Berlin. Das umstrittene Heizungsgesetz kommt diese Woche in den Bundestag. Die Ampel-Koalitionäre haben am Dienstag eine Einigung erzielt.

Sehen so stolze Eltern aus? Die Erleichterung ist Rolf Mützenich, Christian Dürr und Katharina Dröge zumindest anzumerken, als die Fraktionsvorsitzenden der Ampel am Dienstagnachmittag im Bundestag vor die Kameras traten. Ihre frohe Botschaft: Das Heizungsgesetz ist da – mit grundlegenden Änderungen. Immobilienbesitzer und Mieter können nun deutlich besser abschätzen, was mit dem Gebäudeenergiegesetz (GEG) auf sie zukommt. Lesen Sie dazu den Kommentar: Wie die Heizungswende zur Nahtoderfahrung der "Ampel" wurde

Wenige Stunden zuvor hatte das anders ausgesehen: „Noch ist das Kind nicht auf der Welt“, sagte Grünen-Fraktionschefin Dröge am Mittag, obwohl die bisherigen Ampel-Unterhändler nicht nur das gesamte Wochenende, sondern auch bis spät in die Nacht auf Dienstag nach Lösungen gesucht hatten. Der Streit um das Gesetz tobt in der Koalition seit Wochen – und hatte sie an den Rand einer Regierungskrise gebracht. FDP-Fraktionschef Dürr freute sich schließlich über „fundamentale Änderungen“.

Heizung: Neues Gesetz soll laut FDP "technologieoffen" sein

Das Gesetz hatte nicht nur die Koalition, sondern das gesamte Land in den vergangenen Wochen aufgewühlt. Der Entwurf von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sah vor, dass neue Heizungen künftig zu 65 Prozent mit erneuerbaren Energien betrieben werden müssen. Klassische Öl- und Gasheizungen können dies nur in Verbindung etwa mit einer Wärmepumpe oder einer Pelletheizung leisten. Besonders die FDP ging gegen das Gesetz auf die Barrikaden. Das könnte Sie auch interessieren: Welche Heizung ist die beste? Energieberater gibt Tipps

Die Einigung sieht nun nach den Worten vor Dürr „Technologieoffenheit“ vor: „Die Heizung muss zum Gebäude passen und nicht umgekehrt.“ In einem Einigungspapier der drei Koalitionspartner heißt es: „Heizungen, die mit Holz und Pellets betrieben werden, erfüllen die 65-Prozent-Vorgabe ausnahmslos.“ Auch zu 65 Prozent mit Biomasse oder Wasserstoff betriebene Gasheizungen sollen unter bestimmten Umständen weiter eingebaut werden dürfen. Auch interessant: Pelletspreise: Prognose und Preisentwicklung für Holzpellets

Gasgeräte erlaubt, wenn sie auf Wasserstoff umrüstbar sind

Für Dürr besonders wichtig: „Der Staat selbst wird in Vorleistung gehen.“ Das Gebäudeenergiegesetz soll zwar zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Aber: Zunächst einmal soll die von der Bundesregierung geforderte Kommunale Wärmeplanung vorliegen, bevor Hausbesitzer aufgrund des Gesetzes zum Heizungsaustausch greifen. „Solange keine Kommunale Wärmeplanung vorliegt, gelten beim Heizungstausch die Regelungen des GEG noch nicht“, versprechen die Koalitionspartner. Lesen Sie auch: Wärmeplanung: Was Sie über das Heizgesetz wissen sollten

Demnach dürfen ab Januar 2024 auch noch Gasheizungen eingebaut werden, wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind. Dies gilt dem Koalitionsbeschluss zufolge auch für Neubauten außerhalb von Neubaugebieten. In Neubaugebieten gelten die Regelungen des GEG unmittelbar ab dem 1. Januar des kommenden Jahres. Durch die Kopplung an die Kommunale Wärmeplanung könnte das Gesetz mancherorts für Bestandsgebäude erst in einigen Jahren konkrete Auswirkungen haben. Dürr nannte das Jahr 2028.

Städte und Kommunen fordern Unterstützung für ihre Wärewende

„Es ist ein richtiger Schritt, dass beim Gebäudeenergiegesetz - insbesondere bei Bestandsgebäuden - eine Verpflichtung erst dann entsteht, wenn die kommunale Wärmeplanung vorliegt“, sagte der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, unserer Redaktion. Das bedeute für die meisten Kommunen, dass frühestens 2028 Maßnahmen ergriffen würden. „Damit wird die notwendige Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung hergestellt.“

Zugleich forderte er vom Bund „eine nachhaltige Unterstützung“, damit auch die Kommunen bei Ihren eignen 185.000 Gebäuden die Wärmewende umsetzen könnten. Wegen der vielen noch offenen Details sollte das Gesetzgebungsverfahren mit großer Sorgfalt und Realitätssinn betrieben werden, so der Hauptgeschäftsführer. Dazu gehöre auch eine konkrete Kostenschätzung.

Auch ein klimafreundliches Modell: Fernwärme

Derweil kann der Anschluss an ein Fernwärmenetz gerade für Immobilienbesitzer einfacher und billiger sein als die Umrüstung der eigenen Heizung auf ein klimafreundlicheres Modell. Der Koalition ist es wichtig, dass die Bürgerinnen und Bürger über solche Möglichkeiten informiert werden: „Ab 1.1.2024 darf der Verkauf von entsprechenden Heizungen nur stattfinden, wenn eine Beratung erfolgt, die auf mögliche Auswirkungen der kommunalen Wärmeplanung und die mögliche Unwirtschaftlichkeit hinweist“, heißt es in dem Koalitionsbeschluss.

