Satire-Show

Jan Böhmermann schleust Fake-Kandidaten bei RTL ein

| Lesedauer: 3 Minuten
Marc Hippler
Der „Schwiegertochter gesucht“-Kandidat Robin ist offensichtlich vom „Neon Magazin Royale“ eingeschleust worden. Es handelt sich um einen Schauspieler.

Der „Schwiegertochter gesucht“-Kandidat Robin ist offensichtlich vom „Neon Magazin Royale“ eingeschleust worden. Es handelt sich um einen Schauspieler.

Foto: Screenshot / FMG

Rückkehr mit einem Coup: Die Redaktion von Jan Böhmermann hat einen falschen Kandidaten bei „Schwiegertochter gesucht“ eingeschleust.

Berlin/Köln.  Sechs Wochen nach der Uraufführung des Schmähgedichts, das eigentlich nie wieder hätte zu hören sein sollen (es wurde aus der ZDF-Mediathek verbannt), nach einem Gutachten darüber, ob gegen Böhmermann ermittelt werden darf (Bundesregierung: ja), Strafanzeigen von Erdogan, diplomatischer Krise und Sendepause im ZDF, ist „der blasse, dünne Junge“ (Böhmermann über Böhmermann) wieder da. Mit einem Geniestreich.

Im Rahmen der „Fernseh-Nothilfe“, eine Reihe im „Neo Magazin Royale“, in der schon Stefan Raab mit einer gefälschten chinesischen Version von „Blamieren oder kassieren“ reingelegt worden war und auch das mit dem Grimme-Preis ausgezeichnete #Varoufake entstand, trifft es nun „Schwiegertochter gesucht“ bei RTL mit der Moderatorin Vera Int-Veen.

In der Kuppelshow werden seit Jahren Männer in „Bauer sucht Frau“-Manier vermittelt. Und dem „Neo Magazin Royale“ ist es offensichtlich gelungen, einen Kandidaten in die Sendung einzuschleusen. Mit erheblichem Aufwand. Eine gemietete Wohnung in Duisburg, zwei Schauspieler, die Vater und Sohn mimen, ausgedachte Biografien für die das Wort Klischee erfunden worden ist. Das alles „nur um zu zeigen, was für eine Scheiße Vera Int-Veen und RTL mit Menschen abziehen, die sich nicht wehren können“, wie Böhmermann den Beitrag ankündigt.

Die Einblicke sind erstaunlich. Mit versteckter Kamera wurden Gespräche zwischen den Kandidaten und RTL-Redakteuren gefilmt. Dabei kommt heraus, dass sie für bis zu 30 Drehtage nur eine Aufwandsentschädigung von 150 Euro bekommen sollen. Dazu müssen sie eine eidesstattliche Versicherung abgeben, nicht geistig beeinträchtigt zu sein. Offenbar eine Reaktion auf mehrfach geäußerte Mutmaßungen, die Kandidaten seien geistig behindert. Auch Texte werden direkt vorgesagt.

Robin aus dem Ruhrgebiet

Die ausgedachte Figur heißt Robin, ist 21 Jahre alt und soll aus dem Ruhrgebiet stammen. Außerdem trägt er eine seltsame Mütze und sammelt Schildkröten, an der Wand hängt ein Schal des MSV Duisburg. Sein angeblicher Vater (für RTL ist er 38 Jahre alt, in Wahrheit über 50) neigt zu Tränenausbrüchen. Offenbar eine Geschichte, die den Machern von „Schwiegertochter gesucht“ gefallen hat. Sie nahmen Robin nicht nur in die Sendung auf, sondern feilten noch ein bisschen an der Figur.

Nach wochenlanger Diskussion um die Frage, was Satire darf und wie Menschenwürde geschützt werden muss, mit diesem Beitrag zu kommen – das zeigt, welche satirische Klasse Böhmermann und sein Team haben. Da gerät es schon fast in den Hintergrund, dass Böhmermanns erster Gast Gregor Gysi das Gedicht „nicht so schön“ findet, Kunstfreiheit aber sehr wichtig. Im Gegensatz zu #Verafake, das trotz der Aufzeichnung am Mittwoch vor Publikum nicht an die Öffentlichkeit gelangt war, hatte Gysi diese Meinung schon vorher kundgetan.

Hier gibt es die komplette Sendung in der ZDF-Mediathek.

Update 22.29 Uhr: RTL hat sich noch am Donnerstagabend per Twitter geäußert. Man wollte mit der Produktionsfirma reden.

In den sozialen Medien gab es darüberhinaus viel Beifall für die Aktion: