Nicht nur die Flüchtlingsfrage ist ein Politikum zwischen Deutschen und Griechen – auch der Bau einer Schule

Frank-Walter Steinmeier wird nicht mehr so viele Auslandsreisen absolvieren bis zu seiner erwarteten Wahl zum Bundespräsidenten. Eine der Visiten wird ihn aber noch nach Athen führen. Nicht um die Wiege der Demokratie zu würdigen wie der scheidende US-Präsident Barack Obama, sondern um ernsthafte Krisen mit der griechischen Regierung zu besprechen. Und daran mangelt es wirklich nicht am südöstlichen Außenposten Europas.

Steinmeier wird in Athen wohl über die Flüchtlingskrise sprechen müssen, nachdem der türkische Präsident Erdogan mit dem Scheitern des Flüchtlingspakts und der Öffnung der Grenzen gedroht hat. Griechenland wäre sofort betroffen, weil die Balkanroute geschlossen ist. Schon jetzt zeigt der Brand mit zwei Opfern im Flüchtlingslager „Moria“ auf Lesbos am vergangenen Donnerstag, wie groß die Herausforderung für die angeschlagene griechische Verwaltung ist, verzweifelte Flüchtlinge unterzubringen. Verzweifelt und enttäuscht, weil sie auf den Inseln der Ost-Ägäis ohne Aussicht auf die erhoffte Weiterreise nach Europa festsitzen. Der Plan, Flüchtlinge auf andere EU-Staaten zu verteilen, geht nicht auf.

Weitere Baustelle: Die Zypern-Frage bekam wieder Brisanz. Derzeit ist nicht klar, ob die Gespräche in der Schweiz zwischen dem griechisch-zypriotischen Präsidenten Nikos Anastasiades und dem türkisch-zypriotischen Führer Mustafa Akinci nur unterbrochen wurden oder endgültig gescheitert sind. Nationalisten auf beiden Seiten versuchen sowieso, die letzte ernsthafte Chance für die Wiedervereinigung Zyperns zu torpedieren.

Der türkische Präsident Erdogan rüttelt immer heftiger auch am Vertrag von Lausanne, versetzt seine Nachbarn und besonders die Griechen in Aufruhr, weil dieser Vertrag seit 93 Jahren die heutigen Grenzen nach dem Zerfall des Osmanischen Reiches regelt. Mag sein, dass Erdogan nur die Kemalisten in der Türkei diskreditieren will, weil der Staatsgründer Atatürk den Vertrag ausgehandelt hat. Was aber, wenn ein unberechenbarer, dem Größenwahn verfallener Autokrat es sich eines Tages anders überlegt? Die Botschaft der Unverletzbarkeit der Grenzen muss jetzt schon – auch von Steinmeier in Athen – nach Ankara gesendet werden.

Dritte Baustelle: Die von Athen beanspruchten Kriegsreparationen werden von Regierungschef Alexis Tsipras nicht mehr so vehement wie am Anfang seiner Amtszeit gefordert. Dennoch bleibt das Thema eine offene Wunde der bilateralen Beziehungen. Steinmeier wird sich auch in der Zukunft damit beschäftigen müssen, so wie alle Bundespräsidenten, die in den vergangenen Jahrzehnten Griechenland besucht haben.

Aktuell muss sich Steinmeier um eine wortwörtliche Baustelle kümmern, den Bau einer Schule für die fast 30.000 in München lebenden Griechen. Die bayerische Landeshauptstadt verkaufte 2001 dem griechischen Staat zu diesem Zweck ein Grundstück. Seitdem ist viel Zeit vergangen, aber wenig gebaut worden. Bis 2008 durften die Griechen wegen Beschwerden von Anwohnern nicht bauen. Dann versank das Land in der Krise, verpasste eine Frist nach der anderen. Der Bau der Schule begann zwar, konnte aber nicht rechtzeitig fertiggestellt werden. Die griechische Regierung bat zuletzt im Sommer 2016 um einen neuen Fertigstellungsplan und fühlt sich von der deutschen Seite hintergangen.

Trotz entsprechender Zusagen für die Mitfinanzierung des Projekts durch die Regierung von Oberbayern beschloss der Münchner Stadtrat im Oktober die Rückübertragung des Areals an die Stadt, um den wachsenden Bedarf an deutschen Schulen zu decken. So einfach ist es aber nicht. Die Griechen werden vor Gericht ziehen, die endgültige Entscheidung wird lange auf sich warten lassen. Das Thema ist ein Politikum geworden. Kommunale Autonomie hin oder her, die deutsche Seite wird sich mit dem Vorwurf konfrontiert sehen, dass sie den vom Spardiktat gebeutelten Griechen nun auch noch eine Schule für ihre Kinder verweigert. Steinmeier kann sich zwar auf die Eigenständigkeit Bayerns berufen, viele Griechen wird er aber damit nicht überzeugen können.