Straßburg. Die Vergiftung des Kremlkritikers Alexej Nawalny im Jahr 2020 sorgte international für großes Aufsehen und löste eine Welle der Empörung aus. Nun hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein Urteil gefällt, das Russland wegen unzureichender Ermittlungen in dem Fall verurteilt.
In seiner Entscheidung kritisiert das Straßburger Gericht, dass ein mögliches politisches Motiv für den Mordversuch sowie eine potenzielle Beteiligung staatlicher Agenten nicht ausreichend berücksichtigt wurden. Das Urteil wirft erneut ein Schlaglicht auf den Fall Nawalny und die umstrittenen Ermittlungen, die damit in Verbindung stehen.
Fall Nawalny: EGMR verurteilt Russland zu Schadensersatz
Nawalny, einer der prominentesten Kritiker von Präsident Wladimir Putin, wurde im Sommer 2020 während einer Reise nach Sibirien mit dem Nervenkampfstoff Nowitschok vergiftet. Er überlebte den Anschlag nur knapp. Seitdem wirft er dem russischen Inlandsgeheimdienst FSB vor, hinter der Vergiftung zu stecken. Die Behörden bestreiten eine Beteiligung.
Trotz seiner drohenden Verhaftung kehrte Alexej Nawalny nach einer medizinischen Behandlung in Deutschland nach Russland zurück. Gegenwärtig verbüßt er eine neunjährige Haftstrafe in einem russischen Straflager, wobei er bereits zwei Jahre abgesessen hat. Allerdings drohen ihm in einem neuen Prozess weitere 30 Jahre Haft im Lager. Lesen Sie hier: Putin-Erzfeind Nawalny – Wird er jetzt für immer weggesperrt?
Der EGMR urteilte einstimmig, dass Nawalny in seinem Recht auf Leben, wie es in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankert ist, verletzt wurde. Das Gericht kritisierte die undurchsichtigen Ermittlungen der russischen Behörden und stellte fest, dass Nawalnys Recht auf Beteiligung am Verfahren nicht angemessen berücksichtigt wurde. Als Konsequenz wurde Russland zur Zahlung von 40.000 Euro Schadenersatz verurteilt. Präsident Putin hat bereits angekündigt, Urteile des Gerichtshofs für Menschenrechte nicht mehr anerkennen zu wollen. Auch interessant: Russlands Rebellen – Was von Putins Gegnern übrig ist
Tausend Klagen gegen Russland am EGMR
Russland wurde wegen seines Angriffskrieges gegen die Ukraine aus dem Europarat ausgeschlossen. Damit ist das Land auch kein Mitglied der Europäischen Menschenrechtskonvention mehr, für deren Einhaltung der Gerichtshof sorgt. Am Gerichtshof für Menschenrechte sind dennoch mehrere Tausend Klagen gegen Russland anhängig. Europarat, Menschenrechtskonvention und Gerichtshof sind unabhängig von der EU. (soj/dpa)
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