikamentöse Behandlung erforderlich und sinnvoll ist, etwa mit Retalin. Das ist ein schwerwiegender Eingriff, den Eltern sich gut überlegen müssen. Wenn auch die Erfolge teilweise erheblich sind und den Kindern das Lernen leichter fällt, so muss wegen der Nebenwirkungen und der damit verbundenen Regelmäßigkeit der Einnahme über das Thema verantwortungsvoll gesprochen und eine Entscheidung getroffen werden. Wie immer sie getroffen wird, wichtig ist eine aufrechte Kommunikation:
Das betroffene Kind muss wissen, dass es nicht "abnormal" ist, sondern dass ihm erfolgreich geholfen wird wie vielen anderen Menschen auch. Die Kinder der Klasse müssen wissen, dass Lernbeeinträchtigungen nicht selten sind, bei genauer Betrachtung sind 20 bis 25 Prozent der Schüler betroffen. Das gilt auch für Lehrer und Lehrerinnen: Zwischen Kindern mit dieser Beeinträchtigung und den anderen darf der Unterschied nicht größer gemacht werden als zwischen solchen, die im Sport weit springen können, und solchen, die dazu Übung benötigen. Und im Hinblick auf die Eltern: Ein Kind mit einer Lernbeeinträchtigung ist in der Regel normal intelligent, hat einen Anspruch auf all die Liebe, die jedem anderen Kind auch zuteil wird.