Bundestagsvizepräsident Wolfgang Thierse hält die Zeit reif für einen Komplettumzug der Regierung von Bonn nach Berlin. Er bezeichnet es im Gespräch mit der "Passauer Neuen Presse" als nicht vernünftig, wenn eine Regierung auf zwei Städte aufgeteilt ist. Politik bedürfe der Kommunikation aller beteiligten Akteure. "Deshalb ist es sinnvoll, die Regierungsfunktionen in den nächsten Jahren Schritt für Schritt zusammenzuführen."
20 Jahre nach dem Inkrafttreten des Bonn-Berlin-Gesetzes müsse man sich um Bonn keine Sorgen mehr machen. Dort seien 30.000 Arbeitsplätze geschaffen worden. "Deshalb kann man nach 20 Jahren mit Fug und Recht sagen: Das Gesetz ist nicht für die Ewigkeit gemacht." Den Umzug nach Berlin vor 20 Jahren bezeichnete Thierse als richtige Entscheidung. Berlin spiele heute in der gleichen Liga wie Paris oder London.
Auch Bundesverteidigungsminister Thomas de Maizière machte den Bürgern in Bonn und der Region keine Hoffnung darauf, dass das Verteidigungsministerium noch lange in der Bundesstadt bleibt. "So wie die Hardthöhe jetzt aufgestellt ist, wird sie nicht bleiben können."
Allerdings versprach der Verteidigungsminister der Region Bonn/Rhen-Sieg versprochen, dass die Hardthöhe auch nach der Bundeswehrrefom weiterhin Sitz von Bundesbehörden bleibt. "Die Hardthöhe wird nie leerlaufen", sagte de Maizière dem Bonner General-Anzeiger.
De Maizière warnte die Vertreter der Region davor, unter allen Umständen auf die Einhaltung des Bonn-Berlin-Gesetzes, nach dem das Verteidigungsministerium und fünf weitere Ministerien ihren ersten Dienstsitz in Bonn haben, zu pochen. "Wenn heute im Bundestag darüber abgestimmt würde, das Gesetz zu überarbeiten, mit dem Ziel, alle Ministerien nach Berlin zu verlagern, dann würde das geschehen. Die Argumente sprechen zu deutlich für Berlin", sagte der gebürtige Bonner de Maizière, ohne auf Einzelheiten einzugehen.
Sein Rat: "Ich empfehle der Region, mit pragmatischen Akteuren, wie ich einer bin, zusammenzuarbeiten." Der Verteidigungsminister könnte sich vorstellen, "dass wir uns nach Absprache aller regionalen Akteure einer ähnlichen Lösung wie im Bereich der Justiz nähern". Die frühere Bundesjustizministerin Brigitte Zypries hatte das Justizministerium nahezu ganz nach Berlin verlagert und dafür in Bonn das Bundesamt für Justiz angesiedelt.
De Maizière: "Die berechtigten Belange Bonns werden wir dabei nicht aus den Augen verlieren." Zu Befürchtungen von Mitarbeitern des Verteidigungsministeriums, finanzielle Abstriche machen zu müssen, wenn sie künftig in einem Bundesamt tätig sind, sagte de Maizière: "Wenn ein Bediensteter nicht mehr im Ministerium arbeitet, sondern in einem Bundesamt, dann geht davon die Welt auch nicht unter. Die Ministeriumszulage wird nur langsam abgeschmolzen."