Berlin. Laut einer neuen Umfrage sind deutlich mehr unter 60-Jährige geimpft, als vom RKI offiziell gemeldet. Das könnte mehrere Gründe haben
Verwirrung um die Impfquote: Einem aktuellen Bericht des Robert Koch-Institutes zufolge liegt diese bei den unter 60-Jährigen deutlich höher als bislang offiziell angegeben.
Laut dem so genannten Covimo-Report geben 79 Prozent der 18- bis 59-Jährigen in Deutschland an, mindestens einmal geimpft zu sein. Das Digitale Impfquotenmonitoring (DIM) des Robert-Koch-Instituts hat hingegen nur 59 Prozent in dieser Altersgruppe erfasst.
Diese Diskrepanz ist umso dramatischer, als die Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch gemeinsam mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Verweis auf die niedrige Impfquote eine Reihe von Maßnahmen wie die 3-G-Regel (Zutritt nur für Geimpfte, Genesene und Getestete) für viele Einrichtungen beschlossen hatte.
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Impfquote: Woher kommt der Unterschied zum RKI?
Doch wie ist der Unterschied zu erklären? Der Covimo-Report ist eine repräsentative Umfrage des RKI, mit der die Impfbereitschaft der Bevölkerung erfasst werden soll. Dafür werden seit Januar 2021 alle drei bis vier Wochen etwa 1000 Personen deutschlandweit telefonisch befragt.
Der aktuelle Bericht basiert auf einer Befragung vom 28. Juni bis 13. Juli unter 1005 Erwachsenen zur COVID-19-Impfung. 84,5 Prozent gaben an, mindestens einmal geimpft zu sein, 59 Prozent sind nach eigenen Angaben vollständig geimpft.
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Offiziell wird die Impfquote durch das Digitale Impfquotenmonitoring (DIM) des Robert-Koch-Instituts angegeben. Hier werden die gemeldeten Impfzahlen aus den Impfzentren, von den mobilen Impfteams, Krankenhäusern, Betriebsärzten und niedergelassenen Ärzten erfasst.
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Studie spricht von „Untererfassung“
Im Covimo-Report werden bereits vier mögliche Gründe genannt, die den Unterschied bei den Zahlen erklären könnten.
- Die Befragung wird bislang nur in deutscher Sprache durchgeführt – Menschen ohne Deutschkenntnisse sind deshalb nicht erfasst. Frühere Studien zeigen, dass die Zahl der Ungeimpften bei Personen mit Migrationshintergrund aber durchschnittlich etwas höher ist.
- Umfragen setzen immer die Bereitschaft der Befragten voraus, sich interviewen zu lassen. Die Autorinnen der Covimo-Studie vermuten, dass sich bereits Geimpfte lieber zur Impfbereitschaft befragen lassen als Ungeimpfte.
- Der Einmal-Impfstoff Janssen von Johnson&Johnson wird von impfenden Ärzten immer nur als Zweitdosis gemeldet, ist bei den Zahlen zur Erstimpfung also nicht mitaufgenommen.
- Bislang meldet etwa nur die Hälfte der beim Digitalen Impfquotenmonitoring registrierten Betriebsärzte und -ärztinnen über diese Webanwendungen die von ihnen durchgeführten Impfungen. Das könnte einer der Gründe für eine „Untererfassung“ im DIM sein, heißt es im Report.
Aber: All diese Gründe erklären den Unterschied nicht völlig, denn in früheren Befragungen gab es keine deutliche Diskrepanz zwischen Covimo-Befragung und DIM. Die Verfasserinnen des Reports schätzen deshalb die tatsächliche Impfquote bei den Erstimpfungen in der Altersgruppe der 18- bis 59-Jährigen auf 66 Prozent.
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Niedergelassene Ärzte müssen Impfungen zweimal melden
Zu einer Verzerrung dürfte auch noch ein anderer Faktor führen, der im Report nicht aufgelistet wird. Niedergelassene Ärzte und Ärztinnen, die impfen, müssen diese Zahlen gleich zweimal an die für sie zuständige Kassenärztliche Vereinigung melden: Einmal als nackte Zahl, was Voraussetzung dafür ist, dass ihnen die Impfung vergütet wird. Und ein weiteres Mal für die Meldung der Kassenärztlichen Vereinigung an das DIM des Robert-Koch-Instituts.
Letzteres wird nicht vergütet und ist ein bisschen aufwändiger, da dort auch die Altersgruppen der Geimpften angegeben werden müssen. Eine Kontrolle, ob die dort gemeldeten Zahlen mit den für die Honorierung gemeldeten Zahlen übereinstimmen, findet in der Regel nicht statt. „Da wird nicht immer alles zu 100 Prozent dokumentiert“, sagt ein Berliner Arzt.
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Wurden die Corona-Beschlüsse aufgrund falscher Zahlen getroffen?
Dass es offenbar mehr (Erst-)Geimpfte als offiziell gemeldet gibt, dürfte für die Politik zunächst einmal eine gute Nachricht sein. Problematisch ist, wenn bei Entscheidungen über Corona-Maßnahmen möglicherweise falschen Zahlen zugrunde gelegt werden.

Abgefragt wurde für den Covimo-Report auch die Impfbereitschaft. In der Gruppe der 18- bis 59-Jährigen ist der Anteil der Unentschlossen mit 4,5 Prozent deutlich größer als bei Menschen ab 60 Jahren. Die Autorinnen des Berichts kommen zu dem Ergebnis, in dieser Altersgruppe könne „theoretisch eine Impfquote von 88.5 % erreicht werden, wenn sich alle impfbereiten Personen für eine Impfung entscheiden“.
Von den Personen ab 60 Jahren sind laut Report über 94 Prozent bereits einmal geimpft und 76,5 Prozent vollständig. Für die Studie wurden die Teilnehmer auch befragt, warum sie sich für oder gegen eine Impfung entscheiden. Bei den Befürwortern spielt das Vertrauen in die Sicherheit der Impfung ein Rolle, aber auch die Überzeugung, mit der eigenen Impfung zur Pandemiebekämpfung beizutragen.
Impfbereitschaft weiterhin sehr hoch
Bei den Gegnern ist es das Gefühl, zur Impfung gedrängt zu werden und der Eindruck, dass man selbst keine benötigt. Auch der (wissenschaftlich widerlegte) Mythos, die Impfung könne sich auf die Fruchtbarkeit auswirken, hält sich bei einigen hartnäckig. Skeptiker treibt auch die Frage der Impfschäden um.
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Insgesamt kommt die Studie aber zu einem positiven Fazit: „Die COVID-19-Impfbereitschaft der Bevölkerung liegt auf einem hohen Niveau.“ Berücksichtige man den Anteil der bereits einmal geimpften Personen ergebe sich eine Impfbereitschaft von 91,6 Prozent.