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Ein Jahr nach der US-Wahl: Ortsbesuch in der Trump-Hochburg

| Lesedauer: 8 Minuten
Dirk Hautkapp
Versöhnliche Töne: Trump fordert Nordkorea zu Verhandlungen auf

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Ein Jahr nach der Wahl waren wir dort, wo Trump entscheidend punktete: im Kohle- und Stahl-Revier rund um Johnstown in Pennsylvania.

Johnstown.  Wer an der Endstation der höllisch steilen Zahnradbahn von Johnstown von oben auf den Conemaugh River schaut, versteht, warum Donald Trump im vergangenen Herbst auch hier den Menschen erzählt hat, dass er Amerika „wieder groß machen wird“, wenn sie ihn wählen.

Rechts des Flusses im ehemaligen Kohle- und Stahlrevier in Pennsylvania reihen sich riesige Fabrikhallen aneinander, wie sie auch im Ruhrgebiet zwischen Hattingen und Essen stehen könnten. Steinerne Zeugen der goldenen 70er Jahre, als „Betlehem Steel“ hier bis zu 15.000 Leute ernährte. Dann kam die Krise. Massenentlassungen. Soziale Verwerfungen. Stadtflucht. Drogen-Elend. Perspektivlosigkeit.

Johnstown ist eine vergessene Stadt

Die von dem deutschen Einwanderer Joseph Schantz vor über 200 Jahren gegründete Stadt fiel tief durch den Rost. Statt einst 70.000 heute nur noch 18.000 Einwohner. Sinkende Steuer-Einnahmen, marode Infrastruktur. 1400 Häuser stehen leer. Zum Abreißen fehlt das Geld. Johnstown, eine der vergessenen Städte.

Hat Donald Trump, der wie in ähnlichen Industrie-Regionen zwischen Michigan, Ohio, und West Virginia auch hier am 8. November des vergangenen Jahres die entscheidenden Stimmen geholt hat, die ihn ins Weiße Haus führten, Wort gehalten? Ein Ortsbesuch mit ambivalentem Ausgang.

Wer durch das industrielle Niemandsland am Fluss fährt, braucht lange, bis in den alten Gemäuern hinter den milchigen Scheiben Licht zu sehen ist. Dort sitzt Jackie Kulback.

Die robust-herzliche Managerin des Spezial-Stahl-Herstellers Gautier, der hier 100 Leuten Arbeit gibt, hielt den New Yorker Unternehmer früher „ehrlich gesagt für ein bombastisches Arschloch“.

„In Trump haben wir einen Alliierten“

Heute gehört sie zu Trumps unverwüstlicher Basis von zirka 35 bis 40 Prozent der Wähler, die dem Präsidenten trotz desaströser Umfragewerte und umstrittener Arbeitsbilanz alles verzeihen. „Früher kämpfte die Regierung gegen uns“, sagt die Unternehmerin, die als Hobby den örtlichen Republikanern den Vorsitz führt, „in Trump haben wir einen Alliierten.“ Dass der 71-Jährige „zu oft ungefiltert redet und twittert – „geschenkt, es gibt Wichtigeres.“

Kulback hat in Johnstown „neuen Optimismus“ ausgemacht. Convergys, ein Dienstleister, habe gerade ein Callcenter mit 250 Jobs eröffnet. Ein Metall-Betrieb sucht noch immer 70 Schweißer. „Noch kein Wirtschaftswunder, ich weiß, aber die Richtung stimmt.“ Im eigenen Haus hat sie 30 Leute zusätzlich eingestellt. „Das geht ganz auf Trumps Konto.“

Sieht Mike Brendle auch so. Der 65-Jährige betreibt vor den Toren Johnstowns den Buffer Creek-Schießplatz. 60 Dollar für zwei Stunden Tontauben-Schießen, inklusive Golf-Wägelchen zum Herumkutschieren durch die sanften Hügel der Laurel Mountains. Seit vor kurzem nebenan in Acosta eine lange stillgelegte Kohlegrube wieder geöffnet hat, läuft das Geschäft prächtig. „150 Bergmänner verdienen in etwas das Dreifache von dem, was man bei McDonalds kriegt.“

Politische Unkorrektheit macht Trump beliebt

Für Brendle hat Trump bisher alles „absolut richtig gemacht“ und „den Vorschuss voll verdient“, den ihm die Wähler von Somerset County gewährt haben. 76 Prozent, eines der besten Ergebnisse landesweit. „Er hat einen schlafenden Riesen geweckt – die kleinen Leute.“ Washington, „die Kloake“, sei im Panikmodus. Weil Trump Ernst mache mit dem Schleifen „alter Fürstentümer“.

Wenn der New Yorker Milliardär noch ein „wenig Geduld lernt“, kämen die Erfolge wie von selbst. Alles andere, etwa die angebliche Skandal-Geschichte um Russland, seien doch nur „lästige Nebengeräusche“. Brendles Fazit: „Ich bin kein bisschen beunruhigt, solange Trump nur weiter politisch unkorrekt bleibt.“

Jeff Rininger, sehniger Typ, weiße Schirm-Mütze, Drei-Tage-Bart, kriegt bei solchen Sätzen rote Flecken am Hals. Der 64-Jährige arbeitet beim schwedischen Konzern Höganäs. 33 Dollar Stundenlohn, gute Sozialleistungen.

