Der Schriftsteller Rolf Hochhuth attackiert in scharfer Form den Literaturnobelpreisträger wegen dessen israelkritischen Gedichts.
Der Schriftsteller Rolf Hochhut hat den Literaturnobelpreisträger Günter Grass wegen eines Israel-kritischen Gedichts scharf kritisiert. In einem Beitrag in den Zeitungen „Die Welt“ und „Münchner Merkur“ schreibt Hochhuth in Briefform, seit Hitler habe kein anderer Staat als der Iran dem jüdischen Volk mit der Ausrottung gedroht.
Hochhuth schreibt weiter, er schäme sich als Deutscher, „Deiner anmaßenden Albernheit, den Israelis verbieten zu wollen, ein U-Boot deutscher Produktion zu kaufen, das möglicherweise allein ihrem kleinen Staat die letzte Sicherheit geben kann, von einer engst benachbarten Atommacht buchstäblich über Nacht nicht ausgerottet zu werden“.
Der an Grass gerichtete Beitrag schließt mit den Worten: „Du bist geblieben, was Du freiwillig geworden bist: der SS-Mann, der das 60 Jahre verschwiegen hat, aber den Bundeskanzler Kohl anpöbelte, weil der Hand in Hand mit einem amerikanischen Präsidenten einen Soldatenfriedhof besuchte, auf dem auch 40 SS-Gefallene liegen – nie gab es einen meisterhafteren Tartuffe als Dich!“
Grass: Mir geht es in erster Linie um die Politik Netanjahus
Der Literaturnobelpreisträger verteidigte sich und beteuerte, er würde das Gedicht jetzt anders schreiben und seine Kritik präziser formulieren. „Ich würde den pauschalen Begriff 'Israel' vermeiden und deutlicher machen, dass es mir in erster Linie um die derzeitige Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu geht“, sagte Grass der „Süddeutschen Zeitung“.
Der Schriftsteller hatte in seinem Gedicht „Was gesagt werden muss“ Israel vorgeworfen, mit seiner Iran-Politik den Weltfrieden zu gefährden. Darin schreibt er, Israel beanspruche für sich das Recht auf einen Erstschlag, der „das von einem Maulhelden unterjochte und zum organisierten Jubel gelenkte iranische Volk auslöschen könnte, weil in dessen Machtbereich der Bau einer Atombombe vermutet wird“.
Grass sagte nun, er hätte in seiner Kritik deutlicher zum Ausdruck bringen sollen, dass er die Politik der derzeitigen Regierung Israels habe treffen wollen: „Die kritisiere ich: Eine Politik, die gegen jede UN-Resolution den Siedlungsbau fortsetzt. Ich kritisiere eine Politik, die Israel mehr und mehr Feinde schafft und das Land mehr und mehr isoliert.“
Hahn: Grass „blamiert“ Deutschland weltweit
Hessens Vize-Ministerpräsident Jörg-Uwe Hahn findet, Grass „blamiere“ Deutschland mit seinen Thesen weltweit. Der FDP-Politiker sagte der „Bild“-Zeitung (Samstagausgabe), mit seinen Äußerungen mache er es Deutschland „unnötig schwer, eine vernünftige Vermittlerrolle im Atom-Streit mit dem Iran einzunehmen“.
Der amerikanische Bestsellerautor Daniel Jonah Goldhagen kritisierte Grass ebenfalls. In einem Beitrag für die Tageszeitung „Die Welt“ (Samstagausgabe) nennt Goldhagen Grass einen „Verfälscher seiner eigenen Nazi-Vergangenheit“.
Die im Gedicht von Grass enthaltene „aberwitzige Behauptung“, Israel drohe mit der präventiven Vernichtung des iranischen Volkes, sei „entweder eine antisemitische Fantasie oder eine groteske zynische Erfindung, die bei vielen Deutschen ins Spiel kommt, wenn es um die Projektion des Nazismus auf die Juden und Israel geht“, schreibt Goldhagen.
dapd/sei