Nach den blutigen Zusammenstößen vom Wochenende herrscht in der ägyptischen Hauptstadt Kairo gespannte Ruhe. In der Nacht zum Dienstag wurden keine gewaltsamen Zwischenfälle gemeldet. Die Suche nach den Schuldigen geht indes weiter.
Nach den blutigen Straßenkämpfen zwischen Christen und dem Militär wird in Ägypten nach den Schuldigen gesucht. Die Vereinigungen der koptischen Christen machten in einer Erklärung, die von der christlichen Zeitung „Watani“ am Dienstag veröffentlicht wurde, die Armeeführung für das Blutbad von Sonntagnacht verantwortlich. Dabei waren nach inoffiziellen Angaben 22 Zivilisten und 4 Soldaten gestorben. Offiziell ist von 25 Toten und 329 Verletzten die Rede.
„Das gewalttätige Vorgehen (der Soldaten) war schlimmer als das, was die israelische Armee mit den Palästinensern macht, die Kassam-Raketen abfeuern“, heißt es in der Erklärung der koptischen Vereinigungen. Die Staatsanwaltschaft der Militärjustiz hatte am Montagabend 19 Christen und zwei Muslime in Untersuchungshaft genommen, denen sie Zerstörung öffentlichen Eigentums und Angriffe auf die Armee vorwirft.
Die staatlichen Medien meldeten, die Übergangsregierung wolle binnen zwei Wochen eine revidierte Version des Gesetzes vorlegen, das den Bau von Gotteshäusern vorsieht. Die Demonstration der koptischen Christen am Sonntagabend, bei der es zu den gewalttätigen Zusammenstößen mit der Armee gekommen war, hatte als friedliche Protestaktion gegen den Gouverneur der Provinz Assuan begonnen. Die Christen werfen ihm vor, er habe in einem Streit um den Umbau eines Hauses in eine koptische Kirche in einem Dorf die Partei der muslimischen Dorfbewohner ergriffen.
Traditionell werden Baugenehmigungen für Moscheen ohne Probleme erteilt. Die Angehörigen der christlichen Minderheit warten aber oft jahrelang vergeblich auf eine Erlaubnis für den Bau einer Kirche, weil ihnen ein kompliziertes Genehmigungsverfahren auferlegt wird. Sie fordern die Gleichstellung der beiden Religionsgruppen.
Bei einer Demonstration von Kopten in Kairo waren am Sonntagabend 26 Menschen ums Leben gekommen. Es waren die schwersten Ausschreitungen in dem Land seit dem Sturz des früheren Präsidenten Husni Mubarak Anfang dieses Jahres. Bei den Zusammenstößen zwischen Kopten, Muslimen und Sicherheitskräften wurden zudem mehr als 300 Menschen verletzt.
Augenzeugen und Reporter berichteten, die Gewalt habe begonnen, als Schlägertrupps Steine auf eine Menge von mehreren tausend christlichen Demonstranten geworfen hätten. Diese hatten sich versammelt, um gegen die Diskriminierung ihrer Glaubensgemeinschaft zu protestierten. Als die durch die Steinwürfe aufgebrachten Demonstranten vor dem Gebäude des staatlichen Fernsehens angekommen seien, habe plötzlich jemand aus der Menge heraus einen vor dem Gebäude stehenden Wachmann erschossen.
Die Demonstranten hatten zuvor die Absetzung des Gouverneurs der Provinz Assuan gefordert, der es ihrer Ansicht nach versäumt hatte, sich im Konflikt um den Bau einer Kirche schützend vor die Christen des Dorfes Mari Nab bei Edfu zu stellen. Das Gotteshaus war von radikalen Muslimen attackiert worden. Diese hatten behauptet, das Gebäude sei ohne Erlaubnis der Behörden in eine Kirche umgewandelt worden. Auch der Konflikt um eine Schule in der Provinz Minia, in der christliche Mädchen im September gezwungen worden waren, mit Kopftuch zum Unterricht zu erscheinen, hatte, die Spannungen zwischen der muslimischen Mehrheit und den Mitgliedern der koptisch-orthodoxen Kirchen angeheizt.
An den Massendemonstrationen, die zum Sturz von Präsident Mubarak geführt hatten, waren auch Angehörige der christlichen Minderheit beteiligt gewesen. Viele koptische Christen, die auch unter Mubarak schon über Diskriminierung geklagt hatten, treibt jedoch die Sorge um, dass ihr Staat unter dem Einfluss der Muslimbruderschaft jetzt „islamisiert“ wird.
AFP/dapd/cb