Berlin. Das Video eines mutmaßlich russischen Kriegsverbrechens ist auf Telegram aufgetaucht. Selenskyj ist entsetzt, der Kreml sät Zweifel.
Ein Video, das ein mutmaßliches Kriegsverbrechen russischer Soldaten zeigt, hat weit über die Ukraine hinaus für Entsetzen gesorgt. Aufgetaucht war der Clip in der Nacht zum Mittwoch in den sozialen Netzwerken. In dem Video, das dieser Redaktion vorliegt, ist zu sehen, wie ein mutmaßlicher russischer Soldat einen noch lebenden Soldaten, bei dem es sich wohl um einen ukrainischen Kriegsgefangenen handelt, mit einem Messer enthauptet.
Das eine Minute und 40 Sekunden lange Video wird seit Dienstag auf russischen Telegramm-Kanälen verbreitet. Darin ist unter anderem ein Mann in Kampfanzug mit maskiertem Gesicht zu sehen, der auf Aufforderung eines russisch sprechenden Mannes hinter der Kamera einen am Boden liegenden Mann in Uniform mit einem Messer unter Schreien enthauptet. Die Kamera nimmt auch die Militäruniform des getöteten Mannes mit dem Abzeichen der Ukraine auf. Anschließend hält der Täter den blutüberströmten Kopf in die Kamera.
Russische Söldner in Video wohl identifiziert
Eine Überprüfung des Videos auf Echtheit und eine unabhängige Analyse des Aufnahmezeitpunkts steht derzeit noch aus. Ein ehemaliger russischer Söldner will darin laut Bürgerrechtlern aber bereits "eindeutig" seine früheren Kameraden als Täter identifiziert haben. Man habe Andrej Medwedew, der vor Monaten nach Norwegen geflohen war und derzeit in Schweden inhaftiert ist, das Videomaterial zukommen lassen, sagte der Gründer der russischen Bürgerrechtsorganisation Gulagu.net, Wladimir Ossetschkin, am Mittwoch.
"Er hat es mehrmals aufmerksam angehört und geschaut und er erkennt dort eindeutig seine früheren Kollegen, Kämpfer der Söldnertruppe Wagner", erklärte Ossetschkin in dem Beitrag, der auf dem Youtube-Kanal des im Ausland lebenden russischen Oppositionellen Michail Chodorkowski veröffentlicht wurde. Medwedew, der früher selbst für die berüchtigte russische Söldnergruppe kämpfte, habe die Männer anhand "charakteristischer Rufzeichen und ihrer Art zu sprechen" identifiziert, sagte der Bürgerrechtler weiter.
- Strahlung:Offenbar erhöhte Radioaktivität in Mariupol – Was wir wissen
- Frost und Schnee: „Dann war es das für uns – Die Ukrainer fürchten den Winter
- Horrende Verluste:Darum verliert Putin so viele Panzer
- An der Front:Sturm auf der Krim flutet russische Verteidigungslinien
- Waffenhilfe: Ukraine-Botschafter: „Die Deutschen können stolz sein“
Ukraine-Krieg: Selenskyj fordert weltweite Reaktion auf Kriegsverbrechen
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bezeichnete das Video als Beleg für die Brutalität Russlands. Die Welt müsse sehen, "wie leichtfertig diese Bestien töten", sagte Selenskyj am Mittwoch. Gleichzeitig erneuerte er auch seine Forderung nach einer Strafverfolgung der Verantwortlichen für Kriegsverbrechen in der Ukraine und verlangte "Gefängnisstrafen für die Mörder, ein Tribunal für den Verbrecherstaat".
Der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba nannte das Video der mutmaßlichen Enthauptung "schrecklich" und nannte Russland "schlimmer als den IS". Die Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) hatte in den vergangenen Jahren mehrere Videos von Tötungen von Gefangenen veröffentlicht, darunter auch Enthauptungen.
EU-Kommission: Russland missachtet das Völkerrecht
Die UN-Mission zur Überwachung der Menschenrechte in der Ukraine teilte mit, man sei "entsetzt" über das Video. In einem Statement wurde zudem auf ein weiteres Video verwiesen, das online kursiere und "verstümmelte Leichen" zeige, offenbar von ukrainischen Kriegsgefangenen. Die UN-Mission forderte Ermittlungen, um "die Verursacher zur Rechenschaft zu ziehen".
Lesen Sie hier: Verschleppte Kinder – Wer nicht russisch singt, soll brennen
Die EU-Kommission erklärte in Brüssel, sie habe keine Informationen über den Wahrheitsgehalt des Videos. Sollte es jedoch authentisch sein, wäre die Tötung eines Kriegsgefangenen "ein schwerwiegender Verstoß gegen die Genfer Konvention" und würde "einmal mehr die völlige Missachtung des Völkerrechts und insbesondere des humanitären Völkerrechts durch Russland" zeigen, betonte Kommissionssprecherin Nabila Massrali. Alle Täter und Komplizen von Kriegsverbrechen würden zur Rechenschaft gezogen.
Enthauptungs-Video: Kreml sät Zweifel an Echtheit
In Moskau hingegen wurden Zweifel an der Echtheit des Videos laut. Russland forderte daher eine "Prüfung" des Videos. "Wir leben in einer Welt der Fälschungen", sagte Kreml-Sprecher Dmitri Peskow.
Lesen Sie auch: UNO-Bericht schockiert – Die Gräueltaten russischer Soldaten
Moskau und Kiew werfen sich immer wieder gegenseitig vor, Kriegsgefangene zu töten. Anfang März war ein Video aufgetaucht, das die Erschießung eines ukrainischen Kriegsgefangenen durch russische Soldaten zeigen soll. Die Bilder lösten Empörung in der Ukraine aus. Im November zeigte sich Moskau seinerseits empört über Videos, die die Tötung von einem Dutzend russischer Soldaten zeigen sollen, die sich zuvor der ukrainischen Armee ergeben haben sollen.
Im März hatte die UNO sowohl Russland als auch der Ukraine vorgeworfen, seit Beginn des russischen Angriffskriegs im Februar 2022 Kriegsgefangene willkürlich ohne Gerichtsverfahren exekutiert zu haben. (lro/AFP/dpa)