Das geplante Heiz-Kataster verpflichtet die Kommunen dazu, den Energieverbrauch der Gebäude in einer Region genau zu erfassen. Das bringt mehr Planungssicherheit bei der Wärmewende.
Das geplante Heiz-Kataster verpflichtet die Kommunen dazu, den Energieverbrauch der Gebäude in einer Region genau zu erfassen. Das bringt mehr Planungssicherheit bei der Wärmewende. © Harald Oppitz/KNA | Harald Oppitz

Der Gesetzentwurf enthalte in seiner neuen Fassung „mehr Pragmatismus“, sagte Grünen-Fraktionschefin Dröge. Zudem würden soziale Härten besser adressiert. Die genaue Förderung neuer klimafreundlicher Heizungen bleibt auch nach dem Koalitionskompromiss allerdings offen. Aktuell gebe es eine Förderung von 30 Prozent für alle Käufer und von 50 Prozent für die Bezieher unterer Einkommen, sagte Dröge. Dieses Programm solle so weit ausgeweitet werden, „dass es noch mehr in die Mitte der Gesellschaft hereinreicht und noch mehr unterschiedliche soziale Härten adressiert“. Auch interessant: 100.000 Häuser pro Jahr: Das ist Habecks Fernwärme-Plan

Hat Scholz etwa ein Machtwort gesprochen?

Die Details müssen noch geklärt werden. „Haushalte dürfen im Rahmen notwendiger Neuinvestitionen nicht überfordert werden“, heißt es in dem Koalitionsbeschluss. Deshalb werde es eine Förderung des Bundes geben, „die möglichst passgenau die einzelnen Bedürfnislagen und soziale Härten bis in die Mitte der Gesellschaft berücksichtigt“. Weiter heißt es: „Wir wollen niemanden zu etwas verpflichten, das in der jeweiligen Lebenslage nicht leistbar ist.“

Die wochenlange Debatte um das Heizungsgesetz hatte das Ampel-Bündnis massiv unter Druck gesetzt. Die Union warf der Koalition vor, mit dem Hin und Her um den Heizungsaustausch den Höhenflug der AfD in den Umfragen mitverursacht zu haben.

Der Durchbruch in den zähen Verhandlungen deutete sich am Dienstag schließlich an, als Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD), Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sowie der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner zu den Gesprächen stießen. Waren die drei Spitzen der Regierung die entscheidenden Geburtshelfer? Oder hat der Kanzler ein Machtwort gesprochen, damit der Konflikt seine Koalition nicht weiter beschädigt?

Eine vollständige Abkehr von Habecks Urentwurf?

SPD-Fraktionschef Mützenich weist den Eindruck zurück: Es habe fachliche Fragen mit den Regierungsvertretern zu klären gegeben, deswegen seien die drei in den Bundestag gebeten worden. Der Bundeskanzler sei ein „guter Zuhörer“, der versuche „die Dinge zu durchdenken, die vor ihm ausgebreitet werden“, berichtet der Sozialdemokrat. „Das haben wir getan.“ Allerdings sei es Scholz auch wichtig gewesen, dass die Koalition Handlungsfähigkeit beweise, räumt Mützenich ein.

Mit der Einigung ist der Weg frei, das Gesetz noch vor der parlamentarischen Sommerpause im Bundestag zu verabschieden. Die erste Lesung könnte am Donnerstag stattfinden. Das Thema muss nun noch nachträglich auf die Tagesordnung gesetzt werden. Mützenich rief die Opposition auf, dies zu unterstützen. Die abschließenden Beratungen wären nun im Juli möglich, bevor sich die Abgeordneten für den Sommer aus Berlin verabschieden.

Klimaaktivistin nennt Gesetz einen "schlechten Witz"

Die FDP bewertete das Ergebnis als einen Erfolg für sich: Die erzielten Ergebnisse „spiegeln fast vollständig das wider“, was sich die Partei von Anfang an gewünscht hätte, sagte der stellvertretende FDP-Bundesvorsitzende Wolfgang Kubicki dieser Redaktion. „Es ist eine vollständige Abkehr von den ursprünglichen Vorstellungen Habecks.“ Die FDP schaue sich nun an, „wie diese Vorgaben gesetzlich konkret umgesetzt werden“. Er sehe den weiteren Verlauf jetzt aber „positiv“, fügte Kubicki hinzu. Auch interessant: Austauschpflicht: Wo Hausbesitzer besonders betroffen sind

Die Klimaaktivistin Luisa Neubauer kritisierte die Einigung. Diese sei eine „de facto Entkernung des GEGs“ und ein „ein schlechter Witz“, sagte Neubauer dieser Redaktion. „Im Zweifel schwinden so die Chancen einer schnellen und gerechten Wärmewende vollständig.“ Hinzu komme der politische Preis. „Während die Ampel sich auch in diese Debatte wieder selbst den Weg verstellt hat, rinnt das Vertrauen in die Krisenkompetenzen der Ampel.“ Das könnte Sie auch interessieren: Führte Habecks Heizungswende zur Flaute auf dem Häusermarkt?