„Wir haben einen Idioten gewählt“

Seit fast 30 Jahren ist der Ur-Enkel deutscher Einwanderer namens Reininger in Johnstown Chef der örtlichen Stahlarbeiter-Gewerkschaft. 1999 hatte Rininger 1200 Mitglieder in der Kartei. Heute sind es noch 330, die ab und zu ins Gewerkschaftsbüro kommen, das neben einem Waffengeschäft an einer trostlosen Ausfallstraße liegt.

Riningers Firma produziert Autobleche. 2008, auf dem Höhepunkt der Finanzkrise, mussten drei Viertel der Belegschaft gehen. Nur weil Präsident Obama damals Ford und General-Motors pamperte, sei man aus dem Schlamassel rausgekommen.

Und Trump? „Haut uns“ aus dem Transpazifischen Handelsabkommen (TPP) raus. Will Nafta, den Wirtschaftsverbund mit Kanada und Mexiko „stornieren“, was vor allem die Auto-Hersteller treffen würde. Rininger: „Ich muss wirklich sagen, wir haben einen Idioten gewählt.“

Journalist wird hart angegangen nach Trump-Kritik

Die Mehrheit seiner Mitglieder sieht das anders. Sie folgten seiner Wahl-Empfehlung – Clinton - nicht. „Dabei wird man schon bald merken, wie sich unter Trump die Bedingungen in der Arbeitswelt verschlechtern.“ Rininger ist dann weg. Rente 2018. „Ich werde angeln im Stormy Creek River.“ Er hört sich verbittert an. „Frustriert trifft es besser. Ich spreche nicht mehr mit Leuten, die Donald Trump gewählt haben. Selbst wenn es Freunde sind. Der Mann ruiniert unser Land.“

Chip Minemyer, Chef-Redakteur der 1853 gegründeten „Tribune-Democrat“, die noch auf eine Auflage von 30.000 Exemplaren kommt, kann sich solche Kommunikationsverweigerung nicht leisten. Auf die Frage, wie viel Trump man in Johnstown spüren könne, antwortet der erste Chronist der Stadt lakonisch: „Nichts hat sich hier seit dem Wahltag verändert.“ Als Journalist vermisst Minemyer „Anständigkeit und Zivilität“. Kommentiert er gegen Trumps Twitterei, gibt’s ungewohnt Saures aus der Leserschaft.

Arch Liston weiß, warum. „Den Leuten geht die Geduld aus. Sie haben mehr erwartet.“ Als City-Manager ist der knorrige Mann aus New Jersey so etwas wie Bürgermeister und Verwaltungschef in einer Person.

Pittsburgh lockt Bewohner in die Ferne

Dass Trump vor der Wahl versprach, in einer Art nationalem Fitnessprogramm Flughäfen Straßen, Brücken und Abwasserkanäle zu modernisieren, hat ihm imponiert. „Es war ein Gefühl von Aufbruch da. Leider ist nichts geschehen.“ Warum?

Trump habe keine „Lernkurve“. Als „Seiteneinsteiger“ müsse er Regierungsarbeit „von der Pike auf lernen“, sich endlich für die Details interessieren, Lager zusammenführen, haltbare Kompromisse inszenieren. „Sonst gibt es keine Gesetze.“ Und in Johnstown kein Geld.

Um die lokalen Abwasser-Rohre zu erneuern, musste die Stadt gerade 110 Millionen Dollar Kredit aufnehmen. Weil die Hilfe aus Washington ausblieb. Liston kriegt davon Magenschmerzen. Ihm bleibt nichts anderes übrig, als die lokalen Steuern zu erhöhen. Mit der Folge, dass noch mehr Leute wegziehen, um im 90 Minuten entfernten Pittsburgh, wo 30.000 offene Stellen warten, ihr Glück zu suchen. „Wir besteuern die Leute aus ihren Häusern“, sagt Liston, „so macht man Amerika nicht wieder groß.“

Trumps Wahlkampfauftritt hat Eindruck hinterlassen

Arch Liston ist gutmütig aber befangen. Er hat früher in Atlantic City geschafft. In der Casino-Stadt in New Jersey hat Donald Trump mit seinen Pleiten Tausende Existenzen auf dem Gewissen. Warum wurde er trotzdem gewählt? „Die Leute kannten ihn vom Fernsehen. Sie kauften ihm den Macher ab. Tja.“

Jackie Kulback kneift die Augen zusammen, wenn ihr solche Kritik zu Ohren kommt. Mit „Gänsehaut“ erinnert sie sich daran, wie sie vor über einem Jahr Donald Trump vor 8000 Zuhörern in der örtlichen Eishockey-Halle vorstellen durfte. „Der Mann hat die Leute elektrisiert, wie ich es noch nie erlebt habe.“ Diese Wirkung sei noch nicht verpufft.

Und wenn doch einmal? „Er kann ein echter Rüpel sein“, sagt Jackie Kulback, „aber er ist wenigstens unser Rüpel.“