Versicherungen

Die Masche mit der Fahrerflucht

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Martina Herzog

Ausgerechnet am Heiligen Abend klingeln zwei Polizisten an der Tür, Familie Ruppert rechnet mit dem Schlimmsten. Was die Beamten am Ende vorzubringen haben, ist zwar harmlos, doch trifft es Klaus-Peter Ruppert unerwartet: Fahrerflucht! Er habe kein fremdes Fahrzeug beschädigt, sagt Ruppert. Heute, beinahe ein Jahr später, kämpft er immer noch um sein Recht. Nicht mit der Polizei, sondern mit der eigenen Versicherung.

Der 57-jährige Arzt hatte am 24. Dezember 2008 tatsächlich am Ort des vermeintlichen Geschehens geparkt. Nach dem Weihnachtsmarktbesuch winkte ihn ein Begleiter aus der Lücke - unfallfrei, wie Ruppert betont. Für ihn ist die Sache klar: Jemand hat auf seine Kosten einen Unfall fingiert. Dem Berliner Verkehrsrechtsanwalt Gregor Samimi zufolge ist das ein "Massenphänomen". Ihn hat Ruppert eingeschaltet, als seine Versicherung, die HUK-Coburg, im Juni ankündigte, den Schaden des vermeintlichen Unfallgegners in Höhe von 569,45 Euro begleichen zu wollen. Doch der Anwalt erreichte nur einen Aufschub: Mitte Oktober teilte die HUK mit, der Schaden sei reguliert und Ruppert werde in eine höhere Schadensklasse eingestuft.

Rupperts Unschuldsbeteuerungen wehrte sein Sachbearbeiter ab - obwohl Ruppert selbst Zeugen aufzubieten hat: seine Kinder und den Bekannten, einen ehemaligen Polizeibeamten. Darum gehe es nicht, soll der Sachbearbeiter entgegnet haben, es müsse so gewesen sein. Schließlich sei Ruppert "zur fraglichen Zeit am angegebenen Ort gewesen". Der Sachbearbeiter der HUK hat Rupperts Auto nie gesehen. Er stützt sich auf die Aussagen der Zeugin des Geschädigten.

Für die Versicherung ist das, was Ruppert auf die Palme bringt, "ein Massengeschäft", wie Thomas Brandenstein vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) sagt. Wenn ein Geschädigter einen Anspruch geltend mache, dann müsse die Versicherung zahlen - oder beweisen, dass der Anspruch unberechtigt ist. Dieser Grundsatz sichert Unfallopfern rasche Entschädigung.

44 119 Unfallfluchten 2007

Bei niedrigen Schadenssummen liegt der Verdacht nahe, dass die Versicherer von ihrem "Regulierungsermessen" Gebrauch machen, es sind einfach zu viele Fälle: 44 119-mal Fahrerflucht zählte das Statistische Bundesamt für 2007. In 33 714 Fällen gab es ein rechtskräftiges Urteil. In Rupperts Fall stellte die Staatsanwaltschaft im Juni die Ermittlungen ein. Die Anzeige gegen den Unfallgegner wegen falscher Beschuldigung blieb erfolglos. Doch die Rupperts ruhen nicht. Mit Unterstützung von Anwalt Samimi wollen sie die HUK nun verklagen. Der Vorwurf: Die Versicherung habe nicht sorgfältig genug ermittelt.

Nur "aussagekräftige" Fotos seien als Beweismittel geeignet, sagt der Berliner Kfz-Sachverständige Cengiz Demir. Und wenn darauf wie in Rupperts Fall keine Schäden zu erkennen sind, gelte als Königsweg die Gegenüberstellung der Fahrzeuge. Dabei vergleichen Experten die Position möglicher Schäden. Doch wer eine solche Rekonstruktion des Unfallhergangs beauftragt, muss bis zu 1500 Euro investieren - und darf nicht auf Erfolg hoffen. "Es ist schon vorgekommen, dass die Versicherung zahlt, obwohl die Schäden nicht zusammenpassen", berichtet Demir.

Fälle wie der Klaus-Peter Rupperts beleuchten auch das Problem der Fahrerflucht: Das Entfernen vom Unfallort ist eine Straftat. "Fahrerflucht wird darum praktisch immer geleugnet", sagt GDV-Mann Brandenstein. Diesen Umstand scheinen Betrüger auszunutzen, die abwarten, bis ein Auto mit leicht zerkratzter Stoßstange vor oder hinter ihrem eigenen Wagen parkt und dann tätig werden. Der Berliner Verkehrsrechtler Mark Krause rät deshalb jedem, bei der Polizei nur Angaben zur Person zu machen, aber nichts über das Geschehen oder auch nur den Parkplatz des Wagens zu sagen. Unverzüglich solle ein Anwalt eingeschaltet werden.

Dem Ehepaar Ruppert geht es nicht ums Geld, sondern um das Gefühl der Hilflosigkeit. Wie viel ihn die Höherstufung kosten wird, weiß Klaus-Peter Ruppert gar nicht. Er hat zum Jahresende einen neuen Wagen bestellt. Und er wird die Versicherung wechseln.