Antonis Samaras hatte einiges auf sich genommen, um Angela Merkel zu treffen. Schon am Vorabend war der griechische Ministerpräsident nach Berlin geflogen. Im Hilton-Hotel – das eigentlich standesgemäße, noch teurere Adlon hatte Samaras gemieden, um Sparsamkeit zu demonstrieren – verfolgte er am Donnerstagabend in den Nachrichten, was andere mit seinem Land vorhaben: Angela Merkel verständigte sich zeitgleich mit François Hollande auf eine gemeinsame Haltung gegenüber Griechenland.
Erstes Frusterlebnis
Am nächsten Morgen gab es das nächste Frusterlebnis für Samaras. Kaum aufgewacht, wurde er mit Aussagen konfrontiert, die ihm gar nicht gefallen haben können. „ Mehr Geld können wir nicht zur Verfügung stellen“, hatte Volker Kauder im Frühstücksfernsehen gesagt. Er gehe im Übrigen davon aus, dass die Euro-Zone einen Austritt Griechenlands verkraften könne. Kein schöner Weckruf. Er möchte ja zumindest mehr Zeit für seine Reformen (was mehr Geld bedeuten würde) und will den Euro auf keinen Fall aufgeben. Da Kauder als Fraktionschef von CDU und CSU ein enger politischer Mitstreiter der Kanzlerin ist, dürfte Samaras sich spätestens jetzt gefragt haben: Was kommt heute Nachmittag im Kanzleramt auf mich zu?
Wie das Treffen des europäischen Sorgenkindes mit der heimlichen Mutter des Kontinents dann am Nachmittag tatsächlich verlief, darüber kursieren zwei Versionen. In der anschließenden kurzen gemeinsamen Pressekonferenz sprach Samaras von einem „ganz besonders konstruktiven Gespräch“, Merkel dagegen von einem „intensiven Gespräch“. Letzteres ist im diplomatischen Jargon eigentlich ein Code für: Es gab Meinungsverschiedenheiten. Allerdings hatte die Kanzlerin diese Worte erst gewählt, nachdem Samaras sie ziemlich dreist gegen die eigenen Leute positionieren wollte. Er rügte nämlich „toxische Erklärungen“. In dem Moment, in dem seine Regierung versucht habe, Staatsbetriebe zu privatisieren, hätte „ein ranghoher Politiker aus egal welchem Land“ erklärt, bald käme die Drachme zurück. Deshalb habe niemand mehr mit Euro in Griechenland investieren wollen. Damit war ganz klar Philipp Rösler gemeint, FDP-Chef und Merkels Vizekanzler. „Diese Kakofonie“, klagte Samaras „schafft dermaßen große Probleme, dass man den Eindruck haben muss, umsonst zu kämpfen“. Dies müsse aufhören, da sei er mit Merkel einer Meinung. Da konterte die Bundeskanzlerin mit dem „intensiven Gespräch“ und merkte darüber hinaus an, sie lese täglich eine griechische Presseschau. Das war eine Anspielung auf die scham- und niveaulosen Angriffe der griechischen Zeitungen auf Deutschland und dessen Regierungschefin persönlich.
Kurz schien es, als würde die Pressekonferenz in einen öffentlichen Schlagabtausch abgleiten. Merkel merkte dies und versuchte, Frieden zu stiften: In Deutschland und Griechenland seien „zwei Wirklichkeiten“ entstanden, sagte sie, und nun gehe es darum, beide wieder zusammenzuführen. Die Kanzlerin selbst trug ihren Teil dazu bei und schien Samaras sogar ein wenig entgegenzukommen. Noch am Vorabend, neben dem französischen Präsidenten, hatte Merkel geschwiegen, als dieser erklärte, es sei sein „Wille“, dass Griechenland in der Euro-Zone bleibe. Nun, einen Tag später, schwenkte Merkel auf diese Linie ein: „Ich will, dass Griechenland Teil der Euro-Zone bleibt“, erklärte sie. Und sie „kenne auch niemanden, in den Regierungsfraktionen, der das nicht will“, fügte sie – in einer Frage auf Kauders Morgeninterview angesprochen – hinzu.
„Der Euro ist mehr als eine Währung“, erklärte Merkel: „Er ist eine Idee eines gemeinsamen Europas.“ Dieses sei „irreversibel“. Hohe Töne von dieser sonst so sachlichen Kanzlerin. Ein Blankoscheck für Samaras ist das freilich nicht. Merkel bestand ausdrücklich darauf, dass Vereinbarungen eingehalten werden und verwies mehrmals auf den Bericht der sogenannten Troika. Diese Gruppe von Experten aus dem Internationalen Währungsfond, der Europäischen Kommission und der Europäischen Zentralbank evaluiert gerade den Stand der griechischen Spar- und Reformbemühungen. „Wir werden Ergebnisse erzielen“, versprach Samaras demonstrativ. Fügte aber gleich mehrfach hinzu, jetzt sei der Wirtschaftsaufschwung von entscheidender Bedeutung. Damit meinte er: Griechenland brauche jetzt Investitionen und keine neuen Sparmaßnahmen.
Paris und Berlin einig
Auch Merkel forderte Ergebnisse ein. In der „Euro-Staatsschuldenkrise“ sei Vertrauen verloren gegangen, dies könne nur zurückgewonnen werden, indem nun Erwartungen erfüllt würden. Meint: Griechenland muss seine für die Hilfspakete gegebenen Zusagen einhalten. Die Entscheidung, ob die Hellenen ein drittes Hilfspaket bekommen oder mehr Zeit die Auflagen des ersten und zweiten Paketes zu erfüllen, bleibt somit offen.
Antonis Samaras reiste weiter nach Paris, wo er nach einem weiteren für ihn belastenden Flug am Samstag auf Hollande trifft. Sollte der Grieche die Hoffnung hegen, einen Keil zwischen Frankreich und Deutschland treiben zu können? Diese Illusion raubte ihm Merkel schon am Freitag. Samaras könne sich ja schon „morgen“ bei Hollande „persönlich überzeugen, ob wir den gleichen Ansatz haben“. Samaras beschloss den für ihn so anstrengenden Tag mit einer versöhnlichen Geste in Richtung der in Griechenland viel kritisierten deutschen Medien: „Herzlichen Dank“, sagte er zum Abschluss der Pressekonferenz – auf Deutsch.