Für die Partei Die Linke läuft es nicht gut. In Sachsen-Anhalt ist sie zwar zweitstärkste Partei geworden, wird aber der Regierung weiterhin von der Oppositionsbank aus zuschauen müssen. Schon vor der Wahl hatte die SPD klargestellt, dass sie als Juniorpartner einer rot-roten Regierung nicht zur Verfügung stehen wird.
In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz muss die Linke am Sonntag um den Einzug in die Landtage bangen. Laut Umfragen liegt sie in beiden Ländern unter der Fünfprozenthürde. Die Kommunismusdebatte ist zwar wieder abgeflaut, aber sie hat eine zutiefst gespaltene Partei zurückgelassen. Die Führung ist geschwächt. Auch der Parteitag im kommenden Herbst, bei dem die Linke über ihr neues Programm entscheiden will, wirft seine Schatten voraus. Seit Wochen tobt parteiintern ein Streit über den vorliegenden Programmentwurf.
Schon unken einige, dass die Linke ihren Zenit überschritten hat. Ein Gespräch mit Ex-Parteichef Oskar Lafontaine über die Fehler der Parteiführung, das Ende der Westausdehnung und die Libyen-Politik der Bundesregierung.
Morgenpost Online: Herr Lafontaine, hat sich die Linke in Sachsen-Anhalt zum Verlierer gesiegt?
Oskar Lafontaine: Wir hatten uns mehr erhofft, aber wir sind zweitstärkste Partei vor der SPD. Es ist schade, dass die SPD nicht mit uns regieren will, wenn wir stärker sind als die Sozialdemokraten. Die SPD wird mit dieser Strategie scheitern und auf absehbare Zeit nicht mehr den Kanzler oder die Kanzlerin stellen.
Morgenpost Online: Sollte die Linke in Sachsen-Anhalt der SPD anbieten, dass diese im Fall von Rot-Rot den Ministerpräsidenten stellen kann?
Lafontaine: Nein. Regieren ist kein Selbstzweck. Die Parteien müssen fair miteinander umgehen, das ist die Grundlage jeder Zusammenarbeit in einer Regierung. Diese Fairness besteht bei der SPD nicht. Wer nur mit uns regieren will, wenn er den Ministerpräsidenten stellt, ist unglaubwürdig, weil ihm an der Sache nichts liegt.
Morgenpost Online: Der sachsen-anhaltische Spitzenkandidat der Linken, Wulf Gallert, hat sich aber auch über fehlende Unterstützung aus der Bundesparteiführung beklagt. Hat er recht?
Lafontaine: Dass es in den vergangenen Monaten einige Irritationen gab, ist schon oft festgestellt worden. Aber die Parteispitze hat den Wahlkampf stark unterstützt. Das Ergebnis ist sicher auch landespolitisch bedingt.
Morgenpost Online: Landespolitisch bedingt – heißt das, dass die Linke dort nicht verstanden hat, die Wähler von ihren Führungsqualitäten zu überzeugen?
Lafontaine: Wir sind doch zweitstärkste Partei. Wenn die NPD Zulauf hat, geht das immer zulasten der Linken, weil sozial Schwächere in ihrer Verzweiflung auch mal rechts wählen. Die Grünen haben von der Atomkatastrophe in Japan profitiert, obwohl sie als Kriegspartei ihre Glaubwürdigkeit in der Umweltfrage längst verspielt haben.
Morgenpost Online: Ein Argument des SPD-Spitzenkandidaten Jens Bullerjahn gegen Rot-Rot war, dass eine Haushaltssanierung mit der Linken nicht möglich wäre.
Lafontaine: Wenn man den Haushalt sanieren will, kann man soziale oder Bildungsausgaben kürzen, oder man kann die Einnahmen erhöhen. Schade, dass Herr Bullerjahn diese Alternative nicht kennt.
Morgenpost Online: Aber dies ist ja auch im Programmentwurf der Bundespartei der Linken ein wunder Punkt. Die dortige Festlegung, dass sich die Linke an keiner Regierung beteiligen darf, die Privatisierungen oder Sozialabbau vornimmt, stößt parteiintern auf starke Kritik. Legt sich die Linke damit zu sehr fest?
Lafontaine: Privatisierungen oder Sozialabbau zu verhindern gehört zum Profil der Linken. Man würde von der FDP auch nicht erwarten, dass diese Klientelpartei die Vermögensteuer einführt oder den Spitzensteuersatz erhöht.
Morgenpost Online: Aber nach diesen Kriterien dürfte die Linke weder in Berlin noch in Brandenburg mitregieren.
Lafontaine: Die Berliner Linke hat sich in ihrem Wahlprogramm gegen Privatisierungen und Sozialabbau ausgesprochen. In Brandenburg hat die Linke leider dem von Matthias Platzeck vorgeschlagenen starken Personalabbau zugestimmt. Eine deutliche Mehrheit in der Linken lehnt weiteren Personalabbau im öffentlichen Dienst ab.
Morgenpost Online: Wie wird die Linke bei den Wahlen am kommenden Sonntag in Baden-Württemberg und in Rheinland-Pfalz abschneiden?
Lafontaine: Niemand kann abschätzen, wie sich die Katastrophe in Japan oder die Militärintervention in Libyen auf das Wahlverhalten auswirken. In Baden-Württemberg ist der Regierungswechsel nur sicher, wenn die Linke in den Landtag kommt. SPD- und Grünen-Anhänger müssen dieses Mal taktisch, das heißt die Linke wählen. In Rheinland-Pfalz braucht Kurt Beck, der für HartzIV, die Agenda 2010 und den Bundeswehreinsatz in Afghanistan mitverantwortlich ist, eine Partei im Landtag, die Sozialabbau und Kriegsbeteiligung ablehnt.
Morgenpost Online: Aber zeigt der Wahlkampf in Baden-Württemberg nicht auch einfach, dass die Kernthemen der Linken – Friedenspolitik, soziale Gerechtigkeit – nicht ausreichen, um sich im Westen wirklich zu etablieren?
Lafontaine: Gerade in Baden-Württemberg haben wir einen großen Zuspruch…
Morgenpost Online: …na ja, 4 bis 4,5 Prozent laut aktueller Umfragen…
Lafontaine: …wegen dieser Kernthemen. Über 80 Prozent der neuen Arbeitsplätze sind prekär. Immer mehr Gegner von Stuttgart 21 haben inzwischen erkannt, dass hier nicht die Grünen verlässlich sind, sondern nur die Linke.
Morgenpost Online: Wenn die Linke dort scheitert – wäre das ein Zeichen, dass die Westausdehnung der Partei ihre Grenzen erreicht hat?
Lafontaine: Es gab nie eine Westausdehnung. Es gab eine neue Partei Die Linke, die im Westen sehr erfolgreich und schon in sieben Landtagen vertreten ist. Dass kleinere Parteien nicht in allen Landtagen vertreten sind, siehe jetzt die FDP in Sachsen-Anhalt, gehört zur deutschen Parteiengeschichte. Aber wir wollen es jetzt wissen und in die Landtage von Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz einziehen.
Morgenpost Online: Sie würden also nicht sagen, dass sich die Linke bei der Energiepolitik oder beim Bürgerengagement stärker profilieren müsste.
Lafontaine: Bei der Energiepolitik hatten wir bei der Wahl von Nordrhein-Westfalen den Beweis, dass die Grünen auf das falsche Pferd setzen. Wir hatten die Verstaatlichung, die Rekommunalisierung der Energieversorgung verlangt. Das war für die Grünen ein Grund, nicht mit uns zusammenzuarbeiten. Die Energiewende wird es nicht geben, solange die Gewinnmaximierung das Handeln der großen Energiekonzerne bestimmt. Die Grünen werden noch lernen: Es gibt keinen grünen Kapitalismus.
Morgenpost Online: Apropos NRW: Warum ist die Linke gegen Neuwahlen? Scheitert der Haushalt ein weiteres Mal, würde das den politischen Gestaltungsspielraum sehr einschränken.
Lafontaine: Haushaltsprobleme können mit parlamentarischen Mehrheiten gelöst werden. Wir können in einem solchen Fall nicht nach Neuwahlen rufen. Wir haben aber keine Angst davor, denn wir sind eine kampferprobte Truppe.
Morgenpost Online: Haben Sie sich eigentlich bei Herrn Westerwelle schon bedankt, dass er eine Militärintervention in Libyen abgelehnt hat?
Lafontaine: Er hat erkannt, dass der Krieg oft mit dem Durchsetzen einer Flugverbotszone beginnt. Für uns ist Krieg kein Mittel der Politik. Deutschland könnte eine Wende erreichen, wenn es den Diktatoren keine Waffen mehr liefern würde, mit denen sie dann ihre Bürger ermorden. Wir könnten auch Vorbild bei der Aufnahme von Flüchtlingen sein. Im Übrigen sollte, wenn die Bundeswehr in einen Krieg geschickt wird, spätestens nach einem Jahr eine Volksbefragung über diesen Einsatz stattfinden.
Morgenpost Online: Aber in der jetzigen Situation sollte Deutschland zuschauen, wie ein Tyrann sein Volk ermorden lässt?
Lafontaine: Deutschland schaut zu, wie Millionen Menschen, darunter viele Kinder, an Hunger und Krankheit sterben. Das Wegschauen ist immer moralisch verwerflich. Wir könnten durch zivile Hilfe, durch Grünhelme, viel mehr Menschenleben retten. Aber es gibt bei CDU, SPD, FDP und Grünen ein Pickelhaubendenken, nachdem in erster Linie Militär eingesetzt werden muss, um Menschenleben zu retten. Leider kann man im Krieg nicht vermeiden, dass unschuldige Menschen umgebracht werden.